Essen. Alarmstufe Rot: Der Essener Tom Koperek hat die Notlage der Veranstaltungswirtschaft bundesweit publik gemacht. Demo in Berlin mit Roland Kaiser.
Um die Einhaltung von Abstandsregeln muss sich Tom Koperek derzeit keine Gedanken machen. Die Büros der Firmenzentrale LK AG in Kray, in der sich sonst rund 60 Mitarbeiter um die Organisation von Messen, Kongressen und Großevents kümmern, stehen seit Monaten leer. „Die Leute sind in Kurzarbeit, zu hundert Prozent“, erklärt Koperek beim Rundgang durch die großzügigen Räume. Abends, wenn der Essener Unternehmer sein einsam gewordenes Arbeitsreich verlässt, achtet er penibel darauf, dass alle Lichter ausgeschaltet sind. Selbst die Müllabfuhr kommt jetzt nur noch einmal im Monat statt wöchentlich.
Sparen, wo es geht. Dabei, so Koperek, verbrenne man derzeit pro Monat einen sechsstelligen Betrag. Weil die Corona-Pandemie das Geschäftsfeld komplett zum Erliegen gebracht hat und sich das millionenschwere Equipment in den Lagerräumen stapelt wie totes Kapital. Auf dreieinhalb bis vier Millionen Euro schätzt der 52-Jährige den Wert der Scheinwerfer, Beschallungsanlagen, LED-Wände und IT-Technik, die in normalen Zeiten derzeit nicht nur bundesweit, sondern sogar international auf Messen, Kongressen und Events im Einsatz wären.
Seit Ausbruch der Pandemie aber ordert niemand mehr Veranstaltungs-Equipment. Der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands liegt brach. Hunderttausende Beschäftigte und Soloselbstständige bangen um ihre Existenz. Und Tom Koperek ist zu einer der bundesweit gehörten Stimmen der Branche geworden, die sich mit dem Sterben auf Raten nicht abfinden wollen.
Eine Tochtergesellschaft hat es schon erwischt. Die LK Interactive GmbH musste Insolvenz anmelden. Dabei habe man gerade für diesen digitalen Geschäftszweig gedacht, „dass er am stabilsten ist“, erklärt Koperek. 20 Stellen stehen auf dem Spiel, weil Firmenkunden Investitionen verschieben und Budgets nicht freigeben. Aber auch der Veranstaltungstechnik-Nachwuchs sei betroffen. Sechs Ausbildungsstellen sind derzeit unbesetzt, weil auch die Ausbilder in Kurzarbeit Zuhause sitzen. Koperek fürchtet, dass dies noch eine ganze Weile so weitergeht.
„Nach meiner Einschätzung werden wir im ersten Halbjahr 2021 noch keine Geschäfte machen.“ Dabei ist 2020 eigentlich ein besonderes Jahr. Die LK AG Unternehmensgruppe feiert 25-jähriges Firmenjubiläum. Seit 1995 ist aus dem einstigen Veranstaltungsdienstleister Top Technik Produktions GmbH ein führendes Unternehmen der Live- und Markenkommunikation geworden mit diversen Tochterfirmen. Doch „die Eigenkapitalreserve schmilzt gerade wie Schnee in der Sonne“, klagt Koperek. Der 52-Jährige blickt wie viele besorgt aufs Jahresende, wenn die wegen Corona zeitweilig ausgesetzte Insolvenzantragspflicht wieder anläuft. Dann, weiß Koperek, geht es nicht nur um die Abwendung möglicher Zahlungsunfähigkeit, sondern im Zweifelsfall auch um eine positive Fortführungsprognose fürs neue Jahr. Derzeit aber plane man von „von Woche zu Woche“.
Perspektiven wären derzeit so wichtig wie die Anpassung der staatlichen Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen. Koperek geht es vor allem um die strenge Deckelung der monatlichen Beträge. Diese sei für ein Unternehmen wie die LK AG mit weiterhin hohen monatlichen Betriebskosten „tödlich“. Und es geht nicht nur ihm so.
Regierung in Berlin hat die Notlage der Branche inzwischen erkannt
Auch interessant
So kam es auch zur bundesweit beachtete „Nights of Light“, die im Juni hunderte von Veranstaltungsgebäuden rotbeleuchtet in Szene setzte. Koperek hat sie initiiert und seither einiges angestoßen. Unter dem Titel „Alarmstufe Rot“ hat der Protest in den vergangenen Monaten weiter an Fahrt aufgenommen. Vorläufiger Höhepunkt der bundesweiten Aktionen, unter anderem auch in Düsseldorf, war im September eine große Demo in Berlin. Seither, so Koperek, seien die Sorgen der über eine Million Betroffenen, vom Caterer bis zum Messebauer, auch in Berlin angekommen. Selbst für Finanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hätte die Rettung der Veranstaltungsbranche inzwischen Priorität. „Die hatten uns bis vor sechs Monaten gar nicht auf dem Schirm.“ Doch bei allen Hilfen, die die Politik auf den Weg gebracht hätte, sei manches so gemacht, „dass es nicht zielgerichtet ankommt“, beklagt Koperek. Gespräche zwischen Politik und Akteuren seien vonnöten. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“
Veranstaltungswirtschaft ist auch Weltspitze in Sachen Hygiene und Sicherheit
Protest mit prominenten Stimmen
Die Veranstaltungswirtschaft war von der Covid-19-Krise früh betroffen und wird es wahrscheinlich auch am längsten sein. Zahllosen Betrieben drohe nach Monaten ohne Einnahmen die akute Insolvenz, sagt Tom Koperek. Um auf die Notlage aufmerksam zu machen, gibt es am 28. Oktober in Berlin eine weitere Großdemo unter Beachtung der gültigen Hygiene- und Abstandsregeln.
Schlagerkünstler wie Roland Kaiser und Bernhard Brink unterstützen die Veranstalter von „Alarmstufe Rot“ an diesem Tag. Auch Bands wie „Karat“ und die „Toten Hosen“ stünden hinder den Anliegen, erklärt Koperek.
Politische Statements soll es unter anderem von FDP-Chef Christian Lindner und Grünen-Politikerin Claudia Roth geben.
Für Koperek geht es um viel, am Ende um das Sterben des gesellschaftlichen Lebens. Deshalb müsse man trotz aller wichtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die Diskussion baldmöglich umdrehen und nicht nur über Schließungen nachdenken, sondern Öffnungsperspektiven erörtern. Das Virus sei schließlich auch im kommenden Jahr nicht verschwunden. Es gehe darum, unter welchen Voraussetzungen bei Berücksichtigung aller Hygieneschutzmaßnahmen wie und was stattfinden kann, sagt Koperek.
Auch interessant
Deutschland sei bislang schließlich nicht nur am besten durch die Krise gekommen. Auch die deutsche Veranstaltungswirtschaft sei Weltspitze in Sachen Hygiene und Sicherheit. Spätestens bei der nächsten Alarmstufe-Rot-Demo in Berlin am 28. Oktober will man dies wieder unter Beweis stellen. Koperek erwartet noch einmal mehrere tausend Teilnehmer. Auch wenn sich mancher aus der Branche inzwischen kaum noch eine Fahrkarte nach Berlin leisten könne.