Essen. An allen Essener Krankenhäusern ist das Pflegepersonal hoch belastet. Die Lage sei angespannt, aber noch nicht kritisch, heißt es am Uniklinikum.
Corona trifft die Essener Krankenhäuser mit doppelter Wucht: Zum einen wird das Pflegepersonal durch die Betreuung der Covid-19-Patienten besonders gefordert. Zum anderen fallen vermehrt auch Pflegekräfte aus, weil sie sich infiziert haben oder unter Quarantäne gestellt wurden. „Die Situation ist angespannt, aber nicht kritisch“, sagt Andrea Schmidt-Rumposch, die Pflegedirektorin des Uniklinikums, das die meisten Corona-Patienten behandelt .
Aktuell erschüttert der Fall eines Arztes, der zwei schwerstkranke Patienten getötet haben soll, das Haus . Die Situation der Pflegekräfte hatte uns die Pflegedirektorin vor Bekanntwerden dieser Vorfälle geschildert.
Die Uniklinik versicherte etwa – wie aktuell alle Krankenhausträger in der Stadt –, dass man noch keine Urlaubssperren habe aussprechen müssen und bislang auch keine für die Weihnachtszeit geplant seien. Allerdings weist Andrea Schmidt-Rumposch darauf hin, dass solche Maßnahmen tagesaktuell entschieden werden müssten: „Wir befinden uns in einer ausgesprochen dynamischen Lage .“
Corona-Pandemie verschärft den Fachkräftemangel
2600 Pflegefachkräfte sind an der Uniklinik angestellt, 40 Vollzeitstellen sind derzeit nicht besetzt. „Die Corona-Pandemie hat den Fachkräftemangel nochmals offengelegt und verstärkt.“ Keinesfalls könne man hochqualifizierte Intensivpflegekräfte einfach „durch Personen ersetzen, die eine Kurzschulung hinter sich gebracht haben“. Man habe aber schon im Frühjahr einen Appell an ehemalige Pflegekräfte, Mitarbeiter in Elternzeit und in die Verwaltung gewechselte Kräfte gerichtet, bei der Versorgung zu helfen. Auch Medizinstudenten folgten dem Ruf.
Nun gebe es wieder ein erhöhtes Risiko von Ausfallzeiten von Mitarbeitern. So müsse ja schon bei Erkältungssymptomen des Kindes ein Elternteil zu Hause bleiben und falle aus. Man müsse aufpassen, das Pflegepersonal nicht zu überlasten, betont Andrea Schmidt-Rumposch. „Wir stehen erst am Anfang einer zweiten Welle und haben noch viele Monate vor uns.“
Corona-Einsatzteam muss die Lage stets neu bewerten
An den Kliniken Essen Mitte (KEM), zu denen das Huyssensstift gehört, gibt es (Stand Freitag, 20.11.) 20 positiv auf Corona getestete Mitarbeiter, weitere 51 sind vorsorglich in Quarantäne. Außerdem behandle man derzeit 24 corona-positive Patienten, sagt KEM-Unternehmenssprecherin Sabine Loh. Insgesamt gebe es auf den Intensivstationen der drei Klinikstandorte „eine jahreszeittypische Auslastung“. Die Versorgung sei garantiert, zumal die Intensivmedizin noch nicht von Personalausfällen betroffen sei. Unter den 1200 Pflegekräften sind 83 Intensivpfleger; zwölf sollen 2021 hinzukommen.
Loh erklärt, dass die Kliniken Essen-Mitte an ihrer Krankenpflegeschule verstärkt ausbilden. Auch habe man seit Beginn der Pandemie elf Pflegekräfte so geschult, dass sie „im Ernstfall“ die Pflegeteams verstärken könnten. „Grundsätzlich ist es eine hochdynamische Situation, die andauernd neu bewertet wird von unserem Corona-Einsatzteam.“
Stressbewältigung durch Fotoaktion, Meditation, Waffelbacken
Die Essener Krankenhausträger bemühen sich, ihren Pflegekräften einen Ausgleich zu bieten. So gibt es im Krupp-Krankenhaus ein Weiterbildungsprogramm, das auch Kurse zur Stressbewältigung umfasst: von Ressourcenstärkung über Kommunikationsstrategien bis zu Resilienz- oder Deeskalationstraining.
