Gabi Dauenhauer und Peter-Maria Anselstetter sind ein Paar im Leben und auf der Bühne. Warum es trotz Corona in diesem Monat viel zu feiern gibt.
Essen. Für Gabi Dauenhauer und Peter-Maria Anselstetter war es Liebe auf den ersten Biss. Essens wohl dienstältestes Theaterpaar hat sich am Frankfurter Schauspielhaus in einem Kinderstück kennengelernt. Er spielte einen Biber, sie die Birne, die vom Baum runter „beiß mich doch“ flötete. „Es war scheußlich“, seufzt Dauenhauer rückblickend, „ich hing da oben und war nicht schwindelfrei.“ Doch der Biber hat angebissen. Fast 40 Jahre liegt das zurück und gehört zu den vielen Geschichten, die Dauenhauer und Anselstetter in diesem Jubiläumsmonat mit zwei runden Geburtstagen erzählen können. Anselstetter hat am 9. April seinen 60. Geburtstag gefeiert, Gabi Dauenhauer wird am 24. April 70 Jahre alt. Ans Aufhören denken beide noch lange nicht.
Die freizügigen Auftritte wurden ihr Markenzeichen
Als Theater-Rentnerin mag die Schauspielerin ohnehin nicht durchgehen. Der Minirock ist beim Fototermin immer noch Pflicht. Ihre ebenso freizügigen wie fulminanten Auftritte im kleinen Courage an der Goethestraße sind Legende. Als Femme fatale in „Der Venusfall“ oder als cooler Vamp in „Bei Schlaf Mord“ – die frivole Note ist das Markenzeichen. Aus Schnitzlers Reigen wurde so das „Hotel Seitensprung“ und aus Molières Geizigem die Komödie „Geiz ist geil“. Vor allem aber hat sie immer wieder eigene Stücke herausgebracht. „Der Vampir von Rüttenscheid“ hat so das Licht der Welt erblickt wie die „Stützstrumpfkiller“.
Mit dem Hans-Albers-Programm ging’s auch auf die Reeperbahn
Krimis, Komödien, Powerkabarett und mancherlei „Erotische Fantasien im dunklen Theater“ bilden bis heute das Repertoire-Gerüst, aber auch Lesungen und Liederabend gehören zum Angebot. Der Hans-Albers-Abend von Peter-Maria Anselstetter ist längst Kult. Dabei war die hanseatische Filmlegende zunächst nur eine Einflüsterung von Gabi Dauenhauers Vater. „Hör dir die Schallplatten mal an“, hat der Anselstetter damals geraten. Gesagt, überzeugt. Über 1000-mal hat der Schauspieler das Programm wohl schon gespielt und sich eine so große maritime Fangemeinschaft erobert, dass Anselstetter Ende der 90er Jahre sogar mal zwei Theater auf der Reeperbahn und auf Rügen geführt hat.
Die große Freiheit – sie ist und bleibt aber bis heute das eigene kleine Theater in Rüttenscheid. 80 Eigenproduktionen haben sie seit 1987 herausgebracht. Anfangs firmierte die kleine Bühne noch unter dem Namen „Theater Freudenhaus“. Die Begründer zog es nach Steele, wo eine neue Heimstatt für die Ruhrgebiets-Komödie entstand. Dauenhauer und Anselstetter übernahmen 1992 den Standort an der Goethestraße und machten ihr eigenes Ding - bis heute.
Vom Stück über den Kindermörder Jürgen Bartsch zur Comedy
„Wir wissen es total zu schätzen, unser eigenes Haus zu haben“, sagt Anselstetter. Auch wenn Corona das Überleben schwer gemacht hat. Doch nicht nur die Pandemie wurde zur großen Herausforderung. Auch das Publikum habe sich verändert. Hat man die Zuschauer anfangs mit Albees Ehekrieg „Wer hat Angst vor Virgina Woolf“, Kafkas „Bericht für eine Akademie“ und dem damals heftig umstrittenen Stück über den Essener Kindermörder Jürgen Bartsch – Untertitel: „Bestien werden nicht geboren“ herausgefordert, ist das Programm-Pendel irgendwann Richtung Comedy ausgeschlagen. „Einen Bartsch könnten wir heute nicht mehr spielen“, sagt Anselstetter. „Die Leute wollen nach Feierabend einfach ablachen.“
Auch wenn das Label lustig heute am Image klebt, wagen sie doch immer wieder Richtungswechsel. Mutig, unkonventionell und immer noch sexy soll es schließlich weitergehen. Schon um zu beweisen, dass man ab 60 nicht grau und gediegen aufs Chaiselongue sinken muss, sondern gerne auch mal grell und verrückt verkleidet auf die Bühne treten darf. Gelassener seien sie allerdings schon geworden, erzählt Dauenhauer. „Früher wollten wir jedes Wochenende auf der Bühne stehen, heute sehen wir uns auch gerne mal eine Gastspiel-Produktion vom Zuschauerraum aus an“, sagt Anselstetter. Das Publikum nämlich verlangt immer mehr Abwechslung. Dauerbrenner wie der „Peppermint-Twist“, der seit sage und schreibe 30 Jahren immer wieder aufgenommen wird, sind nicht mehr absehbar.
Die Musikrevue der wilden 1960er Jahre werden sie auch wieder spielen, wenn Corona ein Sommerprogramm im eigenen Courage-Garten zulässt. 2020 haben sie dort bis weit in den Herbst Theater gespielt. Das Publikum ist treu und scheinbar wetterfest. Schon gibt es Anrufe: „Wir sind wieder da, sobald es geht. Egal was ihr spielt.“ Neue Stücke sind schon in der Pipeline. „Rosi Roboter“ soll eine Komödie zur künstlichen Intelligenz werden. „Das verdammte Wochenende“ erzählt von einem Alkoholiker-Schicksal. Dauenhauer-Sohn Falk Hagen aus der Beziehung mit Regisseur Dietrich Hilfsdorf, plant einen Operettenabend.
Was sie garantiert nicht machen werden, ist ein Stück über Corona. Irgendwann soll es vorbei sein und zurückgeblickt wird nicht, nachgefeiert auch nicht, sagt Anselstetter. In zehn Jahren ist auch noch Gelegenheit.