Steele. Corona verändert den Alltag im Steeler Kinderheim in Essen erheblich, die Erzieher standen plötzlich vor neuer Situation. Und wurden auch Lehrer.

Unter den Mädchen und Jungen im Kinderheim hat es zwar bislang lediglich einen Corona-Fall gegeben, erheblich verändert hat die Pandemie den Alltag im Haus der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung dennoch. Die Erzieher wurden von jetzt auf gleich vor die neue Situation gestellt. Sie sind 24 Stunden im Einsatz, bleiben Bezugsperson und sind Lehrer für bis zu neun Kinder geworden. Was fehlt: Wertschätzung.

„Wir werden von der Regierung ausgeblendet“, sagt Dirk Teppe*. Immer wieder sei die Rede von den Erziehern etwa in den Kitas, die Kollegen in Heimen kämen in der aktuellen Debatte rund um Auswirkungen wie Herausforderungen durch die Pandemie nicht vor.

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Schon in der Ausbildung gibt es wenig zur Heimerziehung

Blickt Martin Engler, pädagogischer Leiter und seit 22 Jahren in der Steeler Einrichtung, zurück, dann sei das schon früher bereits ähnlich gewesen: „In der Ausbildung gibt es wenig zur Heimerziehung und auch in tariflichen Dingen kommt dieser Bereich häufig nicht vor.“ Man vergesse die Erzieher in Kinderheimen oftmals.

Als der erste Lockdown im Vorjahr kam, bedeutete das für die Erzieher in Steele noch viel intensiver für die Mädchen und Jungen da zu sein, mit denen sie ohnehin in den 24-Stunden-Schichten in einer engen Gemeinschaft leben. Die Kitas schlossen, die Schulen ebenso und die Kinder sahen ihre Eltern wegen der Besuchseinschränkungen mitunter wochenlang nicht, höchstens einmal im Skype-Telefonat. Die Gruppen blieben unter sich, ohne Außenkontakte.

Homeschooling bringt die Heimerziehung ans Limit.

In der Pandemie bleiben die Gruppen im Kinderheim unter sich, draußen können die Kinder dann das weitläufige Gelände der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung nutzen.
In der Pandemie bleiben die Gruppen im Kinderheim unter sich, draußen können die Kinder dann das weitläufige Gelände der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung nutzen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Auf die zusätzlichen Aufgaben und Belastungen in den Heimen weist auch der Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe (VPK) hin: „Stationäre Jugendhilfeeinrichtungen können ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag in der Corona-Pandemie ohne zusätzliches Personal nicht nachkommen.“ Homeschooling bringe die Heimerziehung ans Limit. Das habe eine interne Umfrage unter den Mitgliedseinrichtungen ergeben.

Da in einer Gruppe regelmäßig Kinder lebten, die eine Regelgrundschule, Förderschule, Realschule und Gymnasium besuchten, könnten die Anforderungen ans Homeschooling unterschiedlicher kaum sein. Hinzu komme, dass viele Kinder und Jugendliche wegen ihrer Vorgeschichte und dem damit verbundenen Verhalten weitaus mehr Zuwendung und Motivationshilfe benötigten.

Mehr personelle und finanzielle Unterstützung eingefordert

Schon zu Beginn der Pandemie hätten Einrichtungen daher auf ihre Situation aufmerksam gemacht und bei den für sie zuständigen Heimaufsichten mehr personelle und finanzielle Unterstützung eingefordert – bislang fast ergebnislos.

In Steele ist für die Erzieher eines von Anfang an klar gewesen: „Wir ziehen das zusammen durch und lassen das Schiff nicht untergehen“, beschreibt Dirk Tepper ihr Einvernehmen. Das Team habe zusammengestanden und jeder einzelne habe das getan, was er immer tut: für die Kinder da sein.

Wenn die Erzieher der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung nun auf diese veränderte Situation hinweisen, dann möchten sie eines nicht: eine Prämie. Schön wäre es aber, sagt Dirk Tepper, mal erwähnt zu werden, Anerkennung zu erhalten.

*Die Namen aller Erzieher sind geändert, da sie in Zusammenhang mit den erzählten Schicksalen Rückschlüsse auf die Identität der Kinder ermöglichen könnten.