Essen. Anja Löhrmann hat vor drei Wochen die Nachfolge von Karl-Heinz Webels an der Spitze der Verkehrswacht Essen angetreten. So „tickt“ die „Neue“.

Wenn jemand nach 21 Jahren als Vorsitzender einen ordentlich geführten Verein hinterlässt, sind die sprichwörtlichen Fußstapfen automatisch groß. Dies ist bei der Essener Verkehrswacht, in der Anja Löhrmann vor drei Wochen die Nachfolge von Karl-Heinz Webels angetreten hat, nicht anders. „Mein Ziel ist, dieses hohe Niveau zu halten“, sagt Anja Löhrmann.

Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht ganz einfach: Das Verkehrsaufkommen in Essen nimmt stetig zu, gleichzeitig will die Stadt die Verkehrswende schaffen und 75 Prozent der Verkehrsteilnehmer zum Umsteigen vom Auto auf Bus, Bahn und Rad bewegen. So klimafreundlich die „Neue Mobilität“ auch in Zukunft sein mag: Auch unter Anja Löhrmann werde die Verkehrswacht Essen weiterhin den Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer – Fußgänger und Radfahrer, Kinder und Senioren – besonders im Blick haben.

Aufgewachsen in Steele und Verwaltungsleiterin im Amt für Straßen und Verkehr

Wer ist die „Neue“ an der Spitze der Verkehrswacht, die die Verkehrserziehung und die Sicherheit im Straßenverkehr auf ihre Fahnen geschrieben hat? „Ich bin eine Pflanze der Stadt Essen“, lacht Anja Löhrmann beim Gespräch in ihrem Büro im Amt für Straßen und Verkehr. In einem der größten Fachbereiche der Stadt steht sie in der Hierarchie weit oben. Als Verwaltungsleiterin kümmert sich die Diplom-Verwaltungswirtin hauptsächlich um Personal- und Organisationsfragen. 360 Beschäftigte seien es bei Amtsantritt vor drei Jahren gewesen, aktuell sind es 400 und wegen des Radentscheides schon bald 425. Ein Zufall oder nicht: Auch Karl-Heinz Webels war einst Verwaltungsleiter im Straßenverkehrsamt. Sein Beispiel zeigt: Die Verzahnung von Beruf und Ehrenamt schafft offenbar eine ideale Basis für erfolgreiches Netzwerken.

Geboren und aufgewachsen ist Anja Löhrmann in Steele, das Abitur legte sie am Carl-Humann-Gymnasium ab. Inzwischen wohnt sie in Überruhr. Zu ihren Hobbys zählt sie den Garten, das Wandern und Radfahrern sowie die Liebe zur französischen Sprache. Über sich selbst sagt sie: „Ich bin ein kreativer Mensch.“

In ihrem halben Berufsleben steht das Soziale ganz oben auf der Agenda. Obendrein setzt sich die Gewerkschafterin lange Zeit als freigestellte Personalrätin im Konzern Stadt für die Belange der Kolleginnen und Kollegen ein. Als die Flüchtlingswelle 2015 Essen erreicht und für teilweise dramatische Herausforderungen sorgt, steht sie immer noch Diensten des Sozialamtes.

Seit dem Wechsel ins technische Ressort fällt ihr jedes Schlagloch auf

Doch dann entscheidet sie sich überraschend für den Wechsel in ein technisches – und obendrein männerdominiertes – Ressort. Nicht ohne Stolz bemerkt sie: „Ich bin die erste Verwaltungsleiterin in einem technischen Amt.“ Genauso lange ist sie übrigens auch Mitglied der Verkehrswacht Essen.

Seit dem rasanten Fahrbahnwechsel vom Sozialen ins Technische ist Anja Löhrmann aufgefallen, dass sie „mit ganz anderen Augen“ durch die Stadt geht. „Ich sehe jedes Schlagloch, aber ich bin auch immer wieder begeistert vom unserem tollen Radwegenetz für Freizeitradler“.

1927 gegründet und unter Hitler verboten

Die Verkehrswacht Essen ist 1927 gegründet worden. Ihr Gründungsvorsitzender war der damalige Polizeipräsident Dr. Melchers. Nach dem Verbot in der NS-Zeit im Jahr 1938 erfolgte die Wiedergründung 1950.

Die Verkehrswacht Essen hat 130 Mitglieder. Die Geschäftsstelle befindet sich in der Lührmannstraße 82. Neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin Elke Treptau gibt es drei feste Mitarbeiter. Infos: verkehrswacht-essen.de

Die Verkehrswacht Essen betreibt traditionell den Verkehrsübungsplatz in Kray, der dem Verein Einnahmen beschert, sowie vier Jugendverkehrsschulen.

Traditionell pflegt die Verkehrswacht eine enge Zusammenarbeit mit Polizei und Stadt.

Vielen Bürgern bekannt sind die gelben Banner, die zu Beginn eines jeden Schuljahres aufgehangen wurden mit dem Slogan „Achtung! Schule hat begonnen“.

Während sich Lobbyverbände wie ADFC oder Fuss e.V. vorrangig um eine einzige Interessengruppe kümmern, also nur um Radfahrer oder nur um Fußgänger, behält die Verkehrswacht das große Ganze im Blick. „Auch ich bin als Verkehrsteilnehmer von jedem etwas“, sagt die neue Vorsitzende, „ich bin Autofahrerin, Radfahrerin, ÖPNV-Kundin und Fußgängerin.“

Ziele: Mehr Pedelec-Kurse für Senioren und die Verkehrswacht für junge Menschen bekannter zu machen

Fast drei Jahrzehnte habe sie sich auf dem Weg zur Arbeit überwiegend mit Bus, Straßen- und S-Bahn von A nach B bewegt. Seit einem Jahr besitzt sie ein E-Bike und als Verwaltungsleiterin würde sie es gerne sehen, wenn die Stadt Essen mehr Dienstfahrräder für ihre Mitarbeiter anschaffen würde.

Wegen des anhaltenden E-Bike-Booms sieht sie als Chefin der Verkehrswacht im Pedelec-Training für Senioren eine neue Säule des Vereins. So komfortabel E-Bikes auch seien, die Gefahren würden oft unterschätzt. Daher möchte sie das Pedelec-Kursangebot für Senioren auf dem Verkehrsübungsplatz in Kray gerne ausbauen. „Das hat oberste Priorität.“ Als Mutter eines 21 Jahre alten Sohnes hat Anja Löhrmann aber auch die jungen Menschen im Blick: „Ich möchte die Verkehrswacht und ihre Ziele in Zukunft auch bei jungen Verkehrsteilnehmern bekannter machen.“