Essen. Die Restaurants müssen bereits am Montag für einen Monat schließen. Was das nun für Gastronomen heißt, zeigt das Beispiel Haus Gimken in Essen.
Stefan Malich hat die Nacht im Büro verbracht. „Ich saß lange am Schreibtisch, um Strategien und Lösungen für unser Unternehmen zu entwickeln und vorzubereiten“, sagt der Geschäftsführer vom Hotel und Restaurant Haus Gimken in Borbeck.
Erst wenige Stunden ist es zu diesem Zeitpunkt her, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten einen erneuten Lockdown für die Gastronomie ankündigten. Malich hatte, wenn überhaupt, mit einem Lockdown erst am 4. November gerechnet. So stand es ursprünglich in der Beschlussvorlage, die die Regierung im Vorfeld des Treffens mit den Ländern erarbeitet hatte. Doch dann kam am Mittwochnachmittag die Nachricht, dass es schon ab 2. November soweit sein würde, am kommenden Montag also. „Ich bin in ein regelrechtes Loch gefallen“, sagt Stefan Malich und macht seinem Ärger Luft: „Man braucht doch als Gastronom Vorlauf, um so etwas vorzubereiten.“
Gastronomen bleibt wenig Zeit, sich auf den Lockdown vorzubereiten
Malich rechnet nun damit, dass er viele Waren im Lager wegwerfen muss, weil er sie nicht mehr abverkaufen kann. Vieles davon könne man nicht vorkochen und einfrieren. „Wir haben eine hochwertige Küche mit entsprechend hochwertigen Lebensmitteln. Da gehen jetzt ein paar tausend Euro durch den Kamin.“
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Die kommenden Wochen werden hart. Am Donnerstagmittag musste Malich seinen 23 Beschäftigen im Unternehmen verkünden, dass der Großteil von ihnen ab Montag in Kurzarbeit gehen muss. Entlassen wird er niemanden. Es sei schließlich gerade in der Gastronomie schwer, gutes Personal zu finden.
Schon am Donnerstagvormittag waren die Mitarbeiter dabei, Reservierungen im Hotel und im Restaurant wieder abzusagen. Malich hat ausgerechnet, dass ihm allein mit den Vorbestellungen rund 35.000 Euro Umsatz im November wegbrechen. Er selbst wird die kommenden vier Wochen an der Rezeption sitzen, um Gästeanrufe entgegenzunehmen und vielleicht noch den einen oder anderen Geschäftsreisenden in Empfang zu nehmen. Viele seiner 25 Zimmer aber dürften leer bleiben.
Im Großmarkt sind Aluschalen und Warmhalteboxen vergriffen
Malich hat gegrübelt, wie er in den bevorstehenden Wochen wenigstens etwas Umsatz retten kann. Die Hotelzimmer will er als Homeoffice-Alternative anbieten. Auch über einen Abhol- und Lieferservice hat er nachgedacht. „Aber das stellt man nicht von heute auf morgen auf die Beine“, betont er.
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Einen Dämpfer gab es außerdem am Donnerstagmorgen. Sein Chefkoch wollte im Großmarkt Warmhalteboxen und Aluschalen besorgen. Doch die seien da schon vergriffen gewesen. „Ohne entsprechendes Material kann man einen Lieferservice natürlich gleich vergessen“, stellt er ernüchtert fest.
Der Lockdown kommt für Haus Gimken zur Unzeit. Erst im April war der Hotel- und Restaurantbetrieb neu gestartet - mitten in der Corona-Krise. Die bisherige Betreiberfamilie wollte das Haus nicht mehr weiterführen. Horst Becker, ein Freund der Wirtsfamilie, kaufte das Unternehmen und setzte den Unternehmensberater Stefan Malich als Geschäftsführer ein. Eine sechsstellige Summe investierte Becker, um die Gastwirtschaft auf neue Beine zu stellen.
Sommergeschäft lief trotz Corona gut
Der 11. Mai, das Ende des ersten Lockdowns, war dann der Neubeginn. Der sonnige Sommer bescherte Haus Gimken trotz Corona ein gutes Geschäft. „Es lief überraschend gut“, sagt Malich - auch dank des großen und neugestalteten Biergartens. An manchen Tagen hätte er die Tische draußen dreimal vergeben können, so gut sei das neue Konzept des Hauses angenommen worden. Jetzt, in der kälteren Jahreszeit, spüre man zwar schon, dass die Leute zurückhaltender sind als noch im Sommer. Aber an den zurückliegenden Wochenenden sei das Restaurant weiterhin ausgebucht gewesen.
Dass die Politik der Gastronomie nun eine Zwangsschließung verordnet, ist in den Augen von Malich „völlig unangemessen“. Bislang habe niemand nachweisen können, dass die Gastronomie ein ausgewiesener Infektionsherd ist. Malich hat erinnert an das jüngste Interview mit dem Essener Virologen Ulf Dittmer. Dittmer hatte darin sinngemäß erklärt, dass bislang kein Fall in der Gastronomie bekannt sei, aus dem eine große Infektionskette hervorging.
Gastronom hält Lockdown in der Gastronomie für unverhältnismäßig
„Wir haben uns an alles gehalten, was uns die Politik vorgegeben hat. Unsere Mitarbeiter sind geschult, tragen Masken. Wir haben eine Einbahnregelung im Haus, so dass sich Menschen nicht zu nahe kommen. Haben überteuertes Desinfektionsmittel gekauft, haben mehr Reinigungskräfte. Wir haben in den Biergarten investiert, Heizstrahler angeschafft und zuletzt fast 10.000 Euro in zwei Luftreinigungsgeräte investiert. Und zum Dank sagt die Politik, dass wir schließen müssen. Ich kann das nicht nachvollziehen.“
Mit Kopfschütteln habe er am Donnerstag gelesen, dass die Stadt Essen vorläufig noch am Weihnachtsmarkt festhalten will. „Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?“, fragt er. Die Stadt ist bei den Gastronomien allerdings außen vor, der OB hat mehrfach erklärt, er halte ähnlich wie Virologe Dittmer Restaurants nicht für Infektionstreiber. Allein, die Stadt entscheidet in diesem Fall nicht.
Die Aussicht auf Ausgleichszahlungen macht auch nicht gelassener
Dass die Regierung den Gastronomen recht üppige Ausgleichszahlungen versprochen hat, macht Stefan Malich nicht gelassener. „Ich halte es da mit dem Spruch, dass man das Fell des Bären erst dann verteilen kann, wenn er erlegt ist.“ Schließlich sei noch offen, ob das mit EU-Recht vereinbar ist.
Gerechnet hat er dennoch schon, wie viel sein Haus maximal zu erwarten hat, wenn man den Umsatz aus dem November 2019 heranzieht. Vielleicht blieben dann nach Abzug der Personalkosten 10.000 Euro übrig. Für einen recht großen Betrieb sei das wenig.
Und dennoch ist Haus Gimken in der komfortablen Lage, mit dem Immobilienunternehmer Horst Becker einen finanzkräftigen Investor im Rücken zu haben. „Aber was ist mit den Kollegen, die das nicht haben? Mancher wird den zweiten Lockdown wohl nicht überleben“, ist Malich daher überzeugt.