Essen. Neben der Urlaubszeit sorgt die Flutkatastrophe in NRW für einen „besonders eklatanten“ Engpass an Blutkonserven. In Essen werden OPs verschoben.

Die Zahl der Blutspenden ist auf ein kritisch niedriges Niveau gesunken – in Essener Kliniken sieht man sich daher gezwungen, Operationen zu verschieben. Das meldet das Medizinische Versorgungszentrum für Labormedizin und Mikrobiologie Ruhr (MVZLM), das Essener Krankenhäuser mit Blutkonserven versorgt. Auch das Deutsche Rote Kreuz West (DRK) und die Blutbank des Uniklinikums Essen schlagen Alarm.

Mit dem Wegfall von Corona-Beschränkungen sank die Blutspendebereitschaft

In jedem Jahr zur Sommerurlaubszeit sinkt die Zahl der Blutspenderinnen und -spender, „doch die Lage in diesem Jahr ist ganz besonders eklatant,“ sagt Dr. Yuriko Stiegler, ärztliche Laborleiterin am zentralen MVZLM-Blutdepot. Seit 2001 arbeite sie im Bluttransfusionswesen. „In diesem Ausmaß haben ich und viele meiner Kollegen das aber noch nie erlebt.“

Händeringend gesucht: Blutspender und -Spenderinnen

In Essen hat das DRK-Blutspendezentrum West einen festen Standort für Blutspenden. Dieser befindet sich im Haus Kettwiger Straße 5. Dort kann von montags bis samstags in der Zeit von 11 bis 18 Uhr Blut gespendet werden. Nähere Informationen gibt es unter 0201 543 793 47.

Im Juli kann zudem in Altenessen Blut gespendet werden: am 29. Juli bei der evangelischen Kirchengemeinde am Mallinckrodtplatz 1 in der Zeit von 16 bis 19 Uhr. Das DRK bittet um Voranmeldung unter www.blutspende.jetzt .

An der Blutbank der Uniklinik Essen können Essenerinnen und Essener auch ohne Termin Blut spenden. Alle Informationen gibt es unter www.uk-essen.de .

Beschäftigte der Contilia-Kliniken bekommen nach eine Blutspende vier Arbeitsstunden gutgeschrieben, auch das Krupp-Krankenhaus folgt diesem Vorbild und belohnt Personal für Blutspenden mit vier Stunden auf dem Zeitkonto.

Stephan David Küpper vom DRK-Blutspendedienst West führt das insbesondere auf die Lockerungen der Corona-Restriktionen zurück. „In der Zeit des Lockdowns hatten wir keine Probleme mit den Blutspenden, die Leute hatten sonst nichts und sind zur Spende gegangen – für uns eine schöne Zeit,“ so Küpper, „Genau mit dem Wegfallen der Restriktionen und dem veränderten Reiseverhalten ist die Blutspendebereitschaft massiv eingebrochen.“

An schlechten Tagen liege die Spenderzahl beim DRK West 30 Prozent unter dem Durchschnittswert. Täglich würden in den belieferten NRW-Kliniken 2000 bis 2500 Blutkonserven benötigt. „Unser Anspruch ist, dass 10.000 bis 12.000 Konserven fertig getestet im Kühlregal liegen – auch als Krisenvorsorge,“ sagt Küpper. Doch statt eines Puffers von vier bis fünf Tagen lagere aktuell nur Blut für die nächsten anderthalb Tage im Kühlregal. „Wenn Kliniken derzeit zehn Konserven bestellen, können wir nur vier liefern.“

DRK West muss Essener Blutdepot weniger Blutkonserven liefern

Das zentrale Blutdepot des MVZLM in Essen bekommt diese Lieferengpässe des DRK zu spüren, weshalb die „Dramatik der Warnungen“ von Dr. Yuriko Stiegler zugenommen habe. In der vergangenen Woche habe sie schließlich den Geschäftsführungen der Contilia-Kliniken, der Kliniken Mitte und des Alfried Krupp Krankenhauses sowie Chefärzten, die viele Blutkonserven brauchen, dazu geraten, Operationen aufzuschieben. „Die Basisversorgung können wir im Moment nur aufrechterhalten, wenn nicht dringliche Eingriffe verschoben werden,“ sagt. Dr. Stiegler.

Zunächst werden die Blutkonserven mit einer Blutgruppe mit negativem Rhesus-Faktor knapp.
Zunächst werden die Blutkonserven mit einer Blutgruppe mit negativem Rhesus-Faktor knapp. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

In der Gefäßchirurgie des Elisabeth-Krankenhaus Essen habe man daraufhin Konsequenzen gezogen und Operationen verlegt, ebenso im St. Marien-Hospital Mülheim. Im Essener Alfried Krupp Krankenhaus mussten bisher aufgrund fehlender Blutkonserven keine Operationen verschoben werden, so ein Kliniksprecher. Auch im Essener Uniklinikum würden derzeit noch alle Operationen wie geplant durchgeführt, aber die Lage sei aktuell „sehr angespannt“, so der Direktor der Transfusionsmedizin, Peter Horn.

Spendelokale in Flut-Gebieten in NRW fallen weg

Neben Blutkonserven aus der eigenen Blutbank sei das Uniklinikum auch auf zusätzliche Konserven des DRK West angewiesen, die aktuell gedrosselt werden. „Wir sehen mit großer Sorge den nächsten Wochen entgegen,“ sagt Horn, „Wenn sich die Zahl der Blutkonserven weiter verknappt, werden auch wir ausgewählte Operationen verschieben müssen.“ Komplexe Eingriffe – beispielsweise von Tumoren – oder Leber- und Lungen-Transplantationen würden dagegen „auf keinen Fall verschoben“.

Der Blut-Engpass falle gerade in eine Zeit, in der Kliniken vielerorts den OP-Betrieb wieder hochfahren und in der Corona-Zeit aufgeschobene Operationen nachholen.

Wegfallende Spendenlokale infolge der Flutkatastrophe – betrieben durch das DRK oder die Uniklinik Aachen – verschärften die Lage im Land zudem: „Aktuell fällt in einem großen Teil von NRW die Blutspende aus der Fläche weg, die Leute dort haben gerade etwas anderes zu tun,“ sagt Dr. Horn, „Das wird in den nächsten Wochen nicht besser werden, daher sind wir froh und dankbar über jeden einzelnen Spender.“