Essen. Karl-Heinz Webels hat als Chef der Verkehrswacht stets für Rücksicht geworben. Mit der Streitkultur heute hat er einige Probleme. Eine Bilanz.
Er war so etwas wie der „Mister Verkehrswacht“, und er war es erkennbar sehr gerne: 21 Jahre stand Karl-Heinz Webels der Verkehrswacht Essen vor, einem Verein, der sich für die Sicherheit insbesondere schwächerer Verkehrsteilnehmer stark macht. Neben seiner eigentlichen Tätigkeit als langjähriger Verwaltungsleiter des Straßenverkehrsamtes übte der 67-Jährige dieses Ehrenamt mit großer Leidenschaft aus. Vor einigen Wochen gab er den Stab an Nachfolgerin Anja Löhrmann weiter.
Zu den Aufgaben der Verkehrswacht gehört längst nicht nur die Verkehrserziehung für Kinder, so wichtig diese auch ist. Auch Ältere und Hochbetagte gehören zur Kundschaft, zuletzt hat das E-Bike mit all seinen Chancen und Gefahren die Notwendigkeit praktischer Schulung auch im höheren Alter deutlich gemacht, betont Webels. Seine Nachfolgerin will dies aufgreifen und intensivieren.
Verkehrspolitische Kulturkämpfe waren dem Verein stets fremd
Die Verkehrswacht hielt stets das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme hoch, der erbitterte verkehrspolitische Kulturkampf, wie er derzeit auch in Essen tobt, war dem Verein stets fremd. „Wir waren und sind nicht autofeindlich, die Errungenschaften der Automobilität sind für mich unstrittig“, so Webels.
Die meisten Stadtbürger seien mal Fußgänger und mal Radfahrer, mal Autofahrer und ein anderes Mal nutzten sie Bus und Bahn. Die Mentalität des Grabenkampfes – wir gegen die – werde deshalb der Wirklichkeit nicht gerecht. Mancher Interessenverband überziehe auch gelegentlich bei seiner Öffentlichkeitsarbeit, sagt Karlheinz Webels, und nennt auf Nachfrage in diesem Zusammenhang den Verein Fuß e.V., der von früheren Chef der Verkehrsdirektion der Essener Polizei geleitet wird.
Verkehrswacht hat 140 Mitglieder
Die Verkehrswacht Essen hat 140 persönliche und institutionelle Mitglieder, ihre Mitgliedsbeiträgen bilden den Grundstock für die Finanzierung des Vereins.
Weiter Geldquellen sind die Bußgeldzuweisung durch die Justiz sowie Gewinne, die durch den Betrieb von Übungsplätzen erzielt werden.
Wo Webels aber mitgeht: Bei der weiteren Erhöhung der Verkehrssicherheit müssten vor allem die Autofahrer weitere Beiträge leisten. So setzt sich Webels in Arbeitskreisen der Landesverkehrswacht, in der er weiter ehrenamtlich tätig ist, für Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten ein. Die Bremswege bei Tempo 50 seien einfach zu lang. Nur auf den Hauptstraßen soll es schneller gehen dürfen.
Bis in die 1970er Jahre hinein gab es jährlich eine dreistellige Zahl an Toten durch Verkehrsunfälle
Als die Essener Verkehrswacht 1961 gegründet wurde, nahm die Massenmotorisierung in Essen gerade Anlauf - mit zunächst verheerenden Folgen. Bis in die 1970er Jahre hinein war Jahr für Jahr allein in Essen eine niedrige dreistellige Zahl an Unfalltoten zu beklagen, darunter jeweils Dutzende Kinder. Mittlerweile bewegt sich die Zahl der Toten längst im einstelligen Bereich, und das trotz der enorm gestiegenen Fahrzeugdichte. „Ich bin überzeugt, dass die Verkehrswacht hier ihren Teil beigetragen hat“, sagt Webels nicht ohne Stolz.
Rund 40.000 Kundenkontakte hat die Verkehrswacht pro Jahr, auf Verkehrsübungsplätzen, Jugendverkehrsschulen und bei vielen anderen Gelegenheiten. „Es ist wichtig, dass es solche Übungs-möglichkeiten gibt, denn sonst verlagert sich das nachts auf Supermarktparkplätze und ähnlichen.“ Sofern es um Auto-Fahranfänger ohne Führerschein geht, wäre das nicht nur illegal, sondern auch objektiv gefährlich. Als „desolat“ empfindet Webels die Verkehrserziehung in den fünften und sechsten Schulklassen. „Da muss mehr passieren.“