Essen. Essens City soll im Sommer zur Bühne werden. Akteure spielen „auf Hut“. Gut für die Innenstadt, schlecht für die Künstlerkasse – fürchten manche.

Wer derzeit durch die menschenleeren Innenstadt-Straßen spaziert, für den mag die Ankündigung nach sehr ferner Zukunftsmusik klingen. Doch je nach Lage der Corona-Pandemie soll die City in diesem Sommer wieder zum Leben erwachen – mit Gauklern und Artisten, Clowns und Musikern, die beim „StraßenKunstSommer“ endlich wieder mehr Besucher in die zunehmend von Leerstand bedrohte Innenstadt locken sollen. 38 Spieltage und fünf Spielorte hat man ihnen nach derzeitigem Stand vom 4. Juni bis 4. September reserviert. Das künstlerische Engagement soll sich vor allem auch für den von der Corona-Krise stark betroffenen Handel auszahlen. Gespielt wird „auf Hut“, was von Seiten der Politik aber nicht nur Zustimmung findet.

Straßenmusiker sollen die City drei Monate lang beleben

„Die engagierten Künstler sollen eine faire Bezahlung erhalten“, fordert Ratsfrau Heike Kretschmer, für die Linken im Kulturausschuss. „Wir halten die Zahlung eines Mindesthonorars, das sich nach den Empfehlungen des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste richtet, für angemessen und notwendig“, heißt es in einem Antrag der Linken für den Kulturausschuss. Dort wird am 3. März über das Straßenkunstfestival-Konzept beraten, das eigentlich als großes Wochenende-Event konzipiert ist, aufgrund der geltenden Pandemie-Beschränkungen in diesem Jahr aber über einen mehrwöchigen Zeitraum gestreckt werden muss.

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Bei der CDU setzt man trotzdem „große Hoffnungen“ in das Projekt, das „zur Revitalisierung der Innenstadt beitragen soll“, sagt die Kulturausschuss-Vorsitzende Christiane Moos. Moos hofft, dass sich vor allem auch lokale und regionale Künstler angesprochen fühlen, „die händeringend Auftrittsmöglichkeiten suchen“, gerade im Open-Air-Bereich. Sie bekämen möglicherweise auch schon auf andere Weise städtische Unterstützung wie durch den Corona-Sonderfonds Kultur.

Immerhin drei Monate lang soll die Straßenkunst dabei zum festen Bestandteil der Essener City werden – jeweils mittwochs, freitags und samstags entlang Kettwiger Straße und Kennedyplatz sowie auf dem Rheinischen Platz. Den Künstlern stellt man neben der Hutgage Aufwandsentschädigungen von 100 Euro für Soloauftritte bis 200 Euro für Gruppen ab drei Personen in Aussicht.

Nicht viel in Corona-Zeiten, in denen die freien Künstler ohnehin zu den Notleidenden gehören, finden aber nicht nur die Linken. Auch bei den Grünen, die das Vorhaben grundsätzlich begrüßen, hat man noch Fragen: „Wie kann man gewährleisten, dass sich der Auftritt für alle lohnt, unabhängig davon, an welchem Tag gespielt wird“, sagt die kulturpolitische Grünen-Sprecherin Tabea Buddeberg. Das Hutgeschäft könne zwar einträglich sein; es sei aber auch mit etlichen Unwägbarkeiten behaftet – von der Wetterlage über den Standort bis zu Dauer und Zeitpunkt des Auftritts.

Spielorte sollen besser gekennzeichnet werden

Die Honorarregelung sorgt für Debatten, doch sie ist nicht unüblich. Straßenkunst-Festivals sind längst so etwas wie das Allheilmittel der Innenstadtbelebung und die „Hutbespielung“ eine gängiges Verfahren – von Rosenheim bis Scharbeutz, von Friedrichshafen bis Würzburg. Dort wurde 2004 das Festival für Straßenkunst, kurz Stramu, aus der Taufe gehoben. Es gilt als eines der größten bühnenfreien Festivals in Europa und dürfte dem von Würzburg nach Essen gewechselten Kulturdezernenten Muchtar Al Ghusain durchaus als Inspiration dienen, der nach der für manche überraschenden Absage des Kulturpfadfests in 2019 eine Alternativveranstaltung in Aussicht gestellt hatte.

„Die Innenstadt wird zu einem vibrierenden Ort der Musik, Akrobatik, Zauberer, der Performance und der Gestaltung“ heißt es dazu schwärmend in der Ausschuss-Vorlage. Unterstützung bekommt das Kulturamt als Veranstalter dabei von der Essen Marketing GmbH (EMG). „Wir begrüßen alles, was zur Belebung der City beitragen kann“, sagt SPD-Ratsherr Hans-Ulrich Krause. Die Frage der Hut-Honorierung wolle man erst bewerten, „wenn wir das Feedback der beteiligten Künstler haben“.

Erste Erfahrungen konnte man immerhin schon beim letztjährigen „Sommer in der Stadt“ sammeln, der auf den Straßen und wohl auch in den Hüten der beteiligten Künstler aber wenige Spuren hinterließ. In diesem Jahr soll das besser werden. Die Spielorte sollen deutlicher kenntlich gemacht werden und Verbindungen zu den gastronomischen Außenangeboten geschaffen werden. Am Ende könnten somit gleich drei notleidende Branchen künstlerisch in Einklang gebracht werden.

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