Essen. Nach dem Coup gegen Bayer 04 spielt RWE am Mittwoch das DFB-Pokal-Viertelfinale. Warum „Happo“ Tautges darin eine Chance für ganz Essen sieht.

Wenn Helmut Tautges, den alle nur Happo nennen, mit dem Fahrrad an Schrebergärten in Essen vorbeifährt, achtet er auf die Fahnenmasten. Meistens wehen dort blaue S04- oder schwarz-gelbe BVB-Flaggen im Wind. „Das war früher anders“, sagt der 66-Jährige Rot-Weiss-Essen-Fan.

Damals, als RWE noch Bundesliga-Fußball spielte, war sein Verein ein richtiges Aushängeschild. „Rot Weiss war als Erstligist für Essen wichtig“, sagt er. Da habe auch das Fan-Verhältnis in der Stadt noch gestimmt. „Heute bin ich mit RWE in der Unterzahl.“

Sein Wunsch: „Die Verhältnisse sollen wieder passen, rot-weisse Fahnen sollen wieder wehen.“ Welches Potenzial bei Rot Weiss-Essen schlummert, zeigte sich am 2. Februar. Sensationell gewann RWE im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Bayer Leverkusen. Noch am Abend und in den Tagen danach war Essen in aller Munde, sogar die internationale Presse feierte Rot Weiss Essen.

Oberbürgermeister Thomas Kufen sagte nach dem Sieg: „Es geht um mehr als um Fußball.“ Nicht auszudenken, was im Stadion losgewesen wäre, wenn die Zuschauer das auf den Tribünen miterlebt hätten.

DFB-Pokal: Happo auf der Couch so emotional wie im Stadion

Helmut Tautges erlebte den 2:1-Coup zuhause auf der Couch, wegen Corona gibt es derzeit kein Stadionerlebnis. „Bei den Siegen im DFB-Pokal bin ich so emotional dabei, wie im Stadion.“ Darüber, dass seine Rot-Weissen in der Verlängerung gegen Leverkusen erst zurücklagen, dann ausglichen und sogar noch den Siegtreffer schossen, sagt Happo: „Den Fußballgott gibt es doch.“ Über den Regionalligaalltag spricht er deutlich weniger emotional: „Manchmal bin ich froh, wenn das Spiel um ist.“

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Happo, Jahrgang 1954, war das erste Mal 1966 im Stadion, bei welchem Spiel genau, weiß er nicht mehr. „Das war Liebe auf den ersten Blick.“ Zu der Zeit war seine Familie von Stoppenberg nach Kray gezogen. Auf der neuen Schule hat er zusammen mit zwei, drei Leuten in der Pause Fußball gespielt, die haben den heute 66-Jährigen zu Rot-Weiss gebracht. Von da an war RWE Teil seines Lebens. Als Jugendlicher begann er, auch zu Auswärtsspielen zu fahren. „München, Stuttgart, Hamburg“, zählt er auf – klangvolle Namen im Fußball.

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Nicht nur das Sportliche schätzt Helmut Tautges an seiner großen Leidenschaft. „Im Laufe der Zeit haben sich Freundschaften entwickelt“, sagt er. Er selbst hat eine virtuelle Kneipe für RWE-Fans und Sympathisanten im Internet etabliert. Über die Plattform https://happos-unkaputt-bar.de sammelt er auch regelmäßig Geld für gute Zwecke. Am Anfang habe man für RWE selbst samt Jugendabteilung gesammelt, in den letzten Jahren für Soziales. Bei der jüngsten Aktion kamen 5555,55 Euro zusammen. Das Geld ging an die Aktion „Essen packt an“, die Obdachlose mit Mahlzeiten versorgt.

Happo über RWE: „Einen Freund, den lässt man einfach nicht im Stich“

Die Regionalliga West ist für einen wie Happo ein hartes Los. Wie viele andere Fans denkt er wehmütig an „damals“. Derzeit „geht es über die Dörfer“, sagt der 66-Jährige und meint damit Spiele gegen Lotte, Straelen oder Rödinghausen. Trotzdem gibt es seit seinem ersten Mal RWE im Jahr 1966 keine Phase (außer Corona), in der er nicht regelmäßig ins Stadion gegangen ist. „Einen Freund, den lässt man einfach nicht im Stich“, sagt er. „Da muss schon was passieren, dass ich ein Heimspiel verpasse – Hochzeit, Krankheit oder so.“

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Eigentlich möchte Happo auch gar nicht mit den großen Vereinen tauschen, die „Champions League“ spielen – zu angepasst, zu steril. „RWE ist kein Mainstream“, sagt Happo, „auch in der VIP-Loge nicht“. Und trotz der jahrelangen Erfolglosigkeit gebe es Hoffnung für seinen Verein. „Die Hinserie war super“, sagt Happo, „jetzt nach der Niederlage gegen Düsseldorf am Freitag muss man aber mal gucken.“

Er hofft auf den Aufstieg in die dritte Bundesliga: „Meiner Frau habe ich schon gesagt, nächste Saison geht es nach Rostock.“ Die Auswärtsfahrten drohen dann wieder länger zu werden. Meine Frau hat dann gesagt: „Hör auf!“, so Helmut Tautges und lacht.

Helmut Tautges hofft, dass es in Essen bald wieder mehr RWE-Fans als Schalke- und Dortmund-Anhänger gibt.
Helmut Tautges hofft, dass es in Essen bald wieder mehr RWE-Fans als Schalke- und Dortmund-Anhänger gibt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Helmut Tautges tippt auf einen 2:1-Sieg gegen Holstein Kiel

Positiv gestimmt ist er auch für Mittwochabend, wenn Rot Weiss Essen im DFB-Pokal-Viertelfinale den Zweitligisten Holstein Kiel an der Hafenstraße empfängt. „2:1 tippe ich – nicht weil Rot Weiss stärker ist, aber in dieser Saison ist alles ein bisschen anders.“ Und sollte es erneut einen sensationellen Sieg für RWE geben – und der Verein am Ende der Saison auch die Regionalliga West verlassen, dürften in seiner Stadt auch wieder einige neue Rot-Weiss-Essen-Fahnen in den Schrebergärten wehen.

Und auch wenn Happo auf seinem Fahrrad fährt und S04- und BVB-Aufkleber an Autos in seiner Stadt sieht, weiß er: „Es gibt trotzdem Kids, die Rot-Weisse sind.“