Essen. Das Ende des Flughafens ist eigentlich beschlossene Sache. Ein Wettbewerb soll klären, wie es weitergeht. Doch das Verfahren stockt.
Wenn es in der Vergangenheit um die Frage nach der Zukunft des Flughafens Essen/Mülheim ging, dann hat die Politik schon so manche Schleife gedreht. Nun könnte ein weiteres Manöver folgen – in Richtung Ausstieg aus dem Ausstieg.
Denn eigentlich sollte der Planungsausschuss des Stadtrates in seiner jüngsten Sitzung einen Planungswettbewerb über die zukünftige Gestaltung des 140 Hektar großen Flughafenareals auf den Weg bringen. Wohnen, Arbeiten und Naturschutz – das alles sollen Planer möglichst schlüssig unter einen Hut bringen. Wie ließe sich auf den Ruhrhöhen Wohnungen für bis zu 6000 neue Bewohner schaffen, wie Arbeitsplätze für 2000 Menschen ohne dabei denn Natur- und Artenschutz zu vernachlässigen.
Bis zu sieben Planungsbüros sollen sich darüber Gedanken. Denn: „Bis 2034 soll der Flugverkehr in seiner heutigen Form eingestellt werden.“ So ist es in den Wettbewerbsunterlagen zu lesen. Dem Sieger winkt ein Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro.
2034 enden die Rechte des Aero-Clubs auf Aufrechterhaltung des Flugbetriebes
Nichts anderes als den Ausstieg hatten die Stadträte in Essen und Mülheim als Gesellschafter des Flughafens schließlich beschlossen – sobald ein solcher möglich ist, lautet die Einschränkung. 2034 wäre dies der Fall. Dann laufen die verbrieften Rechte der Hobby-Flieger des Aero-Clubs auf Aufrechterhaltung des Flugbetriebes aus.
Im Planungssauschuss zog die Verwaltung den Beschlussvorschlag für die Durchführung des Wettbewerbs jedoch jüngst kurzerhand zurück. Begründung: Die Politik habe noch Beratungsbedarf. Auch in Mülheim war die Vorlage der Verwaltung zuvor von der Tagesordnung geflogen.
Denn der Wind hat sich gedreht, seit beide Stadträte 2016 das sogenannte Masterplanverfahren zur Zukunft des Flughafen-Areals angestoßen haben. Befürworter des Flughafens fühlen sich im Aufwind. Spätestens seit dem Parteitagsbeschluss der Essener CDU von 2019 als die Delegierten eine „bestmögliche Nutzung“ des Flughafen-Geländes forderten und die dabei „die Fortführung des Flugbetriebes nicht kategorisch auszuschließen“. Was nichts anderes bedeutet als eine Wende um 180 Grad.
Mit dem Flugtaxi in Essen/Mülheim abheben? Mobilität verändert sich auch in der Luft
Guntmar Kipphardt, CDU-Ratsherr aus Kettwig und inzwischen Vorsitzender des städtischen Planungsausschusses, hat dabei als Vorsitzender eines parteiinternen Arbeitskreises an entscheidenden Stellschrauben mitgedreht. Er und seine Parteifreunde hätten sich die Frage gestellt, ob denn heute noch alles so richtig sei, was der Rat da Mitte der 1990er Jahre beschlossen hatte und Kurs in Richtung Ausstieg nahm?
Der Stand der Technik sei heute ein anderer. Flugzeuge seien deutlich leiser als vor Jahrzehnten hält Kipphardt jenen entgegen, die ihre Forderung nach einem schnellstmöglichen Aus für den Flughafen mit der Belästigung durch Fluglärm begründen. Mobilität verändere sich. In nicht allzu ferner Zukunft, davon ist Kipphardt überzeugt, dürften Flugtaxis durch die Lüfte schweben.
Dass lebenswichtige Organtransporte, für die der Flughafen bekanntermaßen genutzt wird, nach Einstellung des Flugbetriebes auf der A52 im Stau stehen könnten – diese Vorstellung ist für den Kettwiger Ratsherrn ein Gräuel. Und könnte der Flughafen nicht wichtig werden, sollte die Rhein-Ruhr-Region den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2032 bekommen?
Lassen sich Wohnen und Gewerbe mit der Fliegerei vereinbaren?
Es ist ein Potpourri an Argumenten, die Kipphardt anführt. Die Feldlerche, die das geplante Konzert von Superstar Ed Sheeran in 2018 platzen ließ, darf da nicht fehlen. Was wird aus der bedrohten Vogelart, wenn aufs Flughafen-Gelände Tausende neue Bewohner mit ihren Hunden und Katzen ziehen?
Kurz: „Wir werden darauf drängen, dass eine Variante geprüft wird – eine Variante mit Flugverkehr“, kündigt Guntmar Kipphardt für seine Fraktion an. Zu klären wäre dann die Frage, ob und wie sich der Flugbetrieb mit Wohnen und Gewerbe vereinbaren ließen, wenn diese näher an die Start- und Landebahn heranrücken, als dies heute schon der Fall ist.
Rückenwind gibt es von der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie von der Interessengemeinschaft „Wir leben Flughafen“, die sich für den Erhalt des Landeplatzes engagiert. „Auf dem Gelände des Flughafens wird in den nächsten Jahren Zukunft geschrieben. Daher dürfen wir den Blick nicht einengen, sondern sollten alle Optionen auf den Tisch legen“, erklärt dazu IHK-Hauptgeschäftsführer Gerald Püchel.
Ein Flughafen mit Geschichte
Der Flughafen Essen/Mülheim blickt auf eine lange Geschichte zurück. 1919 wurde das Gelände auf den Ruhrhöhen erstmals angeflogen. 1925 erhielt der Landeplatz die Rechte eines Flughafens. 1930 starteten die ersten Linienflüge ab Essen/Mülheim. In den 1930er Jahren wurde der Flughafen auf seine heutige Größe erweitert. 1938 erfolgte die Ernennung zum „Rhein-Ruhr-Flughafen“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verliert Essen/Mülheim seine Bedeutung als zentraler Flughafen der Region an den Flughafen Düsseldorf. Große Fluggesellschaften nutzen Essen/Mülheim heute als Ausbildungsflughafen. Knapp die Hälfte der jährlich rund 43.000 Flugbewegungen entfällt auf den Schulflugbetrieb.
In ihrer schriftlichen Vereinbarung über eine Kooperation für die laufende Ratsperiode haben CDU und Grüne schließlich vereinbart, über die weitere Nutzung des Flughafengeländes „ergebnisoffen zu beraten“. Eine Formulierung, die deutlich macht, dass sich beide alles andere als einig sind.
Das lässt vermuten, die neue Ratsmehrheit könnte geneigt sein, die Sache auf die lange Bank zu schieben – über die Ratsperiode hinaus. Nur lässt der angestoßene Masterplanprozess dies nicht zu. Denn dieser wird vom Land finanziell gefördert. Damit verbunden ist ein eng getakteter Zeitplan. Ursprünglich sollten Ergebnisse bis Ende August dieses Jahres auf dem Tisch liegen. Nun, so ist zu hören, soll die Frist um drei Monate verlängert werden. Bringe die Stadt den Wettbewerb nicht fristgerecht zum Abschluss, sind Fördergelder für bereits erstellte Gutachten zurückzuzahlen – laut Verwaltung 60.000 Euro.
Gut möglich also, dass die neue Mehrheit im Rat schon bald Farbe bekennen muss, wie es weitergehen soll mit der Fliegerei auf den Ruhrhöhen von Essen und Mülheim.