Essen. . Schauspiel Essen: Spielzeit-Start mit der deutschen Erstaufführung des Menasse-Buchs. 11 Premieren vom Familienstück bis zumTschechow-Klassiker

Es gibt Sprüche, die kann man entweder mit einem dicken Ausrufezeichen versehen oder mit Bedauern lesen. „Alles umsonst“ steht über der neuen Spielzeit 2018/19 im Schauspielhaus Essen. Und dass darin jenseits der Resignation auch eine schöne Utopie und ein kritischer Blick auf eine zunehmende Alles-für-lau-Gesinnung mitschwingen, versteht sich. Die 125-jährige Jubiläums-Saison geht damit bald zu Ende. Die Fragen aber, wie es weitergeht mit der Welt, den lange erkämpften Werten und dem Wohlstandsgefüge, werden im Schauspiel Essen weiter diskutiert.

Der Coup der neuen Saison gelingt gleich zum Spielzeitstart. Mit der deutschen Erstaufführung von Robert Menasses Roman „Die Hauptstadt“ bringt Essen eines der meistdiskutierten Bücher als erstes deutsches Theater auf die Bühne. Der mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman spielt in Brüssel und beschäftigt sich mit Fragen, die nicht nur Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron derzeit umtreiben. Wie geht es weiter mit Europa und was ist die Antwort auf einen wachsenden Nationalismus? Hermann Schmidt-Rahmer wird den unterhaltsamen, bissigen und ironischen Blick auf Europa und seine Machtzentrale mit Verve inszenieren.

Auftritt für Löwe, Blechmann und Vogelscheuche

Was wäre, wenn man sein Leben noch einmal neu gestalten könnte? In „Biografie: Ein Spiel“ von Max Frisch bekommt Hannes Kürmann diese Chance. Thomas Ladwig inszeniert die von Frisch 1984 bereits einmal überarbeitete Fassung in einer personell weiter verschlankten Form. Nicht gespart wird traditionell am großen Familienstück. Schon gar nicht, wenn sich Dorothy, der Löwe, der Blechmann und die Vogelscheuche auf die Suche nach dem „Zauberer von Oz“ machen. Der phantastische Kinderbuch-Klassiker und seine legendäre Verfilmung mit Judy Garland erlangten Weltruhm – Anne Spaeter bringt den großen Zauber auf die Grillo-Bühne.

Die Premieren der Spielzeit 2018/19

Die Hauptstadt nach dem Roman von Robert Menasse, Bühnenfassung Hermann Schmidt-Rahmer, Premiere 5. Oktober, Grillo-Theater.

Auerhaus nach dem Roman von Bov Bjerg, Bühnenfassung von Karsten Dahlem, Premiere 6. Oktober, Casa.

Biografie. Ein Spiel von Max Frisch, Inszenierung Thomas Ladwig, Premiere 12. Oktober, Grillo-Theater.

Der Zauberer von Oz nach dem Kinderbuch von Lyman Frank Baum, Bühnenfassung von Anne Spaeter, Premiere 10. November, Grillo-Theater.

=(ungefähr gleich) von Jonas Hassen Khemiri, Inszenierung Magz Barrawasser, Premiere 30. November, Casa.

Ein großer Aufbruch von Magnus Vattrodt, Inszenierung Gustav Rueb, Premiere 1. Dezember, Grillo-Theater.

Am Boden von George Brant, Inszenierung Felicia Daniel, Premiere 22. Februar in der Box.

Cash – Und ewig rauschen die Gelder, Farce von Michael Cooney, Inszenierung Tobias Materna, Premiere 2. März, Grillo-Theater.

Rien ne va Plus, Mehrspartenprojekt im Rahmen der TuP-Festtage Kunst⁵, Uraufführung 27. März, Casa.

Der stumme Diener von Harold Pinter, Inszenierung Tabea Schattmaier, Premiere 26. April, in der Box.

Der Kirschgarten von Anton Tschechow, Inszenierung. N. N.. Premiere 4. Mai, Grillo-Theater.

Um bittere Lebenslügen, schonungslose Abrechnung und selbstbestimmtes Sterben geht es in „Ein großer Aufbruch“ von Magnus Vattrodt, dessen Filmvorlage zum Stück 2016 den Deutschen Fernsehpreis erhielt. Ein gescheiterter Selbstmordversuch ist auch Ausgangspunkt von „Auerhaus“, das Stück über eine etwas andere WG. Bov Bjerg schrieb die Vorlage, Karsten Dahlem zeigt in seiner fünften Essener Arbeit die Bühnenfassung.

Ihren Platz im Leben suchen auch die Akteure in dem Stück „= (ungefähr gleich) von Jonas Hassen Khemiri. Während seine Figuren sich manchmal schwertun mit den Freiheiten der vermeintlich „freien“ Marktwirtschaft, hat Gutsbesitzerin Ranjewskaja längst alles Geld verjubelt, nun muss „Der Kirschgarten“ dran glauben. Um Sozialbetrug der vergnüglichen Art geht es schließlich in der Cooney-Farce „Cash – Und ewig rauschen die Gelder“, mit der sich Tobias Materna in Essen vorstellt.

Spannendes auch in der Box: Der Theatermonolog „Am Boden“ gibt Einblick in die Welt des modernen drohnenbasierten Kriegs (Regie: Felicia Daniel), ein Ganovendramulett im Stil des absurden Theaters ist „Der Stumme Diener“ von Harold Pinter. (Regie: Tabea Schattmaier).

Die eigene Bilanz fällt im 125. Jubiläumsjahr des Grillo-Theaters positiv aus: 82 Prozent Auslastung bei einigen anspruchsvollen und ästhetisch ungewöhnlichen Produktionen. „Wir haben definitiv kein Zuschauerproblem“, freut sich Intendant Christian Tombeil.