Essen. Pianist Ronald Brautigam ist wie nur wenige mit den Besonderheiten von Hammerflügeln vertraut. In Essen forderte er sich und das Publikum heraus.

Alle 32 Klaviersonaten Ludwig van Beethovens auf Hammerflügeln des frühen 19. Jahrhunderts zyklisch zu präsentieren: Dieses ehrgeizige Ziel muss in Corona-Zeiten vorerst ein Wunschtraum bleiben. Ganz leer gehen die Fans des Klavier-Festivals Ruhr dennoch nicht aus. Für zwei Abende konnte Intendant Prof. Franz-Xaver Ohnesorg mit dem niederländischen Pianisten Ronald Brautigam einen Musiker gewinnen, der wie nur wenige andere mit den Besonderheiten von Hammerflügeln vertraut ist.

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Vor allem seine CD-Einspielungen der Beethoven-Sonaten auf solchen Klavieren genießen bei Kennern und Liebhabern Kult-Status. Für den ersten Abend im Haus Fuhr stand Brautigam ein prachtvolles Instrument von Conrad Graf aus Beethovens vorletztem Lebensjahr 1826 zur Verfügung. Ein klanglich voluminöses, gleichwohl in den höchsten Tönen und stärksten Forte-Graden samten klingendes Instrument mit leichtgängiger Anschlagsmechanik, mit dem sich auch heikle spieltechnische Anforderungen der anspruchsvollen Werke meistern lassen und das auch Skeptiker von den Chancen historischer Tasteninstrumente überzeugen dürfte.

Mit energievollem Zugriff und angemessener Ausdruckstiefe

Mit der kleinen Sonate op. 54, der bekannten „Les Adieux“-Sonate op. 81 und den gewaltigen letzten beiden Werken des Zyklus op. 110 und op. 111 forderte Brautigam sich, dem Instrument und dem Publikum ein Menge ab. Mit seiner großen Erfahrung vermag er die Vorteile des Instruments in vollen Zügen auszuspielen. Die unterschiedlichen Stimmungslagen der vier Werke arbeitet er mit höchster Konzentration, souveräner formaler Übersicht und spieltechnischer Perfektion aus.

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Das führt natürlich vor allem in den komplexen Sätzen der letzten Sonaten, dem collagenhaft zersplitterten Adagio der 31. Sonate op. 110 und dem vielgestaltigen Variationssatz der letzten Sonate op. 111 zu beeindruckenden Hörerlebnissen. Ein rundum überzeugender Vortrag mit ausgeglichener Balance zwischen energievollem Zugriff und angemessener Ausdruckstiefe. Das Publikum reagierte mit lang anhaltendem Beifall. Auf eine Zugabe wartete es vergebens. Nach der c-Moll-Sonate wäre „Für Elise“ auch denkbar unangebracht.

Am Sonntag, 20. September, folgt um 18 Uhr im Haus Fuhr der zweite Auftritt Ronald Brautigams.