Essen. Meisterin des Moments: Barbara Klemm hat Weltgeschichte mit der Kamera festgehalten. In Essen erhält sie nun den Internationalen Folkwang-Preis.

Barbara Klemm ist eine der bedeutendsten Fotografinnen der Nachkriegszeit. Eines ihrer berühmtesten Fotos, der „Bruderkuss“ zwischen SED-Parteichef Honecker und Sowjetführer Breschnew (1979), ging vielfach um die Welt. Aber auch ihre Reisedokumentationen, Porträts von Politikern, Models und Obdachlosen oder Aufnahmen politischer Ereignisse vom Mauerfall in Berlin bis zum Frankfurter Startbahn-West-Protest haben das Bildgedächtnis Deutschlands über mehrere Jahrzehnte hinweg geprägt. Das Museum Folkwang würdigt die prominente Foto-Chronistin mit dem Gespür für den entscheidenden Augenblick nun mit dem Internationalen Folkwangpreis.

Die gebürtige Westfälin Klemm, die Jahrzehnte lang als Redaktionsfotografin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Weltgeschichte in Bildern festgehalten hat, soll den mit 10.000 Euro dotierten Preis am 4. Oktober 2021 im Rahmen des festlichen Jahresempfangs des Museumsvereins entgegen nehmen.

„Eine Fotografin, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt“

„Barbara Klemm hat mit ihrem fotografischen Lebenswerk aus humanistischer und künstlerischer Perspektive zur Rezeption und Vermittlung von gesellschaftlichen Entwicklungen im Sinne der Folkwang-Idee entscheidende Impulse beigetragen“, sagt Ulrich Blank, Vorsitzender des Folkwang-Museumsvereins e.V.. Die mittlerweile 81-jährige Künstlerin habe damit die Etablierung der Fotografie als Kunstform jenseits ihrer Musealisierung entscheidend gefördert.

„Als eine Fotografin, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt, hat Barbara Klemm politischem Handeln in Mitteleuropa fotografische Denkmäler gesetzt; auf fotografischen Reisen in andere Kontinente hat sie ein alternatives Bild außereuropäischer Kulturen in ideeller Verwandtschaft zu Karl Ernst Osthaus gezeichnet. Mit Weitblick und großer künstlerischer Integrität hat sie ein breites Publikum in den demokratischen Massenmedien sensibilisiert und mit einfühlsamen Porträts vielen Menschen die Lebenswelten von Kulturschaffenden vermittelt und nahe gebracht“, heißt es in der Begründung zur Preisverleihung.

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Geboren 1939 in Münster als Tochter des Nachexpressionisten Fritz Klemm, aufgewachsen in Karlsruhe, absolvierte Klemm von 1955 bis 1958 zunächst eine Fotografenlehre in einem Porträtatelier. 1959 begann sie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zu arbeiten, von 1970 bis Ende 2004 war sie als Redaktionsfotografin mit Schwerpunkt Politik und Feuilleton tätig. Seit 1992 ist sie Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg und seit 2000 Honorarprofessorin an der FH Darmstadt im Fach Fotografie am Fachbereich Gestaltung.

Bilder von Willy Brandt, Heinrich Böll und Wolf Biermann

Der chilenische Diktator Augusto Pinochet 1986 in Santiago de Chile, Willy Brandt und Leonid Breschnew beim Austausch 1973 in Bonn, Heinrich Böll und Oskar Lafontaine bei der Sitzblockade gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland 1983 und Wolf Biermann 1976 beim legendären Kölner Konzert, das Anstoß zu seiner Ausbürgerung aus der DDR gab: Barbara Klemm war viele Jahrzehnte die Frau für historische Momentaufnahmen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet und mit großen Ausstellungen geehrt. Zuletzt hat der Deutsche Bundestag zu Klemms 80. Geburtstag eine Auswahl ihrer unverwechselbaren Bilder gezeigt – sie fotografiert bis heute in Schwarz-Weiß und analog.

Mit dem mit 10.000 Euro dotierten Internationalen Folkwang-Preis zeichnet der Folkwang-Museumsverein seit 2010 Personen und Institutionen aus, die sich im Sinne des Museumsgründers Karl Ernst Osthaus in besonderer Weise für die Förderung und Vermittlung von Kunst an eine breite Öffentlichkeit verdient gemacht haben. Bisherige Preisträger sind Neil MacGregor (2010), Reinhold Würth (2013), Hans Ulrich Obrist (2015) und Okwui Enwezor (2017).

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