Essen. Seit dem Hochwasser im Sommer besteht Sorge, Essen könnte es noch mal erwischen. Mit welchen Mitteln man gegen Starkregen ankommen will.

  • Straßenbäume leiden bei Trockenheit in besonderem Maße. Die Stadt Essen bringt nun mit Baumrigolen ein Bewässerungssystem zum Einsatz, das noch einem zweiten Zweck dient: dem Hochwasserschutz.
  • Baumrigolen fangen Regenwasser auf und sollen damit vor allem dann die Abwasserkanäle entlasten, wenn sie bei Starkregen unter Druck geraten.
  • Nachdem in Holsterhausen und Bredeney die ersten Rigolen eingebaut sind, sollen noch weitere Standorte folgen und einen Beitrag zur „Schwammstadt“ leisten.

Bei Trockenheit und Dürre leiden Bäume, Straßenbäume haben es dann besonders schwer. In Essen gibt es einige Projekte, die ihnen das Überleben sichern sollen. Von der Aktion Gießkannenhelden, bei der sich Bürger um nahe gelegene Bäume kümmern, bis hin zur Entsiegelung des Umfeldes. Mit Baumrigolen kommt nun ein neues Modell hinzu, das gleich doppelten Nährwert hat. Neben den Bäumen soll auch der Hochwasserschutz profitieren.

Neue Technik für rund 130 Bäume auf dem Berthold-Beitz-Boulevard

Bei den Rigolen handelt es sich um Speichersysteme, die ins Erdreich eingelassen werden und Regenwasser aufnehmen. Wenn die Bäume durstig sind, können sie von diesem Reservoir zehren. An der Nieberdingstraße in Holsterhausen und der Baumblüte in Bredeney hat die Stadt die ersten Rigolen auf städtischem Gebiet einbauen lassen.

An dem erstgenannten Standort sind es zwei jahrzehntealte Bäume, die jetzt mit Regenwasser versorgt werden, in dem anderen Fall wurden sechs neue Bäume gepflanzt. Von ganz anderen Zahlen ist beim Blick in die Zukunft die Rede. In nächster Zeit sollen auf dem Berthold-Beitz-Boulevard Rigolen für 130 Bäume eingebaut werden. Die Kosten werden auf rund 1,5 Millionen Euro geschätzt, wobei rund 80 Prozent an Fördergeldern vom Land fließen sollen. Auf lange Sicht sollen im Stadtgebiet noch einmal auf einer Länge von 30 Kilometern weitere Bäume hinzukommen. Dabei will die Stadt vor allem solche Strecken aussuchen, die bislang noch wenig Grün haben. Neupflanzungen sollen das Manko beheben.

Die Nieberdingstraße lässt die Stadt Essen derzeit rundum erneuern, sowohl Fahrbahn als auch Bürgersteige werden in Stand gesetzt.
Die Nieberdingstraße lässt die Stadt Essen derzeit rundum erneuern, sowohl Fahrbahn als auch Bürgersteige werden in Stand gesetzt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Während sich die Kosten im Millionenbereich bewegen, betreibt Essen den Aufwand, um beim Hochwasserschutz nachzulegen. Denn die Rigolen sollen die Abwasserkanäle entlasten. Bei Starkregen, wie man ihn gerade erst im Sommer mit seinen verheerenden Folgen erlebt hat, zeigt sich immer wieder: Die Kanäle sind meist nicht in der Lage, solche Wassermassen mit ihrer Heftigkeit in der Kürze der Zeit zu fassen. Rigolen können einen Beitrag leisten, die Speicherkapazitäten im Stadtgebiet zu erhöhen.

Nachbar Bochum hat schon vor über drei Jahren mit dem Einsatz von Baumrigolen begonnen und Stadtsprecher Thomas Sprenger spricht von einem „sehr erfolgreichen Projekt“. Was Essen jetzt angehen will, ist dort schon längst passiert. Mittlerweile sind schon Dutzende solcher Wassersysteme installiert Aber auch andere große Städte wie Solingen, Leipzig und Heidelberg haben sich für den Bau solcher Anlagen entschieden.

