Essen. Der sensationelle Sieg von Rot-Weiss Essen im DFB-Pokal weckt Hoffnungen. „Es geht um mehr als um Fußball“, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen.
„Oh la la la la, wir sind wieder da“, singen die Fans von Rot-Weiss Essen gerne nach Siegen an der Hafenstraße. Nach der Sensation im Achtelfinale des DFB-Pokal am Dienstagabend herrschte Stille auf der „Alten West“, wo sonst die treuesten der Treuen mitfiebern.
Zuschauer durften bedingt durch Corona nicht ins Stadion. Was sonst los gewesen wäre auf den Rängen lässt sich nur erahnen. David schlägt Goliath, Viertligist RWE wirft das Starensemble von Bayer Leverkusen aus dem Pokal.
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Oberbürgermeister Thomas Kufen, der auf Einladung von Rot-Weiss Essen im Stadion eine Delegation des Deutschen Fußballbundes begleitete, zählte zu den wenigen Augenzeugen vor Ort. „Wir sehen uns wieder an der Hafenstraße“, habe er seinen Gästen zum Abschied gesagt, erzählt Kufen, seit Mitte der 1990er Jahre RWE-Mitglied, tags drauf mit belegter Stimme. Denn als Amateurverein hat RWE Heimrecht. Zum Sieg der Essener hätten ihm Bürgermeister aus ganz Deutschland gratuliert.
Der RWE ist wieder da! Fußballdeutschland staunt über den Coup des Traditionsvereins, der seit zehn Jahren ein Schattendasein in der Regionalliga fristet. Plötzlich steht RWE im Rampenlicht. „Tolle Werbung für Essen“, schreibt Richard Röhrhoff, Chef der Essen Marketing Gesellschaft (EMG) noch am Abend bei Facebook. Rot-Weiss Essen sei ein Imagefaktor für die Stadt, sagt Kufen. Und: „Es geht um mehr als um Fußball.“
Das Bistum sendet Glückwünsche vom Domplatz an die Hafenstraße
Pyro und Autokorso: Fans von RW Essen feiern Pokal-Sensation
Der sensationelle Pokalsieg zeigt erneut, welche soziale Bindungskraft dieser Verein entwickeln kann. Mitgefiebert am Bildschirm oder am Radio haben auch viele, die nicht regelmäßig ins Stadion gehen. Auf Facebook reiht sich Gratulation an Gratulation. Das Bistum sendet Glückwünsche vom Domplatz an die Hafenstraße. Die Stauder Brauerei, Sponsor von RWE und Schmierstofflieferant für die laut Fußballmagazin „11 Freunde“ trinkfreudigste Fanszene Deutschlands, postet ein Foto von einer Autobahn: nächste Ausfahrt Berlin. In der Hauptstadt steigt das Finale. Träumen ist erlaubt.
Gleich nach dem Abpfiff ließen Hunderte von RWE-Fans ihrer Freude freien Lauf. Damit sich Bilder nach dem Pokalspiel gegen Fortuna Düsseldorf nicht wiederholten, als Anhänger sich am Stadion-Zaun versammelten ohne Rücksicht auf Abstandsgebote, hatte die Polizei das Gelände abgesperrt. Auf der Hafenstraße staute sich ein Autokorso. An der Bottroper Straße stiegen Feuerwerksraketen in die Luft. Offensichtlich waren unverbesserliche Optimisten – auch die scheint es zu geben unter den sonst leidgeprüften RWE-Fans – für den Fall der Fälle vorbereitet. Auch in der Innenstadt feierten Fans auf der Straße. Nicht jeder hat dafür Verständnis; so ist es in Kommentaren im Internet zu lesen. Die Polizei leitet 27 Ermittlungsverfahren ein. Im großen und ganzen sei es aber ruhig geblieben.
Rot-Weiss Essen ist wieder salonfähig. Nun läuft es auch sportlich.
Was bleibt? Die Freude auf die nächste Pokalrunde und die Hoffnung, dass all dies mehr ist als eine Momentaufnahme. „Ich würde mir wünschen, dass der Verein nun noch mehr Vertrauen bekommt, auch aus der Wirtschaft“, sagt EMG-Chef Richard Röhrhoff. Die Stadt hat RWE vor Jahren von einer millionenschweren Schuldenlast befreit und ein neues Stadion gebaut. Vorstandschef Michael Welling machte den Club in der eigenen Stadt wieder salonfähig. Unter Wellings Nachfolger Marcus Uhlig läuft es auch sportlich.
Treue Fanbasis
Rot-Weiss Essen kann sich nicht nur auf eine 114-jährige Tradition stützen, sondern auf eine treue Fanbasis. Der Verein zählt 6461 Mitglieder.Für die laufende Saison in der Regionalliga West verkaufte RWE nach eignen Angaben 5000 Dauerkarten. Und dies, obwohl angesichts der Corona-Pandemie nicht klar war, ob Fans überhaupt ins Stadion dürfen. Ausgetragen werden die Spiele aktuell vor leeren Rängen.
Richard Röhrhoff erinnert daran, dass Essen die einzige unter den zehn größten Städten Deutschlands ohne Fußballverein in der ersten oder zweiten Liga ist. RWE klopft an die Tür zur dritthöchsten Spielklasse. Im Pokal ist man unter den verbliebenen acht Mannschaften. „Das“, sagt Essens Marketing-Chef, „ist gut für die Seele“.