Essen. Hochwasser trifft die Kulturlandschaft im Essener Deilbachtal hart: Flut zerstört Restaurierungsarbeiten, historische Dokumente sind verloren.

Hochwasser hat der Deilbachhammer in Kupferdreh über die Jahrhunderte schon einige erlebt. Doch so heftig wie in der vergangenen Woche hat es das einmalige Zeugnis der vorindustriellen Geschichte des Ruhrgebiets im Essener Süden noch niemals getroffen. Binnen weniger Stunden fluteten die Wassermassen Ausstellungsräume und Vitrinen, rissen Werkzeuge und ganze Baucontainer mit, spülten sogar tonnenschwere Eichenholzblöcke fort und ließen einen Großteil der sorgsam dokumentierten Deilbach-Geschichte wohl unwiederbringlich untergehen. Die Restaurierungsarbeit von Jahrzehnten ist damit zurückgeworfen, manches womöglich sogar vernichtet.

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Für Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums, ist die Lage besonders tragisch, da man sich nach jahrelangem Vorlauf fast schon auf der Zielgeraden sah, eine der ältesten Denkmallandschaften Deutschlands mit Eisenhammer und Kupferhammer bald als weiteren Anziehungspunkt für den Ruhrgebiets-Tourismus präsentieren zu können. Denn wie die Welterbezeche Zollverein im Norden als Symbol für den Steinkohlebergbau im Ruhrgebiets steht, gilt das Deilbachtal im Süden als Wiege der Metallindustrie. Beide Standorte markieren Anfänge und Höhepunkt der Industriekultur auf Essener Stadtgebiet damit in einmaliger Symbiose.

Im Ausstellungsraum des Kutschenhauses stieg das Wasser höher als einen Meter. Die Glasvitrinen wurden zerstört – und auch viele wichtige Exponate.
Im Ausstellungsraum des Kutschenhauses stieg das Wasser höher als einen Meter. Die Glasvitrinen wurden zerstört – und auch viele wichtige Exponate. © Unbekannt | Ruhr Museum
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Dieser historische Schatz sollte den Besuchern wieder erschlossen werden. 2,3 Millionen Euro waren am Ende durch die Beharrlichkeit des Konsortiums Deilbachtal und den finanziellen Zusammenschluss verschiedener Geldgeber von Bund und Land zusammengekommen, um die Instandsetzung der historischen Gebäude zu ermöglichen. Vieles war auf einem guten Weg, die nahezu vollständig restaurierten Arbeiterhäuser sollten eigentlich in diesem Oktober für den Publikumsverkehr geöffnet werden. Ein Café, sogar ein Außenstelle des Standesamtes sind dort geplant.

„Das wirft uns mindestens um ein Jahr zurück“

Doch das Wasser kam mit Macht, flutete die Gebäude bis Fensteroberkante. Schlamm, Unrat und mitgespültes Mobiliar müssen nun erst einmal beseitigt werden, Architekten sollen die Statik der Gebäude überprüfen. Glück im Unglück: Die historischen Einrichtung der Arbeiterwohnungen war bestellt, aber noch nicht eingebaut. Die Folgen sind trotzdem schwerwiegend: „Das wird uns mindestens um ein Jahr zurückwerfen“, fürchtet Grütter.

Schlimmer noch: Viele kostbare Archivalien zum Deilbach hat das Wasser vernichtet, historische Karten, Objekte, „die gesamte Aktenkorrespondenz seit dem 2. Weltkrieg“, berichtet Achim Mikuscheit, lange Jahre Mitarbeiter des Ruhrmuseums und heute ehrenamtlich für das „Konsortium Deilbachtal“ tätig. Auch etliche geologische, historische und archäologische Exponate, die in einer Ausstellung im Kutschenhaus des Kupferhammers über die Geschichte des Ensembles informieren, sind betroffen und werden von Experten des Ruhr Museums nun erst einmal auf ihre Schäden untersucht.

Das Wasser ist durch Arbeiterhäuser und Meisterhaus im Deilbachtal gelaufen und hat Zerstörung und Unrat hinterlassen.  
Das Wasser ist durch Arbeiterhäuser und Meisterhaus im Deilbachtal gelaufen und hat Zerstörung und Unrat hinterlassen.   © Unbekannt | Ruhr Museum

Für Mikuscheit wiegt noch ein weiterer Verlust extrem schwer. Sogar die neu beschafften, wuchtigen Eichensäulen, die das Gerüst des mächtigen Eisenhammers tragen sollen, hat das Wasser mitgerissen. Zwei der jeweils 1,5 Tonnen schweren Balken habe man mittlerweile gefunden, drei werden noch vermisst, sagt Mikuscheit. Jede einzelne Säule habe einen Wert von mehr als 20.000 Euro, denn die Eichenstämme, die man dafür braucht, seien in dem erforderlichen Durchmesser von einem Meter mittlerweile gar nicht mehr zu finden.

So wurde ein aufwendiges Konstrukt entwickelt und jeweils vier dicke Balken zu einem Block zusammengefügt. Grün und Gruga hatte die Balken aus Essener Wäldern beschafft, die nur noch auf ihren Einbau warteten. „Da haben wir mehr als zwei Jahre Arbeit reingesteckt“, berichtet Mikuscheit. Und nicht nur an dieser Stelle dürfte die Neubeschaffung schwierig werden. Angesichts der prekären Situation auf dem Baumarkt sei Eichenholz in guter Qualität momentan überhaupt kaum zu kaufen.

Das schlimmste Hochwasser der Vergangenheit hat den Hof überschwemmt

Wie so viele Betroffene des Hochwassers kann Mikuscheit die Ausmaße der Zerstörung derzeit kaum fassen. Selbst ein zuletzt noch in Auftrag gegebenes Landschafts- und Gewässergutachten habe ein Flutkatastrophe dieses Ausmaßes nicht vorausgesehen. „Das schlimmste Hochwasser hat den Hof überschwemmt, aber höher ist das Wasser nie gekommen.“ Diesmal aber wurde der Deilbach zum reißenden Strom.

Zudem hat sich manche Reparatur aus früheren Jahren nun als schädlich erwiesen. Den bis 1960 noch in Funktion gewesenen historischen Unterwassergraben später durch eine andere Techniklösung zu ersetzen, sei beispielsweise ein Fehler gewesen, sagt Mikuscheit. Am Deilbachhammer aber hat man schon viele Rückschläge und Herausforderungen gemeistert. Und deshalb gelte die Devise auch jetzt: Ärmel aufkrempeln, um ein einmaliges historisches Zeugnis vor dem Verfall zu retten.