Essen. Die „Burg“ kämpft mit schwachen Anmeldezahlen, auch weil die Lage in der Innenstadt eher eine Hypothek ist. Kann die Tradition weiterhin tragen?
Das Burggymnasium wird in drei Jahren 200 Jahre alt, doch bis dahin muss einiges passieren, damit Essens ältestes Gymnasium in echter Festtagsstimmung sein kann. „Es war ein schweres Jahr“, sagt Simone Reuen, die neue Schulleiterin, die im Dezember ihren Job am Burgplatz antrat.
Das Burggymnasium hat mehrere Baustellen, in doppeltem Sinne. Wer den Verwaltungstrakt im Erdgeschoss betritt, schaut auf eine unverblendete Decke, von der die Kabel hängen. Brandschutzmaßnahmen, die sich schon ein wenig hinziehen – sicher nichts Besonderes an Essener Schulen, deren bauliche Zustände oft in bekannt beklagenswertem Zustand sind. Doch die „Burg“ erzielte bei den Anmeldungen der Viertklässler in diesem Jahr wiederholt nur einen mittleren, zweistelligen Wert – 66 Kinder wurden registriert. Das sind keine drei Klassen; zu wenig für eine weiterführende Schule, die sich rühmt, ein breites Fächerangebot in Sprachen und Naturwissenschaften vorzuhalten. Die als einzige Schule in der Stadt Chinesisch als Fremdsprache anbietet. Die ein renommiertes Orchester besitzt, Bläserklassen im Angebot hat, sich eine weit entwickelte Talentförderung auf die Fahnen schreibt.
Lage in der Innenstadt schreckt mutmaßlich viele Eltern ab
Die niedrige Anmeldezahl, so viel steht fest, kommt nicht von ungefähr. Die Schule muss schon seit Jahren kämpfen, denn der schlechter werdende Ruf der Essener Innenstadt färbt auf das Burggymnasium ab. Längst sind nicht mehr so viele Eltern wie früher bereit, ihre Kinder aus den Stadtteilen morgens in die City fahren zu lassen. Vor allem die dunkle Bahngleis-Unterführung, aus Richtung Süden betrachtet, wirkt für Väter und Mütter abschreckend – obwohl es in den vergangenen Jahren nicht eine einzige offizielle Meldung der Polizei gab, dass Schulkindern am Hauptbahnhof oder auf der Kettwiger Straße etwas zugestoßen ist.
Und Ältere erinnern sich: Der Burgplatz war vor Jahrzehnten Treffpunkt der Drogen-Szene; das Burggymnasium erreichte in den Neunzigern deutschlandweite Berühmtheit, weil eine Wochenzeitung voller Bedenken darüber berichtete, dass die Schule umzäunt werden muss, um den Betrieb vor Dealern zu schützen. Doch ernsthafte Akzeptanzprobleme hatte die Schule damals trotzdem nie.
Die Anmeldezahlen dümpeln seit einigen Jahren im zweistelligen Bereich; womöglich, weil sich längst auch andere Schulen ausgefeilte Profile geben. Vor anderthalb Jahren fing ein neuer Schulleiter an der „Burg“ an und sollte dauerhaft eine Wende einleiten, doch er verschwand überraschend letzten Sommer; wie es heißt: aus privaten Gründen. Die Schule stand faktisch ohne Leitung da, „obwohl alle ihr Bestes gegeben haben“, betont die neue Chefin. Und das in Corona-Zeiten, in denen die wichtigste Werbemaßnahme, der „Tag der offenen Tür“, ausfallen muss. Während im vergangenen Herbst die Essener Gymnasien munter virtuelle Rundgänge ins Netz stellten und Image-Filme fürs Internet drehten, passierte an der Burg nur sehr wenig. Und dann die Fusion mit „Viktoria“: Das traditionsreiche Gymnasium im Südostviertel ist seit letztem Sommer Geschichte; die „Viktoria“ ist heute „Burggymnasium, Dependance Kurfürstenplatz“. Das Zusammenwachsen erfolgte nicht ohne Blessuren. Viele Protagonisten der „Viktoria“ fühlten sich überfahren.
„Eltern entscheiden sich bewusst für das Burggymnasium“
„Die Fusion ist ganz sicher nicht von allen freudig aufgenommen worden“, räumt Simone Reuen ein. Corona habe es im letzten Jahr verhindert, das Zusammengehen durch entsprechende Treffen zu vereinfachen, in denen man sich persönlich begegnet. Doch ihr persönlicher Eindruck ist: „Mittlerweile ist schon etwas zusammengewachsen.“ Und so schaut die Englisch- und Französischlehrerin mit Optimismus nach vorne: „Eltern entscheiden sich bewusst für das Burggymnasium. Wir haben immer noch einen guten Ruf und viel zu bieten – wir stehen auch für ein Miteinander voller Wertschätzung und Respekt. Genau so bin ich hier aufgenommen worden.“
Simone Reuen leitete zuvor kommissarisch ein Mülheimer Innenstadt-Gymnasium, „die Probleme einer Schule in der City sind mir also vertraut.“ Auch wenn sich die Schwierigkeiten der Essener Innenstadt nicht kurzerhand lösen ließen, so solle sich die Schule auf ihre Stärken konzentrieren – und auf die Zukunft setzen: „Im Jahr 2022 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, es wird dann auch in allen Räumen digitale Tafeln geben“, kündigt die Schulleiterin an. Eine lebendige Lernkultur, die durchs Digitale gestützt werde, solle künftig ein weiteres Markenzeichen des Burggymnasiums sein – und mit dazu beitragen, dass 2024 groß gefeiert werden kann. Dann, wenn die Schule 200 Jahre alt wird.
- Weitere Nachrichten aus Essen lesen Sie hier.