Essen. Die Bürgerinitiativen legen den Finger in die Wunde: 2017 war Essen „Grüne Hauptstadt Europas“. Nun drohen Freiflächen zubetoniert zu werden

Das Bündnis „Grüne Lungen für Essen“ setzt sich für den Erhalt von Grün- und großen Freiflächen im Stadtgebiet ein. Verschiedene Initiativen aus vier Bezirken dieser Stadt, von Katernberg bis Kettwig, haben sich mit dieser Zielsetzung im Februar zusammengeschlossen – und treten seitdem gemeinsam bei Aktionen auf. Am Mittwoch verteilten sie an die Ratsmitglieder Kalender für 2021.

In diesem Kalender des Bündnisses „Grüne Lungen für Essen“ werden nicht nur jene Grün- und Waldflächen aus ganz Essen aufgeführt, die zur Bebauung anstehen, der Kalender ist auch mit persönlichen Statements versehen. Die beteiligten Bürgerinitiativen äußern sich zu ihrer Motivation. Außerdem gibt es Zitate aus der Tages- und Fachpresse sowie Informationen zum Thema Städtebau und Bürgerpartizipation.

Bündnis legt den Finger in die Wunde „Grüne Hauptstadt 2017“

„Wenn du ein Haus baust, denk an die Stadt“, dieses Zitat des Architekten Luigi Snozzi stehe für alle Flächen und Gebäude im Essener Stadtgebiet, die im Kalender aufgeführt seien, so Bündnis-Sprecherin Estelle Fritz. Und noch ein berühmtes Zitat weist den Weg: „Erst bauen Menschen Häuser, dann bauen Häuser Menschen.“ Es stammt von Albert Schweitzer.

Der Klostergarten in Bedingrade. Das Gelände soll bebaut werden; eine Bürgerinitiative engagiert sich für den Erhalt.
Der Klostergarten in Bedingrade. Das Gelände soll bebaut werden; eine Bürgerinitiative engagiert sich für den Erhalt. © FFS | Socrates Tassos

Das Bündnis legt mit Bildern und Texten explizit den Finger in die Wunde: 2017 durfte sich Essen „Grüne Hauptstadt Europas“ nennen. Doch etliche der damals so hoch gelobten und gepflegten Grün- und Waldflächen könnten bald betoniert sein, warnen die Akteure. Denn vor allem in den großflächigen Investorenprojekten sehen die Bürgerinitiativen eine Gefahr für die so wertvollen Freiflächen und Frischluftschneisen der Ruhrgebietsmetropole.

Das Ziel: Stadtplanung gemeinsam mit den Bürgern gestalten

Einige Beispiele aus dem Kalender: Die dem Abriss preisgegebene Beitz-Villa, die die Stadt als nicht denkmalwürdig eingestuft hat. Der Bund Deutscher Architekten, Kreisgruppe Essen, reagierte auf die Entscheidung empört: Ein Haus, in dem Essens einziger Ehrenbürger (nach 1949) so viele Jahre lebte, könne man nicht einfach dem Abriss überantworten. Es sei ein Identitätsträger.

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Früher und heute: Der Massivbau an der Köndgenstraße gefällt nicht jedem. Weitere Bauprojekte wie das am Rü-Bogen sowie die Bauten des Parc Dunant oder die Wohnanlage am Meckenstocker Weg entsprechen in den Augen des Bündnisses nicht den Bedürfnissen der Menschen. „Wir wollen, dass ganz Essen stadtplanerisch überall und gleichwertig, gerecht, attraktiv, klimaangepasst, bürgerfreundlich, zukunftsorientiert und lebenswert gemeinsam mit den Bürgern gestaltet wird“, betont Estelle Fritz.

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Investorengesteuerte Stadtentwicklung kritisch hinterfragen

Dazu gehöre auch der Erhalt von Flächen und gewachsenen Strukturen: Gemeint ist der Klostergarten in Borbeck, die Grünanlage an der Kesselstraße, die Wiese am Plänkerweg/Feldwiese sowie der Messeparkplatz in Rüttenscheid, dessen Bebauung durch die Hopf-Gruppe gerade kontrovers diskutiert wird.

Als Weihnachtspräsent verschenken

Wer ein Druckexemplar des Kalenders (DIN A3) möchte, kann den Kalender für zwei Euro (Selbstabholung oder zzgl. Porto) anfragen unter: .

Es gibt zudem Exemplare (solange der Vorrat reicht) ab Montag, 21. Dezember, in der Troll Bäckerei, Rüttenscheider Straße 204 (www.trollbrot.de), im Laden „von Grünstadt“, Rellinghauser Straße 110 (www.vongruenstadt.de) oder nach dem Lockdown in der Buchhandlung Proust, Akazienallee (www.buchhandlung-proust.de).

Außerdem kann man den Kalender unter www.evaczaya.de/ herunterladen.

Dass in Kettwig die Villa Ruhnau dem Abrissbagger zum Opfer fallen soll oder auch der Wald auf der ehemaligen Tennisanlage in Ickten demnächst einem mehrstöckigen Wohnungsbauprojekt weichen könnte, wollen die Interessengemeinschaften verhindern – und gehen mit einem breit angelegten Bürgerprotest in die Offensive.

Zehn Initiativen und Interessengemeinschaften sind dabei

Der Kalender 2021, der ehrenamtlich und in Zusammenarbeit mit der Berliner Fotografin und Künstlerin Eva Czaya entstanden ist, soll ein weiterer Baustein sein, investorengesteuerte Stadtentwicklung kritisch zu hinterfragen. Die Verteilung an die Ratsmitglieder sieht das Bündnis als Appell und Mahnung, dass politische Mandatsträger eine hohe Verantwortung gegenüber den Bürgern und deren Interessen tragen.

Im Bündnis „Grüne Lungen für Essen“ sind inzwischen zehn Initiativen und Interessengemeinschaften engagiert: Bonnekamp-Stiftung, Bürger-Aktion Bochold, Bürgerinitiative „Meckenstocker Weg“, Bürgerinitiative „Rettet den Klostergarten!“, Initiative „Henri 2020“, Initiative „Rettet die Katernberger Grünflächen“, „Rettet Rüttenscheid“, Interessengemeinschaft Ickten, Nachbarschaftskreis Bögelsknappen und Waldforum.