Essen. Eine Plattform hat Schätzwerte für Essener Wohnungen und Häuser ermittelt und ins Netz gestellt. Ein Experte ist skeptisch, was Scoperty angeht.

Immobilien sind auch in Essen in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Doch auch wer nicht aktuell verkaufen will, fragt sich wahrscheinlich dennoch immer mal wieder, was seine vor Jahren gekaufte Immobilie heute wert ist.

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Eine Antwort darauf will das Immobilien-Portal Scoperty liefern. Die Plattform hat den Wert Tausender Häuser und Wohnungen in Essen geschätzt und stellt diese seit kurzem für jeden einsehbar auf einer Google Maps basierten Karte dar.

Scoperty: 290.000 Essener Immobilien erfasst

Der Nutzer muss zunächst nur die Adresse eingeben und bekommt den Schätzwert der jeweiligen Immobilie angezeigt. Damit können auch Preise für Wohnungen oder Häuser abgerufen werden, die gar nicht zum Verkauf stehen. Nach Angaben von Scoperty sind mittlerweile rund 290.000 Immobilien in Essen auf der Karte erfasst.

Ein Schuss Voyeurismus dürfte also dabei sein, wenn sich Leute auf der Plattform dafür interessieren, was das Häuschen des Nachbarn oder gar das Anwesen des Chefs wert ist. Das Münchener Start-up hatte seine Plattform im vergangenen Jahr in fünf Großstädten gestartet und nach dem Test nun bundesweit ausgerollt.

Immobilien werden mit einem Algorithmus geschätzt

Scoperty sieht sein Angebot in erster Linie als Dienstleistung für Immobilienbesitzer. „Eigentümer können erstmals ohne Zutun den aktuellen Marktwert ihres Wohneigentums erfahren und ein reales Marktinteresse testen – ohne in einen verbindlicheren Kaufprozess einsteigen zu müssen und ohne Geld zu investieren“, erklärte Michael Kasch, Gründer und Geschäftsführer der Scoperty GmbH. Aber auch Kaufinteressenten können auf dem Portal unverbindliche Angebote abgeben.

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Scoperty ermittelt die Werte der Immobilien anhand mehrerer Parameter. Dazu zählen Gebäudeadresse, Gebäudekoordinaten, geschätzte Wohnfläche, geschätzte Grundstücksgröße, geschätztes Baujahr, Objekttyp, Anzahl der Privathaushalte. Ein Algorithmus berechnet dann den Schätzwert. Alle Daten seien öffentlich zugänglich, wenn auch zum Teil kostenpflichtig, sagt das Unternehmen auf Nachfrage.

Spanne der Schätzwerte ist groß

Auffällig ist, dass die Spanne der angezeigten Schätzwerte bei vielen Immobilien sehr groß ist und damit die Aussagekraft doch erheblich einschränkt. Unterschiede von über 100.000 Euro bei Häusern sind eher die Regel. Jeder Eigentümer kann jedoch mehr Angaben zu seiner Immobilie machen, um so den Schätzwert zu verbessern. Dafür muss er sich jedoch auf dem Portal registrieren.

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Bei einem Test der Redaktion meldete sich daraufhin ein Mitarbeiter von Scoperty und fragte nach dem Grund für die Anmeldung. Keine Überraschung, den Scoperty will mit dem Portal schließlich Geld verdienen, auch wenn das Geschäftsmodell auf den ersten Blick nicht sofort zu erkennen ist.

Danach gefragt sagt Kasch: „Wir erhalten von Maklern aus unserem Netzwerk sowie unserem Baufinanzierungspartner Interhyp eine Vergütung für Leads.“ Leads sind qualifizierte Kontakte mit Interessenten. Das heißt: Wenn gewollt, unterstützen Mitarbeiter des Start-ups Eigentümer gegen eine Gebühr bei der Vermarktung des Objektes und sie vermitteln Käufern auf Wunsch eine Finanzierung. Scoperty bietet zudem die Vermittlung eines Maklers an.

Wer hinter Scoperty steht

Gesellschafter des Start-ups Scoperty sind die niederländische Großbank ING und der Immobilienbewerter Sprengnetter . Beide haben kürzlich dem Unternehmen einen weiteren siebenstelligen Kapitalbetrag zur Verfügung gestellt. ING hält nach der Finanzierungsrunde 36 Prozent der Anteile, Sprengnetter 32 Prozent.

Scoperty hat nach einer Testphase seinen Online-Service für die Bewertung von Wohnimmobilien im November bundesweit ausgerollt. Schätzwerte für mehr als 35 Mio. Wohnimmobilien in ganz Deutschland sind nun auf dem Portal zu finden .

Immobilienbesitzer können auf dem Portal aber auch widersprechen, dass der Schätzwert für ihr Haus oder ihre Wohnung angezeigt wird. Der Eigentümerverband Haus & Grund in Essen sieht das neue Angebot eher kritisch. „Die Preisspannen sind doch sehr groß und somit wenig erhellend. Jede Bewertung einer Immobilie ist aber sehr individuell“, betonte Geschäftsführer Werner Weskamp.

Er rät, Immobilienverkäufe nicht übers Netz abzuwickeln. „Gerade unerfahrene Verkäufer sollten dafür einen seriösen Makler beauftragen“, sagte Weskamp und fügte hinzu: „Von solchen anonymen Plattformen würde ich die Finger lassen“. Zumal man dort meist nicht das Geschäftsinteresse sofort erkenne.