Essen. Ein Essener Uni-Mitarbeiter firmiert als „Prof. Dr.“. Aber stimmt das? Es gibt massive Zweifel. Warum die Causa Ü. so viel Wirbel verursacht.
Für die einen ist der Essener Universitäts-Mitarbeiter Ü. ein „angesehener und einflussreicher Wissenschaftler“ – andere sehen in ihm einen Hochstapler à la Felix Krull, der sich akademische Titel wie „Dr.“ und „Prof.“ erschwindelt haben soll. Fest steht, dass das NRW-Schulministerium die Zusammenarbeit mit Ü. inzwischen beendet hat. Der Werkvertrag sei „einvernehmlich“ aufgelöst worden, teilt das Ministerium mit. Aus dem Schulministerium heißt es auf Anfrage dieser Zeitung, „begründete Zweifel in Bezug auf die akademische Laufbahn“ seien der Anlass für diesen Rauswurf gewesen. In Wissenschaftskreisen, so heißt es, herrsche „Entsetzen“ über die Causa Ü.
Bezirksregierung Düsseldorf überprüft Echtheit der eingereichten Promotionsurkunde
Im Mittelpunkt dieses Falles steht die Frage: Ist die eingereichte Promotionsurkunde echt oder nicht? Nach Angaben des Ministeriums laufe „derzeit eine Sachverhaltsaufklärung durch die Bezirksregierung als personalführende Dienststelle“. Der Mitarbeiter sei Lehrer im Landesdienst, der als Pädagogischer Mitarbeiter die Fachebene des Ministeriums in Fragen des Islams unterstützt habe.
An Ungereimtheiten besteht kein Mangel. Die Doktorwürde soll Ü. nach einem Bericht der „Welt“ an der Goethe-Universität in Frankfurt erlangt haben. Doch eine Bestätigung gibt es dafür nicht. Die Hochschule teilt auf Anfrage mit, dass für eine Promotion „keine Unterlagen vorliegen“, jedenfalls nicht zu den Zeiten, die offenbar in Ü.’s Lebenslauf angegeben sind.
Aktiv in Duisburger Moschee-Gemeinde
Der geschasste Uni-Mitarbeiter Ü. war schon vor mehr als zehn Jahren in der türkisch-islamischen Gemeinde Wanheimerort in Duisburg aktiv. Bilder zeigen ihn mit Bundespräsident Horst Köhler, der der Moscheegemeinde einen Besuch abstattete.
Auch der Duisburger Elternverein ergreift im aktuellen Fall Partei für Ü. und kritisiert jene, die auf seine angebliche Nähe zum türkischen Moschee-Dachverband Ditib in Deutschland hinweisen.
Ferner heißt es, die Konrad-Adenauer-Stiftung habe die mutmaßliche Dissertation im Jahre 2008 veröffentlicht. Doch „eine Dissertation oder eine andere Schrift von Herrn Ü. ist nicht im Rahmen einer der Schriftenreihen der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht worden“, teilt die Stiftung mit. Sie bestätigt lediglich, dass Ü. während seines Studiums Stipendiat der Adenauer-Stiftung gewesen ist.
Konrad-Adenauer-Stiftung: Keine Dissertation veröffentlicht
An der Universität Duisburg-Essen (UDE) habe der Mitarbeiter nach Angaben eines Sprechers vier Jahre lang am Institut für Turkistik gewirkt, das am Campus Essen ansässig ist. Die aktuelle Instituts-Webseite weist ihn als „Dr.“ und „wissenschaftlichen Mitarbeiter“ mit einem umfangreichen Fachgebiet aus: von Modernen Türkeistudien über die Politische Geschichte der Türkei und ihre Beziehungen zur EU bis hin zu Migrations- und Religionssoziologie“. Ü. sei noch bis zum 31. Juli 2021 vom Schulministerium NRW an das Turkistik-Institut abgeordnet, so der Sprecher.
Bachelor und Master sind die klassischen Abschlüsse an Hochschulen, darüber rangieren promovierte Akademiker und ganz oben in der wissenschaftlichen Hierarchie stehen Professorinnen und Professoren. Obwohl unklar ist, ob Ü. überhaupt „Dr.“ ist, hat er sich anscheinend bereits mit dem Professoren-Titel geschmückt. Das renommierte Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster jedenfalls führt Ü. als Lehrbeauftragten in illustrer Gesellschaft auf: Neben Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning, der früheren UDE-Rektorin, erscheint er dort als „Prof. Dr.“ auf den Gebieten „Religionspsychologie“ und „Religionssoziologie“. Insider berichten ferner, dass Ü. bei einer Podiumsveranstaltung Altbundespräsident Christian Wulff befragt habe und dabei als „Professor Dr.“ aufgetreten sei.
Pikant: Das Schulministerium weist in seiner Stellungnahme lediglich darauf hin, dass die Abordnung an das Essener Institut für Turkistik mit dem „Ziel der Habilitation“ erfolgt sei.
Teile der türkischen Community sehen Ü. als Zielscheibe einer Rufmord-Kampagne
Massive Rückendeckung erhält Ü. unterdessen von Teilen der türkischen Community an Rhein und Ruhr, die inzwischen sogar eine Solidaritätsaktion für ihn gestartet hat. Im Online-Dienst „Almanya Bülteni“ (Deutschland-Bulletin) spricht Kommentator Arif Sentürk von „niederträchtigen Angriffen“ gegen Ü. und von einer Rufmord-Kampagne „antitürkischer Kreise“ in Deutschland. Diese Diffamierung richte sich auch gegen türkenfreundliche Politiker wie etwa NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der als „Türken-Armin“ bekannt sei.
Diese Zeitung hat vergeblich versucht, Ü. für eine Stellungnahme zu erreichen.