Essen. Das Hallenbad wird doppelt, der Fischlift erheblich und die neue Brücke viel teurer als geplant. Warum in Essen die Baukosten oft explodieren.

Im Nordwesten Essens wird 2021 ein neues Hallenbad gebaut. An der Germaniastraße in Borbeck wird es stehen und soll neben Sport- und Lehrschwimmbecken, ein Sportzentrum sowie eine Turnhalle enthalten. Die Bauarbeiten haben noch gar nicht begonnen, da steigen die Kosten schon in die Höhe – und zwar um satte 123 Prozent: 10,3 Millionen waren mal geplant, jetzt sind es schon 23 Millionen Euro.

Es würde nicht überraschen, stiegen die Kosten noch weiter, wenn die Bagger erstmal ihre Motoren angeworfen haben. Beispiele dafür gibt es schließlich jede Menge. Eine Auswahl gefällig?

  • Die neue Kampmannbrücke zwischen Heisingen und Kupferdreh etwa hat die Steuerzahler 16,4 Millionen Euro gekostet. Der Baubeschluss sah einst 11,4 Millionen Euro vor.
  • Beim Fischlift am Baldeneysee werden jetzt nicht nur Fische in die Höhe gehievt, auch die Baukosten sind in die Höhe geschossen: 6,8 statt 4 Millionen Euro stehen auf der Rechnung.
  • Das Wirtschaftsgebäude am Borbecker Schloss sollte für drei Millionen Euro saniert werden, es wurden 4,66 Millionen.
  • An der Raumerstraße in Frohnhausen errichtet die Stadt derzeit Essens ersten Hybridrasen. Zunächst hatte sie 1,08 Millionen Euro eingeplant, nun müsse sie mit weiteren 200.000 bis 300.000 Euro rechnen. Ein Antrag an die Landesregierung zur Finanzierung sei bereits gestellt.
  • Seit zwei Jahren wird die Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck neu gebaut. Insgesamt bedarf es dafür 63,75 Millionen Euro, nachdem die Stadt zunächst mit 48,3 Millionen Euro geplant hatte.

Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Immer wieder steigen die Kosten für Bauprojekte der öffentlichen Hand rapide in die Höhe. Nachrichten darüber werden inzwischen eher achselzuckend denn verärgert zur Kenntnis genommen. Dem Bund der Steuerzahler in NRW sind die Kostenexplosionen zwar alles andere als gleichgültig, angesichts der schier unzähligen verteuerten Bauprojekte jedoch, verliere man auch dort schon mal den Überblick, berichtet Bärbel Hildebrand.

Bund der Steuerzahler: „Städte planen Bauprojekte häufig nicht sorgfältig“

„Grundsätzlich“, so erklärt die Steuerzahler-Sprecherin, „sind wir der Ansicht, dass die Städte Bauprojekte häufig nicht sorgfältig genug planen. Anträge werden im Eiltempo durch Ausschüsse und den Stadtrat gejagt. Nicht selten, weil sonst die Frist für irgendwelche Fördertöpfe des Bundes oder Landes auszulaufen drohen.“

Außerdem habe der Bund der Steuerzahler die Erfahrung gemacht, dass Städte bei der Sanierung von Altbestand Baupreissteigerungen nicht realistisch einkalkulierten. „Jeder, der in einem Altbau mal die Decke abgenommen hat, weiß, welche Wundertüte sich dahinter verbergen kann, die schnell unverhoffte Mehrkosten verursacht“, so Hildebrand.

„Das ist so“, bestätigt auch Stadtsprecherin Jasmin Trilling. Oftmals würden Bauvorhaben auch deshalb teurer, weil man erst dann den tatsächlichen Aufwand bemessen könne, wenn man beispielsweise Wände geöffnet und dahinter Asbest oder andere Schadstoffe entdeckt habe. „Dadurch werden die Arbeiten komplizierter und langwieriger, was wiederum Geld kostet“, erklärt Trilling.

Ausgelastete Baubranche sorgt für Kostensteigerungen

Ein anderer, viel schwerwiegenderer Grund für die Kostensteigerungen, sei das Vergabesystem, an das die Städte gebunden sind, so der Bund der Steuerzahler. „Es ist grundsätzlich ein Problem, dass die öffentliche Hand, häufig doch den günstigsten und nicht unbedingt den tatsächlich wirtschaftlichsten Bauunternehmer beauftragt. Nicht selten meldet dieser dann noch während der Bauphase Insolvenz an, eine andere Firma muss engagiert werden und das treibt die Kosten abermals in die Höhe“, resümiert Hildebrand.

Stadtsprecherin Jasmin Trilling widerspricht: „Das Vergabesystem in Deutschland ist streng geregelt. Für uns ist wichtig, dass das abgegebene Angebot auch nachhaltig, also wirtschaftlich, ist. Das ist dann nicht immer das günstigste Angebot.“

Während langer Planungsphase kommt es zur Verteuerungen

Ausschlaggebend dafür, dass bei einigen Bauvorhaben die Kosten steigen, sei auch der Zeitraum, so Trilling. Zwischen der ersten Kostenschätzung bis zur tatsächlichen Umsetzung nach politischen Debatten und bürokratischen Pflichthürden, vergehe oft eine lange Zeit. Bis zur zweiten Kostenschätzung kurz vor Baubeginn hätten sich da oftmals schon so viele Anpassungen, zum Beispiel wegen neuer gesetzlicher Vorschriften zum Brandschutz oder zur Energieeffizienz, ergeben, dass allein dadurch die Kosten schon steigen würden.

„Erschwerend hinzu kommt, dass die Baufirmen enorm ausgelastet sind. Der Wettbewerb um die Gewerke ist so angespannt, das treibt die Preise natürlich auch in die Höhe“, so Trilling.

Und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Stadtsprecherin die nächste Meldung über ein deutlich teurer gewordenes städtisches Bauvorhaben veröffentlichen muss.

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