Essen. Essener Clubs und Diskotheken dürfen ab Freitag wieder öffnen. Wie die Betreiber auf die kurzfristigen Lockerungsperspektiven reagieren.

Am Tag, an dem das Leben laut NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann fast wieder so sein soll wie vor Corona, tanzen sie auf dem Kennedyplatz noch in abgetrennten Parzellen. Nach fast anderthalbjährigem Party-Verbot sollte die von Stadt und Essen Marketing GmbH organisierte Kopfhörerdisco am 9. Juli eigentlich eine vorsichtige Rückkehr zur Normalität sein. Mit Abstand, Frischluft und wenigen hundert Teilnehmern. Doch stattdessen soll es nun gleich mit Volldampf zurück auf die Tanzfläche gehen. Auch in Essen gilt wie für alle Kommunen mit einstelligem Inzidenzwert ab Freitag die Inzidenzstufe Null. Volksfeste, Märkte, Musikfestivals können wieder stattfinden. Und es darf wieder getanzt und gefeiert werden.

Auch die Clubs dürfen ab dem 9. Juli wieder öffnen – mit Hygienekonzept und Testpflicht. Bei den meisten Essener Betreibern hat die am Mittwoch verkündete Lockerung allerdings erst einmal für Überraschung gesorgt, bisweilen sogar für ungläubiges Staunen. Öffnen will nach aktuellem Stand am Wochenende noch niemand.

„Eine Großdisco kann man nicht binnen zwei Tagen hochfahren“

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„Wenn man uns sagt, ihr könnt wieder normal arbeiten, stehen wir natürlich bereit. Aber nicht binnen zwei Tagen“, sagt Roman Weiler. Der Geschäftsführer von Essens größter Ausgeh-Adresse, dem Delta Musikpark, hat die Nachricht vom Nachtleben-Neustart am Mittwoch aus dem Autoradio erfahren. Auf eine Wiedereröffnung im Herbst hatte man gehofft, aber nun soll alles ganz schnell gehen. Eine Großdisco sei aber nicht binnen zwei Tagen hochzufahren, sagt Weiler. Ihm fehlt vor allem, was in der Gastronomie momentan der größte Mangel ist: das Personal. Und die Getränkelager seien auch noch leer. Aber kann man nun groß ordern, ohne zu wissen, wie lange der Inzidenzwert unter zehn bleibt? Und was passiert, wenn die Infektionszahlen wieder steigen, die Corona-Regeln erneut geändert werden?

Bei der Stadt immerhin sieht man sich dank des „Koordinierungszentrum Veranstaltungen“ für alle Neuerungen gerüstet. Man sei mit allen Veranstaltern schon länger in Gesprächen und auf das zweite Halbjahr vorbereitet, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg.

Markus Kalbitzer, Vorsitzender des Essener Rockfördervereins, der die geplanten vier Kopfhörer-Discoabende am Kennedyplatz mit ausrichtet, spricht angesichts der niedrigen Inzidenzzahlen ohnehin von einer „Momentaufnahme“. Keiner wisse, wie sich die Zahlen in den kommenden Wochen entwickelten und mit welchen Maßnahmen darauf reagiert werde. Was fehle, sei eine langfristige Strategie.

Veranstaltungen mit hundert Prozent Auslastung müssen wieder möglich sein

Auch Tom Koperek, Mitinitiator der bundesweiten Veranstaltungsbündnisses „Alarmstufe Rot“, nennt die jüngste Verordnung eher „aus der Hüfte geschossen. Die Regeln verunsichern mehr, als dass sie Zuversicht geben“, findet Koperek. Die Veranstaltungswirtschaft vermisse auch nach 16 Monaten eine „perspektivisch klare Aussage“, wie es weitergehen soll. Kongresse, Messen und Tagungen seien in den Beschlüssen der Länder weiterhin gar nicht berücksichtigt. Koperek plädiert deshalb für eine grundlegende Entscheidung. Spätestens mit dem Auflaufen der Epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 11. September und sobald jeder ein Impfangebot erhalten habe, müsse es wieder möglich sein, für alle nach der 3G-Regel – Geimpfte, Genesene und Getestete – Veranstaltungen mit hundert Prozent Auslastung ohne weitere Einschränkungen zu planen.

Absperrgitter sorgen auf dem Kennedyplatz dafür, dass nur die vorgesehenen 400 Gäste, aufgeteilt in zehn Parzellen, bei der Kopfhörer-Disco dabei sind.
Absperrgitter sorgen auf dem Kennedyplatz dafür, dass nur die vorgesehenen 400 Gäste, aufgeteilt in zehn Parzellen, bei der Kopfhörer-Disco dabei sind. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Wie groß der Feier-Nachholbedarf ist, wie viele Besucher sich tatsächlich wieder in die Clubs trauen, das wird sich zeigen. Für Essens Kult-Disco Musikpalette, die sich nach der Insolvenz gerade zurückmeldet, hofft Junior-Chef Nikolai Koch schon auf einen gelungenen Neustart, womöglich im August. „Am Anfang wird das sicher sehr voll, alle sind superheiß aufs Feiern.“

Im „Turock“ liefen die Drähte heiß: „Wann macht ihr wieder auf?“

Auch bei Turock“-Betreiber Peter Siewert liefen die Drähte heiß, als sich die Nachricht von den neuen Lockerungen verbreitete. „Wann macht ihr wieder auf?“ Siewert kennt aber auch die Nachrichten aus dem niederländischen Enschede, wo sich in einer Großraumdisco Ende Juni offenbar hunderte Besucher mit dem Coronavirus infiziert haben. Zum Schutz der Gäste und auch zum Schutz des eigenen Personals werde man die Entwicklung deshalb zunächst abwarten, sagt Siewert. Sonst sei am Ende womöglich noch das Personal in Quarantäne, die Lager voll, aber selbst das Biergarten-Geschäft gelaufen. Essens Rockdisco konzentriert sich deshalb vorerst aufs Open-Air-Programm am Viehofer Platz. Da gibt es viel Platz, viel frische Luft und wenig Entfaltungsraum für Covid-19.