Essen. Geduldete brauchen mehr Integrationschancen, sonst bilden sich Parallelgesellschaften, warnt der Städtetag. Pro Asyl Essen fühlt sich bestätigt.

Pro Asyl/Flüchtlingsrat Essen begrüßt ein aktuelles Positionspapier des Deutschen Städtetages mit dem Titel „Geduldete Personen – Herausforderungen der Städte“. Die Autoren fordern mehr Bildungs- und Integrationsmöglichkeiten für Geduldete, die oft jahre- oder jahrzehntelang in Deutschland bleiben, weil sie nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Der Städtetag fordert nun eine „offene und ehrliche Debatte“ über den Umgang mit Geduldeten - und schlägt vor, ihnen Bleibeperspektiven zu bieten.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hat das Gespräch mit jungen Libanesen früh gesucht; sie haben den Duldungsstatus oft von ihren Eltern „geerbt“. Das Bild zeigt den OB im Mai 2016 im Gespräch mit betroffenen Jugendlichen.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hat das Gespräch mit jungen Libanesen früh gesucht; sie haben den Duldungsstatus oft von ihren Eltern „geerbt“. Das Bild zeigt den OB im Mai 2016 im Gespräch mit betroffenen Jugendlichen. © FUNKE Foto Services | Dirk Bauer

So weist das Positionspapier darauf hin, dass man seit den 1990er Jahren erlebe, welche fatalen Folgen es habe, „dass Flüchtlinge und geduldete Personen weitgehend von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen waren“. Geringe Sprachkenntnisse, unregelmäßiger Schulbesuch von Kindern, gesundheitliche Probleme, Wohnungslosigkeit und Kriminalität hätten zu einem „fortschreitenden Prozess der Dequalifizierung“ geführt, der sich auch negativ auf die Stadtgesellschaften ausgewirkt habe.

Bildung von Parallelgesellschaften verhindern

Das Erlernen von Grundkenntnissen der deutschen Sprache, die Vermittlung gemeinsamer Grundwerte und eine sinnstiftende Tagesstruktur „ermöglichen unabhängig von der Aufenthaltsdauer ein Zurechtfinden in der Gesellschaft, verhindern Ausgrenzung und sichern das friedliche Miteinander in den Städten“. Verfestige sich der Aufenthalt, ohne dass der Geduldete eine Chance auf Integration erhalte, begünstige das die Bildung von Parallelgesellschaften.

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Daher fordert der Städtetag, die vom Bund geförderten Integrationskurse unabhängig von Aufenthaltsstatus und Bleibeperspektive auch für Geduldete zu öffnen; die Länder hätten sich bereits mehrheitlich dafür ausgesprochen. Ein Schritt in die falsche Richtung sei die „Duldung light“, die Betroffene mit ungeklärter Identität von Ausbildung und Arbeit ausschließe und zum Nichtstun verdamme: Das verschlechtere die Lebenssituation der Betroffenen, bewege diese aber meist nicht zur Ausreise. Im Sinne des gesellschaftlichen Friedens müsse man auch diesem Personenkreis „ein Mindestmaß an unterstützenden Maßnahmen“ gewähren.

Auch solle der Bund neue gesetzliche Wege schaffen, um denjenigen eine Bleibeperspektive zu geben, die seit vielen Jahren als Geduldete im Land sind und in anhaltender Unsicherheit leben müssen. Mit dieser Forderung positioniert sich der Städtetag im Sinne von Pro Asyl Essen: Die Flüchtlingsorganisation beklagt seit langem, dass der mit zahlreichen Einschränkungen verbundene Duldungsstatus die Betroffenen in ein „Leben am Rande der Gesellschaft“ zwinge. Oft werde der unsichere Rechtsstatus von den Eltern auf die Kinder vererbt. Hier müsse der Gesetzgeber, wie vom Städtetag gefordert, neue Bleiberechtsmöglichkeiten schaffen, fordert die Essener Pro-Asyl-Geschäftsführerin Inka Jatta.

Perspektiven für Geduldete eröffnen

Sie sieht aber auch die Kommunen selbst in der Pflicht: „Auch wenn der gesetzliche Rahmen durch den Bund bestimmt wird, bieten sich jetzt schon Handlungsspielräume auf kommunaler Ebene, die es zu nutzen gilt.“ Bislang mache Essen den mehr als 2000 Geduldeten zu wenige zielführende Angebote, kritisiert Jatta. „Deshalb plädieren wir seit Jahren für eine stärkere Nutzung der Ermessensspielräume bei den bestehenden Bleiberechtsregelungen.“ So könnte den Geduldeten in Essen eine Perspektive eröffnet werden.

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