Essen. Im Städte-Ranking der 50 größten deutschen Städte liegt Essen wie betoniert im letzten Drittel. Für eine ambitionierte Stadt ist das zu wenig.

Grau, aber immerhin – der legendäre Satz von Werber-Legende Vilim Vasata über das Essen der 1980er Jahre scheint das Urteil der Außenwelt immer noch zu prägen. Das allein kann aber nicht der Grund sein, warum Essen bei Städte-Rankings auch der seriösen Art regelmäßig so schwach abschneidet. Viele deutsche Städte teilen ja das Schicksal, dass ihnen die Geschichte keine übermäßig attraktive Stadtanlage geschenkt hat und dann die Kriegszerstörungen das Schöne weiter dezimierten. Dennoch haben andere nicht mit derart hartnäckigen Image-Problemen zu kämpfen, wobei Essen zumindest im Vergleich mit anderen Ruhr-Städten noch halbwegs gut dasteht.

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Doch kann uns nicht schlicht egal sein, was andere über Essen denken? Wir leben schließlich gern hier. So einfach ist es nicht, denn Image ist ein Wirtschaftsfaktor. Es geht dabei nicht nur um Städtereisen – da wird Essen wohl immer bestenfalls im Mittelfeld dabei sein. Die Bilder in den Köpfen, die Markenstärke einer Stadt, sind aber auch wichtig, wenn es um Investitionen, um Ansiedlungen von Unternehmen, um Start-ups und um die Zugkraft für Neubürger geht.

Günstig ist schön und gut, aber die teuren Städte wachsen trotzdem viel dynamischer

Als das Karriereportal Stepstone vor einigen Monaten die günstige Lebenshaltung und die niedrigen Mieten in Essen lobte, war die hiesige Wirtschaftsförderung schier aus dem Häuschen: Fachkräfte und Investoren, auf nach Essen! Übersehen wurde dabei, dass München, Düsseldorf oder Frankfurt ja keineswegs leerlaufen, nur weil man dort einen weit größeren Teil des Einkommens für das Wohnen hergeben muss. Ganz im Gegenteil, diese Städte wachsen weit dynamischer als Essen und platzen aus allen Nähten.

Für viele Leute gibt es also gute Gründe, weshalb Essen für sie nicht infrage kommt und die Stadt im Kreis der Top-Städte nicht mithalten kann. Image-Fragen dürften da keine geringe Rolle spielen – neben der offenkundig geringeren Attraktivität, für die sich durchaus objektive Kriterien anführen lassen. Bei aller unbedingt zu begrüßenden Heimatliebe sollte man eben immer realistisch bleiben. Essen nützt es jedenfalls nicht viel, relativ billig zu sein und die Wirtschaftsförderung sollte sich das auch nicht einreden. Das führt nur weg von der notwendigen Diskussion über Stadtqualität.

Führt die Begeisterung für die Industriekultur in die Sackgasse?

Interessant ist vor diesem Hintergrund der Überdruss an der „Industriekultur“, den EMG-Chef Richard Röhrhoff als Problem ausgemacht haben will und offensiv herausposaunt, wie es seine Art ist. Ein ketzerischer Gedanke. Sind die alten Industriegebäude, ihre denkmalgerechte Pflege und überwiegend kulturelle Nutzung etwa nicht das wichtigste und vielleicht sogar einzige Alleinstellungsmerkmal, das diese Region mit ihren relativ gleichförmigen Städten nach außen hin besitzt?

Mag sein. Und trotzdem steckt mehr als nur ein Körnchen Wahrheit darin, wenn Röhrhoff moniert, dass Industriekultur eben auch Industrie und Industrie nun einmal anrüchig ist. Touristiker stellen zudem schon länger einen Gewöhnungseffekt beim Publikum fest, nicht nur dem auswärtigen. Die alten Zechen hat man gesehen und abgehakt. Gibt’s sonst noch was?

In der Innenstadt steigt die Aufenthaltsqualität nicht etwa, sie sinkt

Bei dieser Frage sollte man nicht in Stottern geraten. Bei der Aufenthaltsqualität, um einen wichtigen Punkt zu nennen, muss sich gerade Essen sehr, sehr anstrengen, in der Innenstadt zum Beispiel läuft die Uhr eher rückwärts. Richtig war aber, dass im Zuge der Grünen Hauptstadt die durchaus konkurrenzfähigen landschaftlichen Qualitäten in Essen in den Blickpunkt gerückt sind. Eine neue Geschichte, die „draußen“ noch nicht so oft erzählt wurde. Und sie stimmt sogar.