Essen. Stepstone hat errechnet, wo den Menschen von ihrem Gehalt das meiste Geld am Monatsende übrig bleibt. Essen punktet bei den Großstädten.

Es ist eher selten, dass es Essen in Wirtschaftsrankings an die Spitze schafft. Umso mehr Aufsehen sorgte jetzt die Stadt beim großen Kostenreport, den das Karriereportal Stepstone veröffentlicht hat. Dort landet Essen auf Platz 1 aller Großstädte in Deutschland.

Stepstone untersuchte in der Studie, wo in Deutschland den Arbeitnehmern von ihrem Gehalt am meisten Geld übrig bleibt. Um dies herauszufinden errechnete die Jobplattform für alle Kreise Deutschlands das Durchschnittsgehalt und verglich dies mit den regionalen Ausgaben für Miete, Nahrung, Mobilität und Freizeitaktivitäten.

Vielleicht nicht ganz überraschend: Nicht die Hotspots München, Frankfurt oder Berlin punkteten hier. Sondern die Stadt Essen, wo das Verhältnis zwischen Einkommen und Lebenshaltungskosten unter den 30 größten Städten am günstigsten ist. Dahinter liegen Wuppertal, Duisburg und Gelsenkirchen.

„Wir stehen im ständigen Wettbewerb mit den anderen deutschen Großstädten. Wenn allerdings in Essen nach Abzug der Lebenshaltungskosten mehr vom Einkommen übrig bleibt, ist das ein wesentlicher Aspekt, den Jobsuchende in ihre Überlegungen einfließen lassen“, ist Essens Wirtschaftsförderer Andre Boschem überzeugt.

Relativ hohe Gehälter in Essen

Einerseits profitiert Essen von einem recht guten Gehaltsgefüge. „Große Konzerne sorgen in der Einkaufsstadt für ein relativ hohes Lohnniveau“, heißt es in der Studie. Vor allem Chemiekonzerne wie Evonik, aber auch die großen Energieunternehmen Eon oder RWE, gehören zu Branchen, in denen vergleichsweise hohe Gehälter gezahlt werden.

Die Datenbasis für Essen

Das zu Grunde liegende Durchschnittseinkommen in Essen beträgt 61.836 Euro brutto (netto 37.102 Euro) im Jahr. Das sind jährlich rund 3051 Euro brutto mehr als das deutsche Durchschnittsgehalt, das Stepstone mit 58.785 Euro angibt.

Die Lebenshaltungskosten in Essen betragen insgesamt 21.751 Euro (Preise für Miete, Transport, Essen und Aktivitäten einbezogen). Das sind insgesamt jährlich fast 3000 Euro weniger im Vergleich zum Referenzwert für Deutschland gesamt (Lebenshaltungskosten von 24.690 Euro jährlich).

Die Gehälter, die in die vorliegende Studie einflossen, stammen aus dem Stepstone-Gehaltsreport (siehe Kasten). Nach Abzug der Ausgaben für Miete, Nahrung, Mobilität und Freizeitaktivitäten (Kino, Fitnessstudio etc.) bleiben einem Arbeitnehmer in Essen demnach noch 15.351 Euro im Jahr zum Leben. In München dagegen sind es im Schnitt nur 2970 Euro, fast ebenso wenig in Berlin.

Einige Beispiele, die zeigen, wie groß die Unterschiede sein können:

  • Eine Personalreferentin hat in Essen ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 33.068 Euro im Jahr. Nach Abzug der Kosten für Wohnung, Nahrung, Freizeit und Mobilität bleiben ihr 11.317 Euro. In Köln würde sie sogar etwas weniger Gehalt bekommen, nämlich 32.493 Euro. Wegen höherer Lebenshaltungskosten hätte sie am Jahresende nur 3200 Euro übrig.
  • Ein Elektroniker in München verdient mit rund 25.000 Euro netto ähnlich viel wie in Essen. In der bayerischen Landeshauptstadt würde er mit diesem Gehalt aber kaum über die Runden kommen. In Essen hat er noch 7500 Euro zum Leben.
  • Ein IT-Spezialist bekommt in Hamburg zwar mit 33.000 Euro etwa 1000 Euro netto mehr im Jahr. Ihm bleiben in Essen 7500 Euro, in Hamburg nur 100 Euro übrig.
  • Eine Leiterin Finanzbuchhaltung verdient in Essen 45.000 Euro im Jahr. Das sind 4000 Euro mehr als in Berlin. Während ihr Gehalt in der Bundeshauptstadt fast vollständig von den Lebenshaltungskosten aufgezehrt wird, hat sie in Essen noch 13.500 Euro zur Verfügung.

Niedrige Mieten in Essen

Es liegt also auf der Hand: „Am Ende des Monats entscheidet nicht nur das Gehalt, wie viel im Portemonnaie übrig bleibt. Wichtig sind auch die Lebenshaltungskosten – und die sind in Essen im bundesweiten Vergleich ganz besonders günstig“, erklärt der Arbeitsmarktexperte bei Stepstone, Tobias Zimmermann. „Wer beispielsweise aktuell in Düsseldorf arbeitet und über einen Umzug nach Essen nachdenkt, könnte damit monatlich laut unserer Beispielrechnung rund 1380 Euro sparen.“

Vor allem die Höhe der Miete spielt dabei eine entscheidende Rolle. In diesem Punkt hat Essen einen entscheidenden Kostenvorteil gegenüber vielen anderen Metropolen. So liegen die Wohnkosten, die Stepstone für seinen Kostenreport ermittelt hat, 14 Prozentpunkte unter dem bundesweiten Schnitt.

Standortvorteil für Unternehmen

Für Unternehmen können die Lebenshaltungskosten ein wichtiges Argument sein, um Fachkräfte anzulocken. „Sie können eine Rolle spielen, ob sich ein Bewerber für ein Unternehmen entscheidet“, bestätigt der Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV), Ulrich Kanders. Unternehmen würden dies bei Bewerbern durchaus auch ins Feld führen.

Die Sieger und Verlierer

Gesamtsieger der 395 untersuchten Städte und Landkreise ist Holzminden. Dort bleiben den Arbeitnehmern 17.650 Euro. Das Siegertreppchen komplettieren die Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz (16.760 Euro) und Leverkusen (16.738).

Am wenigsten bleibt Beschäftigten im Dahme-Spreewald-Kreis, in Ebersberg und in Fürstenfeldbruck.

Allerdings sind sie natürlich nicht allein entscheidend. Denn neben dem Gehalt spielen auch andere Faktoren bei der Jobwahl eine durchaus große Rolle. „Der Bauch muss auch wollen“, sagt Kanders. Doch gerade beim Image habe Essen wie das gesamte Ruhrgebiet nach wie vor noch aufzuholen.

Unternehmensverband fordert mehr Wohnungsbau

Kanders mahnt aber auch mehr Wohnungsbau in der Stadt an. Denn allein günstige Mieten nützten nichts, wenn es zu wenig attraktiven Wohnraum gebe. „Die Frage nach dem Wohnraum kommt in Bewerbungsgesprächen immer wieder“, meint der EUV-Chef. Gerade für Familien werde es aber schwieriger, diesen in Essen auch zu finden.

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