Grünen-Ratsherr fordert den Ausbau zu einer „Schwammstadt“ und skizziert Wege

Für den umweltpolitischen Sprecher der Grünen, Rolf Fliß, ist der Einbau von Rigolen ein Schritt in die richtige Richtung. Aber sowohl bei diesem Projekt als auch bei allen anderen Initiativen und Programmen, die Essen zu einer „Schwammstadt“ werden lassen, gebe es „noch viel Luft nach oben“. Das Prinzip besteht vereinfacht gesagt darin, Regen dort zu speichern, versickern oder verdunsten zu lassen, wo er fällt. Das ist bei den Rigolen der Fall, die man sich durchaus auch auf Grundstücken von Unternehmen, Gesellschaften oder Privatleuten denken kann, so Fliß. Das trifft aber auch auf Regentonnen zu, die man sich auf seinen Grund und Boden stellen kann.

Wer sich übrigens an der Initiative Gießkannenhelden beteiligt, dem wird ein 1000-Liter-Container zur Verfügung gestellt, um ihn ans Dach anzuschließen und auf diese Weise Regenwasser aufzufangen. Dachbegrünung ist ein weiteres Instrument, um Starkregen stärker einzudämmen. Denn begrünte Dächer tragen zur Abkühlung bei, wodurch Wasser besser verdunsten kann. Hitzeinseln, mit denen man es in einer Reihe von Stadtteilen mit dichter Bebauung zu tun habe, erschweren nämlich die Verdunstung. Bekanntermaßen wirken sich auch Straßenbäume vorteilhaft auf das Klima aus, sind wichtige Schattenspender. „Das unterstreicht, wie bedeutsam ihr Erhalt ist“, so Fliß, „beispielsweise durch Rigolen“.

Nach seiner Ansicht müsse die Stadt aber noch in erhöhtem Maße die Entsiegelung von Flächen vorantreiben, wo es eben möglich ist. Auf diese Weise entstünden wieder Flächen, auf denen Regenwasser versickern kann.

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Mehr Fassadengrün und Regenwasser-Projekte

 Bei der Fassadenbegrünung an der Gladbecker Straße handelt es sich um ein gemeinsames Projekt von Emschergenossenschaft und Allbau
Bei der Fassadenbegrünung an der Gladbecker Straße handelt es sich um ein gemeinsames Projekt von Emschergenossenschaft und Allbau © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

In jüngster Zeit sind eine Reihe von Programmen gestartet worden, die zum Konzept einer Schwammstadt passen und zugleich auch das Klima verbessern sollen. Denn Essen ist, wie das gesamte Ruhrgebiet zwischen Hamm und Duisburg, an einem Klimaprojekt beteiligt, das sich unter anderem die Verringerung des Regenwassers in Kanalsystemen um 25 Prozent und eine um zehn Prozent erhöhte Verdunstungsrate bis 2040 zum Ziel gesetzt hat. Nun werden im Zuge einer stadtweiten Gründachinitiative aktuell 6000 Quadratmeter Garagendachfläche begrünt. Fördergelder erhalten Bauherren vom Land, die Stadt steht mit Rat und Hilfe zur Seite.

Ein Pilotprojekt zum Fassadengrün setzen Emschergenossenschaft und Allbau an der Gladbecker Straße um. Dort werden insgesamt 44 Gebäude rundumerneuert. Dabei kommen Stauden, Kleingehölze und Gräser zum Einsatz, die an der Außenhaut mehrerer Häuser emporranken und ihr Wasser über Tröge oder Vliese erhalten.

Im „Neuen Universitätsviertel“ ist eine Abkoppelung von Regenwasser in den den naturnah geplanten neuen Berne-Zulauf geplant. Dazu wird außerdem das Wasser der Dachflächen des angrenzenden RWE-Campus in den Berne-Zulauf eingeleitet. Hier wartet die Verwaltung noch auf eine Antwort zu einer möglichen finanziellen Förderung.

Außerdem sollen weitere städtische Grundstücke und Gebäude vom Mischwassernetz abgekoppelt werden. Regenwasser soll dann nicht mehr in das Kanalsystem fließen, sondern in Gräben und Gewässer, oder auch versickern oder verdunsten. Vorgesehen sind unter anderem die Feuerwache Wüstenhöferstraße oder das Berufskolleg an der Altenessener Straße sowie geeignete Sportanlagen, Bildungseinrichtungen und andere Verwaltungsgebäude auf städtischen Grundstücken.