Essen. Die Insolvenz der Musikpalette sorgt für Betroffenheit. Clubs wie Turock, Delta und Hotel Shanghai planen aber schon für die Zeit nach Corona.
Die Nachricht von der Insolvenz der Essener Kult-Disco „Musikpalette“ hat in der Musikszene Betroffenheit ausgelöst. Denn viele Szene-Kenner fürchten, dass die Pleite der dienstältesten Essener Disco nicht die letzte ist. Dennoch sind die meisten der Essener Club-Betreiber um Zuversicht bemüht. „Wir versuchen alles, um zu überleben und werden da sein, wenn’s wieder losgeht“, gibt sich Peter Siewert vom Metal-Club „Turock“ optimistisch. Dank des Biergartens, so Siewert, habe man zumindest den Sommer nutzen können, um sich ein wenig Karenzzeit zu verschaffen. Doch der Clubbetreiber in der Essener Nordstadt weiß auch, dass trotz Überbrückungsgeld und beantragter November-Hilfe noch harte Monate vor der Veranstaltungsbranche liegen. „Die Perspektive ist, dass in den nächsten Monaten einfach nichts passieren wird.“
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„Wir werden den Laden mindestens bis März 2021 erst einmal einmotten“
Abwarten und Terminkalender umschreiben: Siewert tut derzeit nichts anderes. Eigentlich waren die Seiten für 2021 schon ziemlich gut gefüllt, die Wochenenden für etliche Veranstaltungen reserviert. Doch der neuerliche November-Lockdown und die nun beschlossene Verlängerung haben alle Pläne zunichte gemacht. „Viele Agenturen planen gar nicht mehr mit 2021“, sagt Siewert. „Jetzt werden Termine schon ins Jahr 2022, sogar 2023 verlegt.“ Auch die geplanten Konzerte am Wochenende in der Kreuzeskirche können nicht stattfinden. „Wir werden den Laden mindestens bis März nächsten Jahres erst einmal einmotten“, hat Siewert nun beschlossen.
Was danach kommt, weiß auch der 46-Jährige nicht. Ob sich im Sommer oder Herbst durch den Einsatz des neuen Impfstoffs wieder eine gewisse Unbeschwertheit einstellt oder die Besucher weiter vorsichtig bleiben, mag derzeit niemand absehen. „Wir werden Kredite aufnehmen und alles mögliche tun, um den Betrieb am Leben zu erhalten . Ich betreibe den Laden seit 16 Jahren. Das gibt man nicht einfach so auf“, sagt Siewert. Schließlich ginge es ja auch um den Erhalt eines zentralen Veranstaltungsortes in der an Ausgehmöglichkeiten nicht reich gesegneten Innenstadt.
„Wer weiß schon, ob es wieder losgeht, wenn es wieder losgehen darf“
Auch Roman Weiler ist zuversichtlich, dass Essens größte Disco, der Delta Musikpark , nach der Corona-Krise wieder aufschließen wird. Für den Geschäftsführer wird es danach erst spannend: „Wer weiß schon, ob es wieder losgeht, wenn es wieder losgehen darf.“ Denn wie die Menschen reagieren, wenn Social Distancing nicht mehr das höchste Gebot ist, das weiß momentan keiner. Ungewiss ist auch, wie das Geschäft mit Firmen-Events in Zukunft läuft, die fast die Hälfe des Delta-Geschäftes ausmachen. „Aktuell bucht keiner ein Firmen-Event, es gibt höchstes Anfragen.“
Auch bei den Eigenveranstaltungen bleibt Weiler eher vorsichtig. Die Planungen für ein Open-Air im Sommer müssten jetzt eigentlich anlaufen, doch der Delta-Geschäftsführer rechnet noch lange nicht mit großen Besucherzahlen. „Ich brauche aber die große Auslastung“, sagt Weiler. 400 Gäste auf 10.000 Quadratmetern zu verteilen, sei wirtschaftlich einfach nicht tragbar. „Und die Leute haben daran ja auch keinen Spaß.“
Clubikone Kay Shanghai arbeitet an einem neuen Corona-kompatiblen Konzept
Eher klein und intim geht es im Club Hotel Shanghai zu. Dort bastelt Clubikone Kay Shanghai derzeit an einem Konzept, das auch unter Pandemie-Bedingungen funktionieren kann. Ob es um die technische Aufrüstung von Belüftungsanlagen geht oder ein neues Open-Air-Konzept, will der erfahrene Partyveranstalter noch nicht verraten. Wenn das Hotel Shanghai Mitte Dezember Geburtstag feiert , soll es jedenfalls auch eine neue Perspektive für die legendäre Partyadresse geben, wo gelegentlich auch schon mal Stars wie Schauspieler Lars Eidinger auflegen.
„Wir fangen gerade an, die ersten Künstler wieder anzufragen. Auch wenn wir nicht wissen, ob es stattfinden kann“, sagt Kay Shanghai. Der Clubbetreiber hofft dabei auch auf die Unterstützung von Stadt und Land. Als „Kulturbetrieb in der freien Wirtschaft“ habe man all die Jahre keine Subventionen beantragt, doch nun gehe es darum, auch Clubs wie das Hotel Shanghai mit zuletzt 110 Live-Veranstaltungen pro Jahr als wichtige Spielstätte zu begreifen.
Die Clubs würden nicht nur die Attraktivität einer Stadt ausmachen, sondern auch als wichtige Startrampe fungieren: Wir sind dafür da, die Künstler groß zu machen“, sagt Kay Shanghai und nennt Bands wie beispielsweise die angesagte österreichische Gruppe „Wanda“ , „die schon ein halbes Jahr später in die Tausender-Hallen gehen“. Der Clubbetreiber hofft nun auf Rückendeckung aus der Politik. Sonst, fürchtet Kay Shanghai, „wird es noch anderen so gehen wie den Kollegen in der Musikpalette.“