Essen-Margarethenhöhe. Wolfgang Wrede aus Essen unterstützte schon als Kind den Vater beim Gemüse-Verkauf. Warum beim Abschied auf der Margarethenhöhe Tränen flossen.

Nach 72 Jahren auf dem Markt ist für den Obst- und Gemüsehändler Wolfgang Wrede (75) aus Essen jetzt Schluss. Schon als kleiner Junge schnupperte er Marktluft. Jetzt hat er sich auf der Margarethenhöhe schweren Herzens in den Ruhestand verabschiedet – und hat viel zu erzählen.

Einen Großteil seines Lebens hat Wolfgang Wrede auf dem Markt verbracht, am liebsten auf der Margarethenhöhe. „Das ist ein sehr familiärer Markt, da kennt man die Kunden persönlich“, sagt der 75-Jährige. Und so gab es beim Abschied reichlich Tränen – auf beiden Seiten. So lange er denken kann, war Wolfgang Wrede in Sachen Obst und Gemüse unterwegs. Sein Vater hatte schon 1938 auf dem Markt gestanden, bis er dann in den Krieg musste. „Ich bin in das Gewerbe quasi reingewachsen. Wir haben als Kinder in den Ferien geholfen und manchmal schon vor der Schule den Stand mit aufgebaut, was ich schon manchmal gehasst habe, weil die anderen in der Zeit Fußballspielen konnten“, erinnert sich Wrede an die 1950er Jahre, als es nach dem Krieg wieder richtig losging.

1969 übernahm Wolfgang Wrede den Marktstand auf der Margarethenhöhe

Seit er den Führerschein hatte, nahm er seiner Mutter frühmorgens die Fahrten zum Großmarkt ab. „Fast mein ganzes Leben bin ich um 2 oder 2.30 Uhr aufgestanden, um spätestens um 3 Uhr auf dem Großmarkt zu sein. Man braucht schon zweieinhalb Stunden, um die Waren zusammenzustellen“, erinnert er sich. Das hatte seinen Preis: Soziale Kontakte gestalten sich schwierig, wenn man um 20 Uhr ins Bett geht. „Und auch am Samstagabend, wenn andere ausgingen, war ich einfach zu müde von der Arbeit der Woche. Da ging nichts“, sagt Wrede. Erst am marktfreien Montag, an dem er in der Regel Büroarbeiten und Abrechnungen erledigt habe, sei er einigermaßen erholt gewesen.

Belebung des Marktes ist eine Herausforderung

Der Markt auf der Margarethenhöhe hat – wie viele Märkte im Stadtgebiet – nur noch wenige Stände.Die Erweiterung der Öffnungszeiten am Mittwoch bis 18 Uhr, die 2014 zur Belebung des Marktes eingeführt wurde, hatte nur in den ersten zwei Jahren den gewünschten Erfolg. Händler und Betreibergesellschaft hatten in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, den Markt durch Aktionen, zum Beispiel die Anschaffung eines Pavillons, zu beleben.

Das frühe Aufstehen sei ihm in jungen Jahren schwerer gefallen als zuletzt. Damals habe er auch schon mal verschlafen, „das ist mir in den letzten zehn Jahren nicht mehr passiert“. Jetzt kann er den Wecker getrost ignorieren. „Ich habe erstmal Urlaub gemacht und gehe jetzt viermal am Tag mit dem Hund raus.“

Die fünf Kinder des Markthändlers haben andere Berufe

Neben dem Markt in Borbeck, wo die Familie damals wohnte, verkauften die Wredes Gemüse, später auch Obst, auf der Margarethenhöhe. 1986 sei dann der Markt in Holsterhausen dazugekommen, der erste Nachmittagsmarkt in Essen. Wolfgang Wrede hatte den Marktstand 1969 übernommen, die Mutter habe zuerst noch geholfen. „Damals ist mein Vater gestorben“, blickt er zurück. Er habe dann geheiratet, seine Frau sei später zu Hause bei den fünf Kindern geblieben. Vor gut zehn Jahren trat Wrede in die zweite Reihe, übergab den Marktstand 2010 an seinen Schwiegersohn, blieb aber im Hintergrund weiter aktiv.

Der Obsthändler Wolfgang Wrede mit seiner Frau Ilona und Christian Henkes (r.) von der Bürgerschaft Essen-Margarethenhöhe, der dem Ehepaar für sein langjähriges Engagement dankte.
Der Obsthändler Wolfgang Wrede mit seiner Frau Ilona und Christian Henkes (r.) von der Bürgerschaft Essen-Margarethenhöhe, der dem Ehepaar für sein langjähriges Engagement dankte. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Auch nach vielen Jahrzehnten auf dem Markt habe er seinen Beruf immer noch mit Leidenschaft und einer Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl ausgeübt. „Man muss Lebensmittel lieben, wenn man diesen Job macht. Ich habe immer nur das verkauft, was mir auch selbst schmeckt und die entsprechende Qualität hat. Ich probiere alles“, sagt Wrede. „Ich esse überwiegend Obst und Gemüse, ganz selten Fleisch.“ Der gesunde Lebenswandel habe sich bisher ausgezahlt, er sei nur selten krank gewesen. „Ich war ja immer an der frischen Luft, auch wenn der Beruf körperlich schon anstrengend ist.“ Kälte habe ihm nie viel ausgemacht, dagegen könne man sich ja anziehen. „Extreme Hitze ist da schon schwieriger.“

Wolfgang Wrede kennt viele persönliche Geschichten seiner Kunden

Seine zahlreichen Stammkunden auf der Margarethenhöhe werde er vermissen, „die haben teils 40, 50 Jahre bei mir eingekauft, ich kenne so viele persönliche Geschichten“. Er habe oft sofort gesehen, wie es den Menschen gerade gegangen sei, „ich konnte quasi Gedanken lesen“. Die Versorgung seiner Kunden sei für ihn Verpflichtung gewesen. Heißt: Wer nicht zum Stand kommen konnte, bekam das Obst auch mal gebracht.

Obwohl Wrede selbst nicht auf der Margarethenhöhe wohnt, sei er in der dortigen Bürgerschaft gut integriert gewesen, habe sich engagiert und zum Beispiel den Weihnachtsmarkt mit aufgebaut. Vertreter der Bürgerschaft dankten ihm deshalb noch einmal an seinem letzten Arbeitstag. Mit Wolfgang Wredes Ausscheiden ist eine Markthändler-Ära zu Ende gegangen. Er hätte sich gewünscht, dass die Kinder das Geschäft übernehmen, aber das habe nicht geklappt. „Die haben ja ihre eigenen Berufe.“