Essen. . „Essen wird seinem Ruf als Einkaufsstadt nicht mehr gerecht“: Nach 30 Jahren verlässt die Edel-Boutique „von Drathen“ die Porschekanzel.

Wenn Marten von Drathen (37) in seinem Geschäft an der Porschekanzel steht, dann kann er sich vor Anfragen von Kundinnen kaum retten – und das liegt nicht an den derzeit reduzierten Blasern und Steppjacken, die auf den Kleiderbügeln hängen. Sondern die Damen fragen: „Wohin ziehen Sie, Herr von Drathen? Und wann wird das sein?“

Nach 30 Jahren verlässt eins der letzten inhabergeführten Fachgeschäfte die Essener Innenstadt. „von Drathen“, spezialisiert auf hochwertige Damenoberbekleidung, verabschiedet sich vom Standort Porschekanzel. Die Nachricht ist bei den meisten, die es betrifft, längst angekommen. Viele Stammkundinnen wurden persönlich angeschrieben.

„Essen wird seinem Ruf als Einkaufsstadt nicht mehr gerecht“

„Wir hören nicht auf und haben nicht vor, die Stadt zu verlassen“, betont von Drathen, der erst im Spätsommer das Geschäft an der Porschekanzel schließen will. Er betreibt in zweiter Generation eine Kette von neun Geschäften, sieben davon in NRW, die „beständig gewachsen“ ist und das auch weiterhin tun will. Allein: „Essen wird seinem Ruf als Einkaufsstadt nicht mehr gerecht.“ Das „Umfeld in der Innenstadt passt nicht mehr zu unserem Konzept.“

von Drathen beklagt „zu viel Leerstand, zu viele Billig-Anbieter und ein stark verändertes Publikum in der Stadt.“ Seinen Stammkundinnen würde er damit an der Porschekanzel nicht mehr gerecht werden können. „Wir sind dabei, einen neuen Standort in der Stadt zu finden, Einzelheiten kann ich noch nicht nennen“, sagt von Drathen. Seine Kundinnen würden sich schon lange über einen Qualitäts-Schwund in der Innenstadt beklagen: „,Wo soll ich sonst noch hin außer zu Ihnen’, das höre ich ganz oft.“

Kritik des Händlers ist nicht neu

Mit seiner Kritik äußert von Drathen Sachverhalte, die beim Essener Handelsverband und dem Stadt-Marketing selbstverständlich keine Neuigkeiten sind: „Natürlich gibt es viel Luft nach oben“, räumt Marc Heistermann ein, der Geschäftsführer des Verbandes. „Es ist unbestritten, dass wir etwas tun müssen, doch wir haben die Probleme ja längst erkannt.“ Die Essener Innenstadt verzeichne einen so genannten „Frequenz-Rückgang“ von 15 Prozent in den letzten Jahren. „Doch damit steht Essen nicht alleine.“

Auch Dieter Groppe, Geschäftsführer der Essener Marketing GmbH (EMG), räumt ein, „dass die Innenstadt für manche Bevölkerungsgruppen nicht mehr genug bietet.“ Direkt vor Ort an der Porschekanzel, gegenüber von von Drathen zum Beispiel, seien in den letzten Jahren die Ladenlokale immer kleiner geworden – und würden nur noch Billig-Anbieter oder Imbissstände beheimaten.

Studie soll neue Erkenntnisse bringen

Einige Impulse verspricht man sich bei den Verantwortlichen von der groß angelegten Verbraucher-Studie, die in ausführlichen Interviews auch solche Kunden befragen soll, die ausdrücklich nicht mehr nach Essen kommen (wir berichteten). Für von Drathen kommt das freilich zu spät: „Wir werden mit unserem Konzept der individuellen Mode und persönlichen Beratung weiter erfolgreich sein, aber an einem neuen Standort“, beteuert Marten von Drathen.