Essen. Der Essener Markus Behr schreibt mit „Vaterschaftstest“ einen amüsanten Debütroman, der von Wahlverwandtschaften jenseits aller Gen-Tests erzählt.

Den Typus des krisengeschüttelten, von einer Schamhaftigkeit in die nächste taumelnden Helden – den kennen wir aus Frank Goosens Revier-Romanen mindestens so gut wie jene Menschen, mit denen wir seit Jahrzehnten unsere Gartenzäune und Mülltonnen teilen. Vielleicht erklärt dies die magische Vertrautheit, mit der Markus Behrs Romanheld ins Leben hiesiger Leser stolpert: Dieser Fabian Weinert nämlich könnte einem Goosen-Roman entsprungen sein, hat sich jedoch, einige Selbstfindungskurse später, immerhin zum Lehrerberuf und der damit einhergehenden Existenzsicherung durchgerungen.

Mit dem Roman beginnen auch die Sommerferien, die für Fabian allerdings vor allem Arbeit bedeuten sollen, am eigenen Selbst nämlich. Auf Geheiß seiner Therapeutin Frau Goncalvez unterteilt er seine Lebensminuten in angenehme („allein sein, nachdem die Gäste gegangen sind“) und nicht so angenehme („nach Socken suchen“), was sein Schöpfer Behr auf höchst angenehme, nämlich unaufgeregte Weise literarisch darbietet.

Markus Behr hat einen sehr modernen Anti-Helden geschaffen

Weinerts akribisch geführtes Listen-Leben wird – natürlich – unterbrochen vom Unerwarteten. Das Unerwartete trägt die Namen Ronja und Leonie und ist 16 Jahre alt. In einem Eiscafé schieben die eineiigen Zwillinge Fabian einen Zettel zu: „Sie sind unser Vater“. Zwar hat Fabian den Namen der Mutter noch nie gehört, doch soll er einst mit ihr gemeinsam eine Party besucht haben. Und einen gemeinsamen alkoholischen Filmriss (plus 16 Jahre) später steht sein Name auf einer Liste, die er gar selbst nicht angefertigt hat – jener der potenziellen Erzeuger. Die größte Überraschung dabei ist für Fabian, dass er womöglich doch keine Jungfrau mehr ist – was er bislang glaubte und zurückführte auf eine körperliche ebenso wie seelische Deformation.

Markus Behr weiß um die Fallstricke seiner literarischen Konstruktion und stellt klar: Die Mutter von Ronja und Leonie war an deren Zeugung höchst freiwillig beteiligt und hat sie ebenso freiwillig zur Adoption freigegeben. Das Drama, das diese Vorgänge auch sein könnten, umschifft er zugunsten einer Charakterstudie, in der heutige Männerängste rasiermesserscharf überspitzt ausgespielt werden. So ist „Namen früherer Mitschüler bei Google eingeben“ eine sehr angenehme Tätigkeit, bei den darauffolgenden Treffen aber über das eigene Dasein befragt werden – eher weniger.

Lehrer, Kabarettist, Hörspiel-Produzent, Schauspieler – und Schriftsteller

Markus Behr, der in Essen lebt und wie sein Held als Lehrer (eines Abendgymnasiums) sein Geld verdient, hat langjährige Erfahrung als Autor kabarettistischer Kleinode sowie als Hörspiel-Produzent, stand mit Live-Hörspielen ebenso auf der Bühne wie als Schauspieler der Studio-Bühne Essen. Die Bühnenerfahrung, die er mit Frank Goosen teilt, ist deutlich in die Szenen des Romans eingeflossen – wenn sich jenseits aller DNA-Analyse hier Wahlverwandtschaften ergeben, dann so lebendig und dem Leben auf den plaudernden Mund geschaut, dass „diesen Roman lesen“ unbedingt auf die Liste angenehmer Tätigkeiten gehört.

Markus Behr: Vaterschaftstest. Wagenbach, 192 S., 12,90 €