Essen. Thomas Büchel wollte schon in der 5. Klasse Schauspieler werden. Trotz Gegenwind von DDR-Regime und Familie konnte er seinen Wunsch durchsetzen.
Wenn ich einmal groß bin, werde ich . . . In einer neuen Essener Serie erzählen Essener Künstler von ihrem Werdegang. Diesmal berichtet Schauspieler Thomas Büchel von seiner Berufsfindung.
Den leidenschaftlichen Ferdinand hat er gespielt, den rebellischen Karl Moor, den egoistischen Marquis de Posa, den sparsüchtigen Harpagon, den opportunistischen Jason, den allzu guten Othello und all die unbenannten Charaktere bei Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer. Thomas Büchel ist als Schauspieler und Mensch nach 18 Umzügen angekommen. In Essen und dem hiesigen Theaterkosmos geht es ihm „richtig gut“.
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Thomas Büchel wuchs in einem Dorf bei Chemnitz auf. Der Vater war linientreu, weil er sein Studium dem Staat zu verdanken hatte. Die Mutter arbeitete in einem Pflegeheim, das sein Opa leitete. Sie wohnten auch dort und nicht selten wurde er von den Bewohnern betreut, die ihm „tolle Geschichten erzählten“, erinnert er sich. Seine größte Inspiration aber war der Fernseher, den er heimlich einschaltete.
Begeistert von Fernsehkomikern wie Didi Hallervorden
„In der DDR hat man früh mit der Berufsfindung angefangen“, erzählt Thomas Büchel. Und er wusste in der 5. Klasse, was er werden wollte: Schauspieler. Begeistert von Fernsehkomikern aus Ost und West wie Erich Cohrs, Otto Waalkes und Didi Hallervorden trat er verkleidet mit Erwachsenenwitzen im Wohnzimmer auf. „Ich hab’ sie nicht verstanden, aber ich hab’ sie gespielt. Heute mache ich nichts, was ich nicht verstehe“, sagt er. Damals war nur wichtig, dass alle lachten und sein Auftritt mit Freude belohnt wurde. Doch die Familie hielt nichts von seinem Berufswunsch. Eine Oma, die selbst Amateurtheater gespielt hatte, ging im Gegenwind unter.
Dem Vater zuliebe verpflichtete er sich als Berufssoldat. Doch der frühe Berufswunsch blieb. Eine unerfüllte Liebe führte ihn zu einem progressiven wie systemkritischen Jugendtheater. „Der Chef hielt mich für sehr talentiert. Da wurde es für mich richtig konkret“, so Büchel, der sich mit 17 an der Schauspielschule in Leipzig bewarb und auf Anhieb bestand. Die Kandidatur für die Mitgliedschaft in der SED zog er zurück und bekam Druck. „Ich merkte, dass da etwas falsch läuft.“ Nach Auseinandersetzungen mit dem Vater kandidierte er doch. „Eine von vielen Kompromissen, die ich in meinem Leben gemacht habe“, bemerkt er.
Am Schauspiel Leipzig durfte er dann groß spielen
Nach der ersten Verpflichtung in Halle folgte ein „Bombenengagement“ in Hamburg. „Nur dass ich nicht besetzt wurde, wie ich mich gesehen habe - in Hauptrollen“, berichtet der 55-Jährige. Er verließ das Haus. „Ich hatte keine Geduld.“
In Leipzig durfte er dann groß spielen. Er ging trotzdem. Die Westtheater waren aufmerksam geworden. Das Schauspiel Bonn und das Schauspielhaus Bochum folgten. Nach einer Forschungsreise nach Indien ging es am Schauspielhaus Zürich und am Düsseldorfer Schauspielhaus weiter. Am Deutschen Nationaltheater Weimar ließ man ihn nach einem Intendantenwechsel gehen. Mit drei Kindern im Schlepptau (heute sind es vier). Er war enttäuscht.
Regisseure wie Hermann Schmidt-Rahmer weiß er zu schätzen
In Essen hat sich dann alles gefügt. Er kannte Regisseure wie Konstanze Lauterbach und Wolfgang Engel bereits, lernte Volker Lösch und Hermann Schmidt-Rahmer immer besser kennen. Letzteren weiß er besonders zu schätzen. „Ein kluger Mensch, der spiegelt, was sich gerade abspielt. Das finde ich toll“, konstatiert er. „Wir sind die Guten“ hat er mit ihm gemacht, „Die Hauptstadt“ oder „Der Geizige“. Auch den Geist des Hauses lobt er: „Das ist wie eine Familie. Es gibt keinen Kollegen, mit dem ich nicht gerne spiele. Die Dramaturgie kümmert sich um die Leute. Jeder von uns spielt Hauptrollen.“
Der Wechsel der Theater hat ihm früher immer Spaß gemacht. Heute möchte er seine Familie nicht mehr verpflanzen. Er fühlt sich am Theater wohl und hat jenseits der Bühne Freunde gefunden. „Ich habe den Theatern stets den Rücken gekehrt“, sagt er im Hinblick auf einen Intendantenwechsel 2023. „Jetzt wäre es zum ersten Mal nicht so.“