Die Kliniken Essen Mitte (KEM) sorgen seit der ersten Corona-Phase mit Eiswagen, Foodtrucks, Sommerfoto-Aktion oder Waffelbacken für „KEMs Momente“. Über die Social-Media-Kanäle werden Videos mit Ernährungstipps und Entspannungsübungen verbreitet. Aktuell läuft die Aktion „Corona nervt“, bei der Mitarbeiter „Dampf ablassen können“.
Auch unabhängig von der Pandemie tue man einiges, damit Mitarbeiter Beruf und Privatleben „unter einen Hut zu bekommen“ können, heißt es bei der Uniklinik . So gebe es Angebote der Bildungsakademie zu Achtsamkeit oder Resilienz; in Kürze starte eine Meditations-App.
Außerdem weisen die KEM darauf hin, dass sie mit dem Dezember-Gehalt den sogenannten Corona-Bonus für die Pflegekräfte ausschütten. Sigrid Jakob, Prokuristin im Krupp-Krankenhaus weist auf diese Sonderzahlung hin.
Auf eine neue Lage stellt sich auch das Krupp-Krankenhaus ein: „Im Gegensatz zum Frühjahr kommen jetzt auch mehr Covid-19-Patienten zu uns.“ Man habe nicht nur die Zahl der Intensiv-, Überwachungs- und Isolationsbetten erhöht, sondern die Bereiche auch personell verstärkt. „Die Betreuung schwer erkrankter, isolierter Patienten ist sehr personalintensiv“, betont Pflegedirektor Dr. Dirk Ashauer. Man erlebe unter den 1000 Kräften in der Pflege viel Solidarität. „Bereits im März haben sich Mitarbeiter eigeninitiativ gemeldet, um die Stationen zu unterstützen. Ihre Kollegen der Intensivstation haben sie in den letzten Monaten geschult und gut vorbereitet.“
Eine bisher unbekannte gesellschaftliche Herausforderung
Den Willen, sich fortzubilden, hat man auch in den Kliniken der Contilia-Gruppe beobachtet: Schon während der ersten Corona-Welle hätten Mitarbeiter angeboten, sich zu schulen, „um im Bedarfsfall unterstützen zu können“, sagt Unternehmenssprecher Thomas Kalhöfer. Gewinnung und Ausbildung von Pflegekräften sei ohnehin eine „permanente Aufgabe“. Die Contilia beschäftige 2500 Pflegekräfte, davon gut zehn Prozent mit Intensivfachausbildung.
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Trotz der guten Ausgangslage wirke sich die „Corona-Situation“ etwa durch Mitarbeiter in Quarantäne auf die Stellenpläne aus. Dazu komme, „dass die Pflege von Corona-Patienten allein aufgrund der notwendigen Schutzausrüstung besonders zeitaufwendig ist“, sagt Kalhöfer, der die „beispielhafte Zusammenarbeit“ der Essener Krankenhäuser lobt. Ohne die wäre die Situation wohl kaum zu meistern: „Die Bewältigung der Corona-Pandemie ist eine in dieser Form bisher unbekannte gesellschaftliche Herausforderung.“
Was die Pflegekräfte in dieser Krise angehe, könne man sie nicht mit „gelegentlichen Motivationsspritzen“ bei der Stange halten, betont die Pflegedirektorin der Uniklinik, Andrea Schmidt-Rumposch: „Es ist und bleib relevant, die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig zu verbessern. Hierbei ist auch die Politik gefragt.“
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