Essen. Der Impfstoff von Astrazeneca gilt landauf landab als Ladenhüter der Corona-Impfkampagne. Doch nicht so in Essen. Warum es hier besser läuft.

Geimpft wird, was auf den Tisch kommt: Nichts verkommen und nichts liegenlassen, das war stets die Devise im Essener Impfzentrum. Und sie galt und gilt auch für den Impfstoff von Astrazeneca, der – ob nun berechtigt oder nicht – wegen vermeintlich größerer Nebenwirkungen einen schlechten Ruf genießt. Eine interne Bilanz des Landes zeigt jetzt, dass Essen mit dieser Linie zu den Musterknaben der laufenden Impf-Kampagne gehört.

Knapp 70.000 Impfdosen von Astrazeneca standen danach NRW-weit in der sechsten und siebten Kalenderwoche (8. bis 21. Februar) zur Verfügung, doch mit gerade mal 34.500 Impfen fand nicht einmal die Hälfte davon den Weg in die Oberarme jener Berufsgruppen, die von den Sonderkontingenten profitieren sollten: darunter Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste, bei Rettungsdiensten oder in Hospizen.

Große Impfunterschiede im Land NRW

Ein Blick auf die von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein erstellte Übersicht zeigt dabei, wie stark die Impfquote landesweit schwankt: In Wuppertal etwa blieben von 2560 Impfdosen in den genannten zwei Wochen gerade mal acht übrig: eine Impfquote von minimal aufgerundeten 100 Prozent. Am anderen Ende der Großstadt-Skala landete die NRW-Metropole Köln, wo mehr als drei Viertel der 7844 Astrazeneca-Impfdosen liegen blieben. Am trostlosesten fiel die Bilanz im Kreis Wesel aus, der nach der Statistik nicht einmal vier Prozent seiner 3316 Impfdosen an den Mann und die Frau brachte.

Die Stadt Essen darf sich mit Blick auf die Übersicht zu den Musterknaben der laufenden Impfkampagne zählen. Zwar verstreichen auch im hiesigen Impfzentrum in Messehalle 4 immer wieder mal Impftermine ungenutzt, und es gibt sogar Pflegekräfte, die sich vor Ort gegen den Astrazeneca-Impfstoff sträuben – in der Hoffnung, dass sie aus Kulanzgründen eine Spritze mit dem Stoff von Biontech oder Moderna erhalten. Vergeblich übrigens.

Impfquote bei Astrazeneca liegt in Essen bei 92 Prozent

Doch unterm Strich wurden im geprüften Zeitraum von 4202 Astrazeneca-Impfdosen auch 3853 verimpft – eine Quote von 92 Prozent, nach dem bereits erwähnten Wuppertal (100 Prozent) und Remscheid (96 Prozent) die drittbeste landesweit. Zum Vergleich: Düsseldorf kam in den zwei Wochen auf eine Quote von 61 Prozent und Bonn auf 73. Die Revier-Nachbarn Oberhausen (71 Prozent) und Mülheim (54 Prozent) lässt man ebenso hinter sich wie Duisburg, wo gar nur 30 Prozent der Impfdosen genutzt wurden.

Für Dr. Stefan Steinmetz keine Überraschung: „Wir haben die entsprechenden Berufsgruppen massiv einbestellt, haben gezielt Termine gemacht und diese auch sehr schnell abgearbeitet“, sagt der ärztliche Leiter des Impfzentrums an der Messe: In dieser Woche seien noch die Zahnärzte dran, „dann haben wir sie alle durch“.

Essen nimmt übrigen Impfstoff ab

Und während die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein noch rätselt, wie man die möglichen Nutznießer der Sonderkontingente für bestimmte Berufsgruppen besser erreichen könnte, bieten sich die beim Impfen erfolgreicheren Städte als Abnehmer an.

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Immer her mit dem Stoff, heißt es auch in Essen, wo im Impfzentrum bislang ja nur sechs der zwölf aufgebauten Impfstraßen geöffnet sind, und das auch nur im Ein-Schicht-Betrieb am Nachmittag. Dahinter steckt die Überzeugung, dass jede lieber heute als morgen verimpfte Dosis bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie helfen kann - auch wenn der Impfstoff von Astrazeneca nicht ganz so schnell verkommt: Das Vakzin wird in Zehner- „Vials“ geliefert, Injektionsfläschchen also, aus denen sich jeweils zehn Spritzen gewinnen lassen. Ungeöffnet und im normalen Kühlschrank gekühlt sind sie sechs Monate haltbar.

Impfzentren bekommen mehr Spielraum

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Aber warum warten, fragen sich neben Essen immer mehr Städte – und das Land NRW reagiert: Am Freitag vergangener Woche stellte das Gesundheitsministerium zunächst klar, dass neben den haupt- auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen sich impfen lassen dürfen, dazu (Zahn-)Ärzte, deren medizinisches Praxispersonal, Blutspendedienste oder Hebammen mit regelmäßigem und unmittelbaren Patientenkontakt.

Und der nächste Schritt ist schon in Vorbereitung: Der Impfstoff von Astrazeneca darf demnächst auch weiteren Berufsgruppen angeboten werden, die eigentlich erst in der nächsten Prioritäts-Stufe an der Reihe wären. Bislang verhinderte eine starre Erlasslage diesen Spielraum der Impfzentren. Dies zu ändern, sei man, so heißt es nun, „in der finalen Abstimmung“. Impf-Chef Dr. Steinmetz soll's recht sein: „Wir wollen bei der Impf-Bilanz auch künftig weit vorne sein.“