Essen. Ein Essener Uni-Mitarbeiter soll seinen Doktortitel erschwindelt haben. Die Landtags-SPD fragt, ob er auch Lobbyist des Moscheeverbands Ditib ist

Der Doktor-Schummelverdacht gegen den Essener Uni-Mitarbeiter Ü. zieht weiter Kreise. Die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag möchte jetzt nicht nur wissen, wie einflussreich der Islamberater im NRW-Schulministerium wirklich gewesen ist. In einer Kleinen Anfrage will der SPD-Landtagsabgeordnete von der schwarz-gelben Landesregierung ebenfalls wissen, ob der mutmaßliche falsche Doktor als Lobbyist für den türkischen Moscheedachverband Ditib gewirkt hat.

Wie berichtet, hat das NRW-Schulministerium den Werkvertrag mit Ü. zum 31. Juli aufgelöst, seitdem der begründete Verdacht besteht, er habe den Doktortitel an der Goethe-Universität erschwindelt und sich obendrein auch noch als Professor ausgegeben.

Kleine Anfrage der Landtags-SPD: Ist Ü. Lobbyist des Moscheeverbandes Ditib?

Der Kölner SPD-Politiker will auch wissen, ob die Regierung von Ü.’s Kontakten zur Ditib wusste und ob er gezielt Lobbyarbeit für die Ditib bei der Besetzung der neuen Kommission für islamischen Religionsunterricht in NRW betrieben hat.

Dem Vernehmen beschäftigt das NRW-Schulministerium Ü. schon seit dem Jahr 2009. Damals war die CDU-Politikerin Barbara Sommer Schulministerin im Kabinett Rüttgers (CDU). SPD-Politiker Ott fragt die Regierung auch, seit wann sie „Hinweise zum möglicherweise gefälschten Lebenslauf“ von Ü. gehabt habe. In Kollegenkreisen wird Ü., ein zweifacher Familienvater, als „umgänglich“ und „zugewandt“ beschrieben.

Die Türkei, Ditib und die Imame

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. , abgekürzt Ditib, wurde 1984 in Köln gegründet. Sie ist der größte Dachverband von Moscheevereinen in Deutschland.

Der Verband gilt als Ableger des türkischen Präsidiums für Religionsangelegenheiten Diyanet. Die Religionsbehörde ist der türkischen Regierung unterstellt.

Imame in der Ditib sind Angestellte des türkischen Staates, die Dienstaufsicht über sie führen die Religionsattachés der jeweiligen türkischen Generalkonsulate.

Nach dem letzten Putsch in der Türkei sollen Imame in Deutschland im Auftrag der Ditib Gemeindemitglieder ausspioniert haben.

Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, inzwischen Lehrbeauftragter an der Ruhr-Universität, kennt Ü. als jemanden, der in Sachen Islam und Migration schon lange „im Geschäft“ sei: „Er ist omnipräsent.“

Als der Landtag im Frühjahr über das 14. Schulrechtsänderungsgesetz und den künftigen Islam-Religionsunterricht (14. Schulrechtsänderungsgesetz) beriet, wurde Beck als Sachverständiger gehört. Er hegt seitdem den Verdacht, dass der Entwurf in Teilen die Handschrift des undurchsichtigen Islamexperten getragen haben könnte. Zur Gleichstellung des Moscheeverbands Ditib mit den beiden großen christlichen Kirchen sei es aber erfreulicherweise nicht gekommen.

SPD-Abgeordneter: „Mit der Ditib holt man sich den Fuchs in den Hühnerstall“

Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel sagt: „Die Schulministerin muss erklären, welchen Einfluss der unter Betrugsverdacht stehende Islamwissenschaftler auf Entscheidungen der Landesregierung hatte.“
Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel sagt: „Die Schulministerin muss erklären, welchen Einfluss der unter Betrugsverdacht stehende Islamwissenschaftler auf Entscheidungen der Landesregierung hatte.“ © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Der Bochumer Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel (SPD), ein gebürtiger Essener, beobachtet die Ditib-Aktivitäten im Land ebenfalls mit großem Unbehagen. Er bezeichnet es als einen großen Fehler der Politik, die Ditib als Partner für den islamischen Religionsunterricht anzusehen. „Mit der Ditib holt man sich den Fuchs in den Hühnerstall.“

Der autokratisch und teilweise diktatorisch geführte türkische Staat dirigiere über seine Religionsbehörde Diyanet die Ditib und habe somit „auf allen Ebenen direkten Zugriff auf den islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen“. Die Diyanet unterstehe direkt dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Yüksel: „Wer diese Problematik nicht sieht, handelt naiv.“ NRW-Schulministerin Gebauer müsse erklären, welchen Einfluss der unter Betrugsverdacht stehende Islamwissenschaftler auf Entscheidungen der Landesregierung hatte.

Trotz des massiven Schummel-Verdachts und des aufgelösten Arbeitsvertrages firmiert Ü. in E-Mails der Universität Duisburg-Essen (UDE) immer noch mit dem hochstapelnden Namenszusatz „Prof. Dr.“. Die Hochschule will die Ermittlungsergebnisse der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf in Sachen Promotion abwarten. UDE-Sprecher Thomas Wittek weist darauf hin, dass das unbefugte Führen akademischer Grade und Titel strafbar sei.