Essen-Altenessen. Zustände wie in Armutsländern und gepflegte Einfamilienhäuser liegen in Altenessen dicht beieinander. So könnten sich die Verhältnisse bessern.
Zustände wie in Armutsländern in einigen Problemimmobilien und gepflegte Einfamilienhäuser liegen in Altenessen oft nur wenige Meter auseinander. Damit diese beiden Welten näher zusammenrücken, sich die Verhältnisse verbessern, legen sich viele Menschen ins Zeug. Zwei von ihnen sind Sozialarbeiter Thomas Rüth von der Caritas-SkF-Essen gGmbH (cse) und Stefan Maaß, der als Quartiershausmeister seit 2016 „das Zusammenleben verbessern will“.
Schrottimmobilien in direkter Nachbarschaft zu gepflegten Einfamilienhäusern
Maaß hat immer einen Müllsack im Rucksack, den gibt er beispielsweise jenen, die vor der Herz-Jesu-Kirche an der Bäuminghausstraße sitzen und Bier trinken: „Die wollen auch nur ihr Zimmer sauber halten und keinen Streit mit den Kirchenbesuchern, also helfen sie mit.“
Geht man von dort weiter Richtung Ellernstraße sieht man die Diskrepanz des Essener Nordens: Auf der rechten Straßenseite heruntergekommene Schrottimmobilien ohne Klingelschilder, Sperrmüll lehnt am Baum. „Hier wohnen Wanderarbeiter, die gezielt hierhin geschleppt werden und Opfer von Armutsausbeutung sind“, erklärt Rüth. Schräg gegenüber ein gepflegtes Häuschen, die Blumen blühen im Baumbeet. Wo kein Müll ist, kommt auch kein Müll hin. Andersherum beeinflusst die Vermüllung das subjektive Sicherheitsempfinden, erklärt Rüth der weiß, dass die wenigsten, die im Essener Norden wohnen, selbst Opfer einer Straftat geworden sind.
Essener Norden hat Sicherheits- und Verkehrsproblem sowie hohe Armutsquote
Tatsächlich ist die Zahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Nord zuletzt kontinuierlich gesunken von 18.984 Fällen im Jahr 2015 auf 12.641 Fälle im Jahr 2019. Die Straßenkriminalität ist ebenfalls kontinuierlich zurückgegangen. Wurden 2015 noch 4345 Fälle gezählt, so waren es 2019 noch 2970 Fälle.
Wie kann man das subjektive Sicherheitsgefühl verbessern? „Man muss die Menschen mit ihren Sorgen ernst nehmen, auch wenn sich das nicht in Kriminalitätsstatistiken abbildet! Wir wollen aktivieren und Wege zur Beteiligung öffnen“, sagt Rüth. Der Norden hat nicht nur ein Sicherheits-, sondern auch ein Verkehrsproblem sowie eine hohe Armutsquote, das sei unumstritten. Die Arbeitslosigkeit ist mit 13 Prozent (Stand 31.12.2020) höher als im Essener Durchschnitt, der zum selben Zeitpunkt bei 9,1 Prozent lag.
Schlüssel für friedliches Zusammenleben im Essener Norden liege in intakten Quartieren
Rüth: „Das wichtigste Kapital des Stadtteils sind intakte Nachbarschaften, daran müssen wir arbeiten. Das gelingt nur mit den Menschen in Altenessen.“ Durch Beratungsangebote - etwa im Treffpunkt Süd, die Angebote der CSE für geflüchtete Menschen oder den Einsatz des Quartiershausmeisters, der direkt auf die Leute zugeht, sie berät und ihre Probleme ernst nimmt, könne man feste Strukturen schaffen und intakte Nachbarschaften festigen oder neu herstellen. Stefan Maaß: „Wenn die Flüchtlingsberatung im Treffpunkt Süd parallel zum Seniorenfrühstück abläuft, sind das magische Momente.“ Da treffen Menschen aufeinander, die sonst nur wenig miteinander zu tun haben. Solche Momente fördern den Zusammenhalt.
