Essen. Diskussion um angeblich rassistische Inhalte im Landtag: Innenminister sieht in dem Polizei-Heft keinen Anlass für dienstrechtliche Maßnahmen.
Eine Broschüre der Essener Polizei über „Arabische Familienclans“ hat über die Stadtgrenzen hinaus für Schlagzeilen und nach Bekanntwerden der rechten Whatsapp-Chats nicht zuletzt für die Forderung des SPD-Landtagsabgeordneten Serdar Yüksel gesorgt, der Innenminister möge doch bitte Polizeipräsident Frank Richter absetzen. Doch der stärkte dem Essener Behördenleiter bislang den Rücken - und tut es trotz aller Kritik offenbar auch weiterhin.
Nachdem eine Ministeriumssprecherin bereits vor einem Monat gesagt hatte, dass der oberste Dienstherr der NRW-Polizei keinen Grund sehe, warum Richter sein Amt nicht weiter ausüben solle, macht Herbert Reul am Donnerstag im Innenausschuss des Landtages seine Haltung noch einmal deutlich: „Die Inhalte der Broschüre geben keinen Anlass für dienstaufsichtliche Maßnahmen“, heißt es in einem Bericht als Antwort auf einen entsprechenden Antrag der Landtagsfraktion der Grünen.
Um die Handlungssicherheit von Polizisten zu verbessern
„Nach der fachlichen Bewertung des Landeskriminalamts NRW können die Inhalte des Dokumentes dazu dienen, die Handlungssicherheit von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten in Einsatzlagen zu verbessern und mögliche Eskalationen von vornherein zu vermeiden“, lautet die Stellungnahme: „Die Broschüre wird beim Polizeipräsidium Essen weiterhin ausgehändigt, wenn Kooperationspartner im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Clankriminalität darum bitten und wenn polizeiinternes Informationsinteresse daran besteht.“ Sie sei weiterhin im Intranet der Polizei und auch öffentlich im Internet abrufbar.
Nach der Kritik an „einem Sammelsurium aus Stereotypen“ und „rassistischen Komponenten“ hatte die Behörde selbst das Heft öffentlich gemacht. In einer begleitenden Mitteilung hieß es, dass es dem Polizeipräsidium ein Anliegen gewesen sei, „aus externer professioneller und wissenschaftlicher Sicht das Phänomen ,Arabische Familienclans’ zu analysieren. Ergänzend veröffentlichte die Essener Polizei eine Liste mit Internet-Links zu wissenschaftlichen Abhandlungen der Autorin Dorothee Dienstbühl, Professorin an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, zum Thema Clan-Kriminalität.
Bei Clans gebe es eine verbreitete Angst vor Hunden
In der 20-seitigen Broschüre „Arabische Familienclans. Historie. Analyse. Ansätze zur Bekämpfung“ führt Dienstbühl unter anderem aus, dass es bei Clans eine „verbreitete Angst vor Hunden“ gebe. Daher gebe sie die praktische Empfehlung, „Hundestaffeln einzusetzen, um eine schnellere Kooperationsbereitschaft in Tumultlagen herzustellen“. Laut Dienstbühl gehe es jedoch nicht darum, Hunde auf Araber zu hetzen, sondern so für Ruhe sorgen zu können.
Danach heißt es zum Beispiel: Polizistinnen hätten ebenfalls eine Wirkung auf Clanmitglieder. Gerade junge Beamtinnen stünden deren Weltbild „diametral entgegen“. Treten Polizistinnen entsprechend aggressiv auf, setzen sich durch und „dominieren den Mann (z.B. in der Festnahme), kann dies dessen Ehre verletzen“. Diese Einschätzung, so Dienstbühl, soll Polizeibeamtinnen helfen, eine Einsatzlage besser beurteilen zu können. Und bereits in der Einleitung spricht die Professorin von einer notwendigen „Kollektivbetrachtung“. Natürlich seien nicht alle Clanmitglieder kriminell – andererseits seien „grundlegende Denkmuster“ bei allen vorhanden.
Zu generalisieren sei Alltagsarbeit in der Kriminalistik
Nach der massiven Kritik aus Reihen der Opposition im NRW-Landtag hatte CDU-Fraktionsvize Gregor Golland den Ansatz der Broschüre verteidigt: „Wer Beamten helfen will, kriminelle Clan-Mitglieder zu erkennen, zu verstehen und mit ihnen umzugehen, der muss regelmäßig wiederkehrende Verhaltensweisen ein Stück weit generalisieren.“ Dies sei Alltagsarbeit in der Kriminalistik, wenn gesellschaftliche Gruppen und Subkulturen betrachtet würden.
Den Vorstoß Serdar Yüksels (SPD) konterte Golland gegenüber dieser Zeitung mit den Worten: „Bei ihren politischen Angriffen gegen die Polizei kennen manche SPD-Genossen weder Freund noch Feind und schießen nun schon unfair und unsachlich gegen die eigenen Leute wie den anerkannten Polizeipräsidenten von Essen, Frank Richter.“