Essen. Die Sanierung des Eisenhammers, Zeugnis der vorindustriellen Geschichte, ist schwieriger als erwartet. Wo gibt schon ein Meter starke Eichen?

Ob sie sich gleich wieder an die Arbeit gemacht haben, nachdem der Fotograf sein Bild geschossen hat? Oder haben sie sich erst einmal für seine Kamera auf dem Stativ interessiert. Ein Fotograf wird schließlich nicht alle Tage vorbeigeschaut haben am Eisenhammer im Deilbachtal bei Kupferdreh.

Lehrjunge Fritz Jüngst (l.) mit Geselle Wilhelm Jüngst und Meister Rudolf Hagebusch (r.) 1890 im Eisenhammer. 
Lehrjunge Fritz Jüngst (l.) mit Geselle Wilhelm Jüngst und Meister Rudolf Hagebusch (r.) 1890 im Eisenhammer.  © Fotoarchiv Ruhrmuseum | Unbekannt



Wer das Bild, von dem hier die Rede ist, aufgenommen hat, ist nicht bekannt. Darauf zusehen sind Schmied, Geselle und Lehrling. Fritz Jüngst, der Lehrjunge, hat sich stolz vor dem Fotografen aufgebaut. Meister Rudolf Hagebusch wirkt gedankenverloren, während Wilhelm Jüngst, der Geselle, trotz seines strengen Gesichtsausdrucks freundliche Züge um seinen Vollbart zeigt.


Entstanden ist das Foto 1890. Heute hat es seinen Platz in der Fotosammlung des Ruhrmuseums. Gibt es doch einen wenn auch nur flüchtigen Eindruck von der
Arbeitswelt im späten 19. Jahrhundert zwischen Ruhrgebiet und Bergischem Land.

Wie haben die Menschen damals gelebt? Unter welchen Bedingungen mussten sie arbeiten? Welche Techniken haben sie angewendet? Im kommenden Jahr sollen dies Besucher des Eisenhammers hautnah erleben können. Die historische Hammerschmiede, erstmals 1788 urkundlich erwähnt, und die benachbarten Gebäude werden derzeit aufwendig restauriert.

Der Eisenhammer gehörte einst zum Deilmannschen Bauernhof aus dem 14. Jahrhundert

Die Forschung geht davon aus, dass der Eisenhammer ursprünglich zum nahe gelegenen Deilmannschen Bauernhof gehörte, der erstmals bereits im 14. Jahrhundert urkundlich Erwähnung findet. Geschmiedet wurden Sensen, Pflüge, Äxte und andere Gebrauchsgegenstände für die Landwirtschaft. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Betrieb erweitert um eine Schreinerei und eine Schlosserei. Vieles spricht dafür, dass im Eisenhammer Schienen, Schwellen und Transportwagen für die Deilthaler Eisenbahn gefertigt wurden. Die Trasse von Deutschlands erster Pferdebahn führt über das Grundstück, Spuren davon sind noch erhalten.

Der Eisenhammer, links im Bild, wurde 1788 erstmals urkundlich erwähnt. Das Ensemble erinnert an die vorindustrielle Zeit im Deilbachtal zwischen Ruhrgebiet und Bergischem Land.
Der Eisenhammer, links im Bild, wurde 1788 erstmals urkundlich erwähnt. Das Ensemble erinnert an die vorindustrielle Zeit im Deilbachtal zwischen Ruhrgebiet und Bergischem Land. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel



Es hat lange gedauert,
bis sich ein Konsortium dieses einmaligen Ensembles annahm
, um es vor dem Verfall zu retten. Die Arbeiten sind schon weit fortgeschritten. In der Schmiede ist die Esse wieder intakt, der Blasebalg wurde mit neuem Leder aufgespannt. Das Schmiedefeuer ließe sich wieder anblasen. Aber es gibt Rückschläge. Das mehrere Tonnen schwere Hammergerüst aus massivem Eichenholz erwies sich als morsch, denn die mächtigen Balken – jeder im Durchmesser ca. ein Meter stark - standen jahrzehntelang im Grundwasser.

