Essen-Werden. Der Förderverein Ev. Kirche freut sich über die Sanierung der Walcker-Orgel. Nun wird der Titel „Orgel des Jahres“ für Essen-Werden angepeilt.

Die Orgel der evangelischen Kirche an der Heckstraße ist weit über Werden hinaus bekannt. Doch Defekte und Schimmel hatten dem Opus 885 der berühmten Ludwigsburger Orgelbaufirma E. F. Walcker sehr zugesetzt. Das Orgelspiel wurde durch lautes Klappern gestört, weil Filze und Ledermuttern verhärteten. Viele der rund 3500 Keilbälge aus dünn geschabtem Zickenleder waren „ausgeblasen“ und klemmten. Folge waren immer wieder störende Dauertöne der zugehörigen Pfeife.

Um sie für die nächsten Jahrzehnte spielfähig zu halten, wurde die Orgel aufwendig saniert, dafür in sämtliche Einzelteile zerlegt. Sabine Mika und Bodo Besselmann vom Förderverein hoffen nun, dass ihr Instrument zur „Orgel des Jahres“ gewählt wird.

Die Werdener Walcker-Orgel hat 37 Register und 2492 Pfeifen

Die Rückseite der Walcker-Orgel.
Die Rückseite der Walcker-Orgel. © FFS | Christof Köpsel

Im Jahr 1900 spendete Fabrikant Friedrich A. Krupp einen Großteil der für den Kauf der Orgel benötigten 17.000 Mark. Baukirchmeister Bodo Besselmann kann und will seine Faszination für dieses Instrument nicht verbergen: „Wissen Sie, was passiert, wenn am Spieltisch eine Taste gedrückt wird? Der Wind hebt dann einen Balg und damit einen langen Draht, an dessen oberem Ende das Ventil sitzt, das den Wind in die entsprechende Pfeife freigibt. Und der gewünschte Ton erklingt…“

Mit ihren 37 Registern und 2492 Pfeifen ist die Orgel nicht nur ein Genuss für die Ohren. Eine von Besselmann geführte Tour durch das begehbare Instrument sorgt für visuelle Aha-Momente. Und für grenzenlose Bewunderung: „Ich habe höchsten Respekt vor den Leuten, die das vor 120 Jahren gebaut haben. Die hatten keine Computer. Das ist noch gutes altes Handwerk.“

Gesamtsumme von 120.000 Euro musste gestemmt werden

Blick hinter die Kulissen: Baukirchmeister Bodo Besselmann spielt mit einer Pfeife der Walcker-Orgel.
Blick hinter die Kulissen: Baukirchmeister Bodo Besselmann spielt mit einer Pfeife der Walcker-Orgel. © FFS | Christof Köpsel

Auch Sabine Mika strahlt. Die Vorsitzende des Fördervereins kann beeindruckende Zahlen auf den Tisch legen: „Die Gesamtsumme von 120.000 Euro ließ uns zuerst schlucken. Doch wir hatten bereits einen Grundstock zur Seite gelegt. Dann gab es eine stattliche Fördersumme vom Bund. Hier hatte die Ehefrau unseres früheren Vereinsvorsitzenden Jochen Alsleben den Kontakt geknüpft zum Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer – er war früher ihr Schüler. Hauer besichtigte unsere Orgel und versprach Hilfe. Und sie kam in Form von 50.000 Euro.“

Ganz warm ums Herz wird Sabine Mika, wenn sie an die vielen großzügigen Spenden aus der Bevölkerung denkt: „Die Leute haben uns vertraut. Ihr Geld ist gut angelegt.“ Am Ende war genug zusammen kommen, um auch noch den Musikern am Orgel-Spieltisch eine höhenverstellbare Sitzbank sowie gute Beleuchtung zu ermöglichen. Bodo Besselmann hatte einen alten Leuchtarm gefunden: „Er stammt wohl aus dem Jahr 1906, als die Kirche mit elektrischem Strom ausgestattet wurde. Nun hat er neueste LED-Technik.“

Bewerbervideo zur „Orgel des Jahres“ erstellt

Sabine Mika vom Förderverein mit einem neuen Bälkchen für die Orgel.
Sabine Mika vom Förderverein mit einem neuen Bälkchen für die Orgel. © FFS | Christof Köpsel

Die Werdener Orgel stellt durch die enormen Klangmöglichkeiten ihres spätromantisch gestimmten Werkes viele andere „barockisierte“ Schwestern in den Schatten. Daher stehen renommierte Musiker Schlange, um bald in Werden spielen zu dürfen. Wissen wir doch spätestens seit Wolfgang Amadeus Mozart: „Die orgl ist doch in meinen augen und ohren der könig aller jnstrumenten.“

Diesen „König der Instrumente“ feiert Sabine Juchem mit ihrem Orgelspiel. Bodo Besselmann hielt die Kamera drauf und die Kirchenmusikerin spielte immer wieder, bis alle Aufnahmen stimmig und synchron im Kasten waren. Es folgten Nachtschichten am Schneidetisch und nun kann der Förderverein dank freundlicher Unterstützung der Stadtbezirkes IX stolz sein Bewerbervideo zur „Orgel des Jahres“ präsentieren.

Die Online-Abstimmung läuft bis zum 12. Mai

Sabine Mika lächelt: „Wir als kleiner Verein haben uns gefreut wie Harry, als wir Orgel des Monats Januar 2020 wurden. Da sind wir gehüpft, zumindest innerlich. Der Titel einer Orgel des Jahres wäre eine schöne Bestätigung unserer Arbeit.“ Die Konkurrenz ist stark. Neben der Werdener sind es vor allem Kirchen aus dem Osten Deutschlands, die sich mit dem Titel schmücken möchten.

Der Spieltisch: Die Werdener Orgel stellt durch die enormen Klangmöglichkeiten ihres spätromantisch gestimmten Werkes viele andere „barockisierte“ Schwestern in den Schatten.
Der Spieltisch: Die Werdener Orgel stellt durch die enormen Klangmöglichkeiten ihres spätromantisch gestimmten Werkes viele andere „barockisierte“ Schwestern in den Schatten. © FFS | Christof Köpsel

Die Stiftung Orgelklang der Evangelischen Kirche in Deutschland präsentiert „Orgeln des Monats“. Aus den zwölf Monatssiegern wird dann die „Orgel des Jahres“ gewählt. Die Auszeichnung ist ein Publikumspreis, die Online-Abstimmung läuft bis zum 12. Mai auf der Website www.stiftung-orgelklang.de der Stiftung. Wer teilnimmt, kann seiner Lieblingsorgel zum Gesamtsieg verhelfen. Außerdem gibt es tolle Preise zu gewinnen. Erster Preis sind zwei Übernachtungen mit Frühstück für zwei Personen in einem exklusiven Top-Hotel.

Der Förderverein ruht sich nicht aus

Der Förderverein ist unter www.fv-kirche-werden.de zu erreichen. Auf der Homepage sind auch die Angaben zum Spendenkonto zu finden. Der Verein verwendet Mitgliedsbeiträge, Spenden von Firmen und Privatpersonen und Konzerteinnahmen für seine Arbeit.

Ausruhen werde sich der Förderverein bestimmt nicht, sagt Sabine Mika: „Wir fangen wieder damit an, einen Grundstock zu bilden für die nächste Sanierung. Überall in der Kirche knirscht und knarzt es. Der Seiteneingang bräuchte dringend ein schützendes Vordach.“