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„Intakte Familien und intakte Quartiere gehören zusammen“, weiß Rüth. Unterstützung in Form von Geld müsse dafür dauerhaft fließen und nicht nur in begrenzte Projekte gesteckt werden. Der Schlüssel liege darin, den Menschen Verantwortung für ihre Umgebung zu übertragen und Begegnungsorte zu schaffen.
Zeche Zollverein und Kaiser-Wilhelm-Park als Leuchttürme
Einer davon ist der Gemeinschaftsgarten Ellerngrün, der 2019 entstanden ist. Dort zeigt die Natur ihr schönstes Spiel, der Herbst gibt sein erstes Konzert. Die Nachbarn lieben diese Oase, kommen hier zur Ruhe, säen, pflegen und ernten. Müll sucht man hier vergeblich. Es ist einer der Orte, für die jene Altenessener werben, die sich gegen den schlechten Ruf ihres Stadtteils aufbäumen. Jene, die Stauder, die Zeche Zollverein und den Kaiser-Wilhelm-Park als Leuchttürme nennen, das Stadtteilfest hervorheben und betonen, dass die Menschen im Norden zufrieden, bunt durchmischt und aufnahmebereit sind.
Doch sie wissen, es gibt auch jene unbelehrbaren. Und bei deinen endet dann auch der Zuständigkeitsbereich von Quartiershausmeister Stefan Maaß. Thomas Rüth erinnert an das schwierige Klientel, jahrzehntelang hat er sich schon mit arabischen Familienstrukturen und libanesischen Clans beschäftigt. Der 59-Jährige kennt die einschlägigen Geschäfte an der Altenessener Straße und die Teile des Systems der Schattenwirtschaft. Vor den Läden stehen immer die gleichen Gruppen - sie stecken ihr Gebiet ab. Was tun mit den unbelehrbaren, mit denen, die Altenessen in die Negativ-Schlagzeilen bringen?
Mehr Polizisten und Polizistinnen für den Essener Norden gefordert
Thomas Rüth: „Wir brauchen dringend mehr Polizisten und Polizistinnen. Solche, die im öffentlichen Raum Präsenz zeigen und zum Beispiel engmaschige Personenüberprüfungen durchführen, bei Massenauseinandersetzungen schnell vor Ort sind.“ Es brauche Polizisten und Polizistinnen, die mit präventiven Maßnahmen Jugendkriminalität bekämpfen und Ermittler und Ermittlerinnen, die kriminelle Strukturen dauerhaft und nachhaltig austrocknen. Die Sozialarbeit sei dabei auch ein Baustein, aber nur einer von mehreren.
Auch bei respektlosem Verhalten gegenüber Polizisten und Polizistinnen, Politessen, Verwaltungsmitarbeitern- und Mitarbeiterinnen müsse übergriffiges Verhalten mit aller Konsequenz unterbunden werden. Rüth: „Essen ist mit den Netzwerken erfolgreiche Wege gegangen, die Säule der Prävention ist gut entwickelt. Die Säule der Repression muss deutlich gestärkt werden.“ Die „Politik der Nadelstiche“, wie das Vorgehen gegen Clans genannt werde, sei sicher ein großer Fortschritt. Allerdings zeigten die Erfahrungen, dass organisierte Kriminalität konsequent und anhaltend bekämpft werden müsse. „Man muss die Geldquellen austrocknen.“
Wie im Essener Süden: Einfamilien-Reihenhaus mit gepflegten Vorgärten
Diese organisierte Kriminalität passiert oft im Hintergrund, unsichtbar für jene, die die Altenessener Straße entlangfahren. Und kaum biegt man von der Hauptverkehrsstraße ab in den Palmbuschweg und von dort in die Nebenstraßen, fühlt man sich wieder im Essener Süden: Einfamilien-Reihenhäuser mit gepflegten Vorgärten und Fußmatten mit kecken Sprüchen. Hinter den Haustüren wohnen jene, die - fragt man Thomas Rüth - die Integrationsarbeit für die ganze Stadt leisten. Einige davon sind selbst vor Jahren zugezogen, andere sind direkt um die Ecke an der Hospitalstraße geboren und in Altenessen geblieben.