Das Hammergerüst wurde schon einmal erneuert, in den 1930er Jahren. Es gibt ein Foto aus dieser Zeit, darauf zu sehen sind drei dieser tragenden Säulen, die auf dem Hof vor dem Eisenhammer lagern. Der Betrieb stand da bereits seit 1917 still. Eine Antriebswelle war gebrochen, die Reparatur lohnte sich nicht mehr. Als „technisches Kulturdenkmal“ sollte die Hammerschmiede schon damals erhalten werden. Der Verein Deutscher Ingenieure war beteiligt, der Verein Deutscher Hüttenleute und auch die Firma Krupp, weiß Achim Mikuscheit, lange Jahre Mitarbeiter des Ruhrmuseums und heute ehrenamtlich für das „Konsortium Deilbachtal“ tätig. „Es gibt Fotos, ein Modell, aber keine technische Dokumentation“, berichtet Mikuscheit. Wie lässt sich die Konstruktion also nachbauen? Aufschluss verspricht Mikuscheit sich von einem Besuch im Freilichtmuseum in Hagen, wo es eine Reihe ähnlicher Hammeranlagen gibt.

Eine Zimmerei, die sich zutraut, das Hammergerüst nachzubauen ist gefunden

Das Hammergerüst wird aus Essener Eichen zusammengesetzt.
Das Hammergerüst wird aus Essener Eichen zusammengesetzt. © Unbekannt | Foto: Ruhrmuseum.



Ein im wahrsten Sinne des Wortes schwerwiegendes Problem, vor dem die Restauratoren standen, ist gelöst: Eichen mit einem Durchmesser von einem Meter wie sie für den Nachbau benötigt werden, waren nirgendwo zu bekommen. Nun werden die Stempel aus Eichen gefertigt, die im Essener Stadtwald geschlagen wurden; jeweils vier 40 mal 40 Zentimeter starke Balken werden zu einem Block zusammengefügt. Eine Zimmerei, die es sich zutraut, das Hammergerüst nachzubauen, ist gefunden. Auch das war nicht ganz einfach.

Der schwere Hammer ruht derweil auf einem provisorischen Gerüst. 90.000 Euro wird es voraussichtlich kosten, ihn wieder in Gang zu setzen. Die NRW-Stiftung, die das Projekt bereits mit 290.000 Euro fördert, habe signalisiert, dass sie auch für diese Summe aufkommt. Das Wasser-Schaufelrad, das einstmals die Hammerwelle in Bewegung setzte, wurde bereits nachgebaut. Das Wasserspiel aber bleibt ein Projekt für die Zukunft. Es wieder herzustellen wäre technisch möglich, aber sehr aufwendig und mit geschätzten ca. 800.000 Euro - inklusive. der Wiederherstellung der ehemaligen Stauteiche der Deiler Mühle - auch sehr kostspielig. So wird zunächst ein Elektromotor als Antrieb dienen.

Derweil haben die Handwerker die beiden Arbeiterhäuser nahezu vollständig restauriert. Ein Café soll dort einziehen; als Betreiber ist das Konsortium mit mehreren sozialen Trägern im Gespräch. In der ehemaligen Schreinerei können sich bald Paare trauen lassen; der Eisenhammer wird zur Außenstelle des Standesamtes. Nur übernimmt die Trauung nicht etwa der Schmied. Dies bleibt dem Standesbeamten überlassen.

Das Meisterhaus ist ein schwerer Sanierungsfall, das Fachwerk muss erneuert werden

Das Meisterhaus ist ein schwerer Sanierungsfall.
Das Meisterhaus ist ein schwerer Sanierungsfall. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel



Das Meisterhaus hingegen ist ein schwerer Sanierungsfall. Beim Blick hinter die Schieferfassade stellte sich heraus, dass die Schäden viel größer sind als bislang bekannt. Reparaturen aus früheren Jahren erwiesen sich als Flickschusterei. „Seit den 1950er hat man falsch gemacht, was man falsch machen konnte“, so Mikuscheit. So muss nahezu das komplette Fachwerk erneuert werden. Bis 2022 dürfte das dauern.

Vielleicht lässt sich bis dahin auch der historische Garten wieder herstellen. Einstmals versorgten sich die Bewohner des Eisenhammer-Ensembles selbst. Noch bis in die 1970er Jahre zogen Gastarbeiter, die in der Nähe im Kraftwerk ihr Brot verdienten, und in den alten Häusern untergebracht waren, im Garten ihr Gemüse. 8000 Quadratmeter wurden früher bewirtschaftet, berichtet Mikuscheit. Es wäre ein Projekt für die internationale Gartenausstellung 2027.

Sie haben noch viel vor am Eisenhammer. Schon im nächsten Jahr soll der Hammer wieder Eisen schmieden, wenn Corona es zulässt und die Arbeiten wie geplant weitergehen. Ganz sicher wird zur feierlichen Eröffnung dann ein Fotograf im Deilbachtal vorbeischauen, um den Schmied und alle, die dabei mitgeholfen haben, dieses einmalige Ensemble zu erhalten, im Bilde festzuhalten. Dann heißt es: Bitte recht freundlich!



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