Essen. Eine Agentur befragt seit vielen Jahren die Deutschen zur Markenstärke der 50 größten Städte. Essen liegt hinten, doch einen Lichtblick gibt es.
Kulturhauptstadt hin, Grüne Hauptstadt her – für das Image der Stadt Essen in Deutschland haben solche Etiketten wie auch manche Werbe-Bemühung noch keine große Wirkung erzielt. Das geht aus den aktuellen Daten des Stadtmarken-Monitors hervor, für den die Hamburger Agentur „Brandmeyer Markenberatung“ jährlich 10.000 Menschen zum Sympathiegrad, der Attraktivität und der Wirtschaftskraft der 50 größten deutschen Städte befragt. Essen schneidet dabei im Ranking 2020 schlecht ab, wenn auch nicht so katastrophal wie einige Nachbarstädte.
Essen auf Platz 40 – vor fast allen Ruhrstädten, aber weit entfernt von der Spitze
Während Duisburg den 50. Platz von 50 belegt, steht Essen auf Platz 40, lässt lediglich fast alle anderen Ruhrstädte sowie einige ostdeutsche Städte wie etwa Chemnitz hinter sich. Dortmund immerhin besetzt Platz 35, vermutlich spielt hier der BVB-Effekt eine Rolle. Die Spitze wird gehalten von den großen, auch touristisch etablierten Metropolen wie Hamburg oder München und von kleineren Städten, denen eine hohe Lebensqualität nachgesagt wird, etwa Freiburg oder Münster. Im breiten Mittelfeld finden sich dann eher unauffällige mittlere Großstädte wie Oldenburg oder Kassel, die Essen gleichwohl deutlich abhängen.
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Für die Marketing-Bemühungen der Stadt besonders betrüblich ist die Stagnation mit sogar leicht negativer Tendenz. Denn verglichen mit der gleichen Erhebung 2015 ist Essen sogar noch um zwei Plätze nach hinten gerutscht und ließ 2020 in der Gunst der Deutschen Bielefeld an sich vorbeiziehen. „Das Bild von Städten und Regionen ändert sich eben nur sehr, sehr langsam“, sagt Brandmeyer-Geschäftsführer Peter Pirck. „Der Wandel des Ruhrgebiets ist schlichtweg noch immer nicht in den Köpfen der Menschen in Deutschland angekommen.“
Bei jüngeren Befragten ist das Image der Stadt auffallend besser
Für Essen hat Pirck allerdings einen Lichtblick parat: „Auffällig ist: Bei jungen Menschen bis 29 Jahren ist die Wahrnehmung von Essen deutlich positiver.“ Das streicht auch Richard Röhrhoff heraus, der als Geschäftsführer der Essen Marketing GmbH am Image der Stadt arbeitet. Insgesamt sahen die Jüngeren bei der Gesamtbewertung Essen immerhin auf Platz 33. Bei Fragen nach Details wie der grundsätzlichen Bereitschaft, hier heimisch zu werden oder Essen als Ziel für eine Städtereise zu wählen, reicht es sogar für Platz 29.
„Die Älteren kriegen das Bild der Industriestadt nicht aus dem Kopf“, sagt Röhrhoff. Schuld daran sei auch das in Röhrhoffs Worten „ausgelutschte“ Thema Industriekultur, mit dem das Ruhrgebiet als Ganzes zu dominant werben würde. „Da kann der Himmel über der begrünten Halde noch so blau sein - am Ende ist das ein industrielles Bauwerk.“ Dem Imagewandel sei das genauso wenig zuträglich wie das große TV-gestützte Angebot an Ruhrgebiets-Kabarettisten und Blödelbarden, die nach Ansicht des EMG-Chefs „mit Ruhrpott-Dialekt den Asi spielen“. Da gebe es mittlerweile für seinen Geschmack des Guten zuviel.
„Woanders ist auch scheiße“ – EMG-Chef hasst diesen Satz
Röhrhoff würde sich etwas mehr Ehrgeiz der Essener wünschen, wenn es darum geht, das Image der Stadt „draußen“ zu verbessern. Zwar sei zu begrüßen, dass die Stadt in der Binnenwahrnehmung der eigenen Bürger gewonnen habe, doch drohe dies in Selbstzufriedenheit umschlagen nach dem Motto: „Ist doch egal, was die anderen denken.“
„Ich hasse diesen ironisch gemeinten, aber letztlich unterkomplexen Satz: Woanders ist auch scheiße“, bekennt Röhrhoff. Der Stadtmarken-Monitor zeige jedenfalls, dass sehr viele das anders sehen und Essen und die anderen Ruhrstädte in ihrer persönlichen Hierarchie weit nach unten durchreichen, während sie andere Städte schätzen.
Fast 70 Prozent wissen wenig von Essen und stützen ihre Meinung auf Klischees
Für Röhrhoff ist das Spannende die Spreizung, Essens Markenkern sei der Wandel. „Essen ist eine sehr alte Stadt, die weit im Mittelalter wurzelt, dann gab es eine relativ heftige Phase der Industrialisierung, und jetzt sind wir eine moderne Stadt.“ Die Brandmeyer-Studie zeige auch, dass 70 Prozent der Befragten gar kein konkretes und abgeschlossenes Bild von Essen hätten. Abgesehen vom Industrie-Klischee, gebe es wenig Konturen. „Da müssen wir ansetzen, da haben wir Chancen“, glaubt der EMG-Chef.
Wie weit der Weg noch ist, zeigen Details in der Befragung. So rangiert Essen bei der Umweltqualität noch einen Platz schlechter als in der Gesamtwertung. Gerade hier hoffte man, dank Grüner Hauptstadt schon weiter zu sein als nur Platz 41. Umgekehrt ist den Befragten bewusst, dass Wohnungsmieten und Hotelpreise, überhaupt die Lebenshaltung in Essen vergleichsweise günstig ist. Allein, es interessiert nicht besonders.
Neun Teilaspekte und weitere Unterpunkte
Aus neun Teilaspekten setzt sich das Markenstärke-Ranking zusammen, sie werden bei der Umfrage in drei Altersklassen abgefragt: Sympathie, gute Gründe zum Wohnen/Leben, Empfehlungsbereitschaft, guter Ruf der jeweiligen Stadt, Einzigartigkeit, Zuzugsbereitschaft, Ziel als Städtereise, zukünftige Entwicklung, Gesamtattraktivität
Die Attraktivität wird weiter unterteilt: Klares Bild, Lebensqualität, wirtschaftliche Stärke, Attraktivität der Innenstadt, Schönheit des Stadtbildes, Attraktivität für junge Leute, Attraktivität für Ältere, Attraktivität für Familien.
Auch Fragen zu relevanten Zukunftsthemen sind Teil der Erhebung: Klima- und Umweltschutz, Mobilitätsangebote, Digitalisierung, bezahlbarer Wohnraum und Sicherheit.