Essen. Auf rund 180 Millionen Euro beziffert die Stadt Essen inzwischen die finanziellen Lasten wegen der Corona-Pandemie. Und das ist noch nicht alles.
Der Kämmerer nennt es einen echten „Stresstest“ für den Haushalt, und in der Tat: Das Corona-Virus, es bringt die städtischen Finanzexperten um Gerhard Grabenkamp gehörig ins Schwitzen. Wo man vor der Pandemie noch mit einem Plus von 23,7 Millionen Euro kalkulierte – schon dies ein ausgesprochen bescheidener Puffer, gemessen am 3,2-Milliarden-Euro-Etat der Stadt – klafft nun ein atemraubendes Loch von 180,1 Millionen Euro. Stand: Ende Juni.
Wie viel davon am Ende wirklich diese Stadt und ihre Bürger belastet, ist noch nicht raus. Denn gleich von mehreren Seiten naht Rettung: Der Bund erhöht seinen Anteil an den Unterkunftskosten für die hiesigen Hartz IV-Empfänger auf 75 Prozent. Und Land wie Bund werkeln an einem Hilfspaket, das Steuerausfälle kompensieren, den Nahverkehr stützen, die Innenstädte stabilisieren und Investitionen möglich machen soll.
Auch abseits der Corona-Folgen wackelt das Zahlenwerk
Wie viel Geld die Stadt daraus erwarten darf, ist aber noch unklar. „Es kommt drauf an, was da im Kleingedruckten steht“, scherzte Finanzchef Grabenkamp am Dienstag im Finanzausschuss des Rates. Er rechne jedenfalls derzeit mit einer Entlastung von rund 100 Millionen Euro. Ein Grund aufzuatmen ist dies kaum, denn auch abseits der Corona-Folgen wackelt das Zahlenwerk der Stadtfinanzen.
So steigen beim Kinder- und Jugendschutz nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Preise der Hilfeträger, Flüchtlings-Finanzierung wie auch Pflege werden spürbar teurer als geplant, dazu schlagen
Bei den Schulden besser als der Plan
Schwacher Trost im Tal der Haushalts-Tränen: Beim Schuldendienst läuft es für die Stadt Essen einmal mehr besser als geplant – geschuldet dem historisch niedrigen Zinsniveau und dem kuriosen Umstand, dass die Stadt teilweise mit Schuldenmachen auch noch Geld verdient: Insgesamt zwei Millionen Euro dürfte Essen bis zum Jahresende an so genannten „Negativzinsen“ einstreichen.
Die Schuldenhöhe bleibt dennoch besorgniserregend: Ende Juni beliefen sich die Liquiditätskredite, also so etwas wie der „Dispo“ der Stadt, auf ein Volumen von gut 1,9 Milliarden Euro. Hinzu kamen 1,2 Milliarden Euro an Investitionskrediten.
Neuanmietungen bei den städtischen Immobilien zu Buche, und im Personal-Etat wachsen die Pensionsrückstellungen stärker als ursprünglich kalkuliert. Alles in allem kommen damit noch einmal 46,7 Millionen an Belastungen hinzu. Macht zusammen mit Corona und Co. 226,8 Millionen Euro minus.
Vor allem die immensen Steuerausfälle schlagen ins Kontor
Wohin das noch führen wird? Wer weiß das schon. Dreh- und Angelpunkt sind die dramatischen Steuerausfälle: Die Gewerbesteuer etwa sackt verglichen mit den ursprünglichen Schätzungen um rund 113 Millionen Euro und damit um nahezu ein Drittel ab. Auch beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer muss sich die Stadt Essen auf ein Minus von etwa elf Prozent einstellen, das sind 32 Millionen Euro.
Und zwar allein fürs laufende Jahr 2020. Die städtischen Finanzfachleute machen sich aber schon jetzt einen Kopf um die Folgejahre 2021 bis 2024: Hier summieren sich die kumulierten absehbaren Verluste bei der Gewerbesteuer auf fast 145 und beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer auf 99 Millionen Euro.
Kämmerer macht sich große Sorgen um die Folgejahre bis 2024
Ob sich all diese Zahlen halten lassen, dürfte sich im kommenden Monat zeigen, wenn eine neue Steuerschätzung folgt und im Rathaus am Porscheplatz auf die örtlichen Verhältnisse umgerechnet wird. Und was ist mit dem Kurzarbeitergeld? Wird es verlängert? Hat der konjunkturelle Absturz, so fragt sich der Kämmerer, die Form „eines tief eingeschnittenen V oder eines ausgetretenen U“, fällt er also kurz und heftig oder länger und teurer aus?
Er mache sich „große Sorge“ um die Folgejahre, sagt Grabenkamp jedenfalls. Der Stress zeigt Wirkung.
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