Essen. Die Essener Gesamtschulen erleben einen lange ersehnten Durchbruch. Das sagt Ulrike Pelikan, scheidende Leiterin der Gesamtschule Holsterhausen.
Die Essener Gesamtschulen stehen vor einem lange ersehnten Durchbruch. So sieht es Ulrike Pelikan, die scheidende Leiterin der Gesamtschule Holsterhausen. Die 63-Jährige übte in den vergangenen sieben Jahren auch das Amt der Schulformsprecherin aus, artikulierte also die Interessen aller sieben städtischen Gesamtschulen in Essen.
„Wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, sagt Ulrike Pelikan, „dann ist und bleibt die Gesamtschule das leistungsfähigste aller Schulsysteme, weil sie alle Abschlüsse anbietet und jeden Schüler bestmöglich fördern kann.“ In Holsterhausen, Essens jüngster Gesamtschule, deren Geschicke Ulrike Pelikan ab dem Jahr 2007 leitete, stimmten diese Rahmenbedingungen wohl mehr als an anderen Schulstandorten: Holsterhausen, gegründet in den 1990er Jahren, zählt zu den Gesamtschulen im Stadtgebiet, die stets mehr Anmeldungen registrieren, als freie Plätze zur Verfügung stehen.
Doch auch in den Stadtteilen, denen man die notorische Bildungsferne nachsagt, gebe es jetzt einen deutlichen Trend zur Erneuerung und Vergrößerung: Die Bockmühle in Altendorf wird erneuert. Die Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck zieht ab November in ein völlig neues, sehr ansehnliches Gebäude. Die Frida-Levy-Gesamtschule in der Stadtmitte hat nach langem Protest die Zusage erhalten, auf einem benachbarten, freien Grundstück Neubauten zu erhalten. Und in Altenessen, an der Erbslöhstraße, ist der Neubau einer weiteren Gesamtschule beschlossene Sache. Das alles hat Jahre gedauert, manche Diskussion wurde sogar ein Jahrzehnt lang geführt.
Zuletzt großer Stress durch Corona
Dabei: Dass in jedem Jahr mehrere hundert freie Plätze an den Essener Gesamtschulen fehlen, ist seit Jahren bekannt. Kommt die Erneuerungswelle jetzt nicht zu spät, während man vor Jahren versäumte, die Gesamtschule Süd in Stadtwald so zu stärken, dass sie wieder stärkeren Zulauf hätte bekommen können? Und nicht hätte schließen müssen? Hätte, hätte, hätte. Ulrike Pelikan bleibt diplomatisch: „Es ist immer müßig, über die Versäumnisse der Vergangenheit zu reden. Wir sollten den Blick nach vorne richten.“
Essens jüngste Gesamtschule
Die Gesamtschule Holsterhausen hat etwa 1000 Schüler und beschäftigt rund 100 Lehrer. Sie liegt an zwei Standorten (Böcklin- und Keplerstraße) und wird nicht nur von Kindern und Jugendlichen aus dem näheren Umfeld besucht. Die Gesamtschule Holsterhausen ist vor allem eine jener Gesamtschulen, die von Kindern und Eltern aus dem Essener Süden bevorzugt wird.
Die Schule entstand 1997 und richtet sich als so genannte „Agenda-Schule“ an den Leitlinien der „Agenda 21“ aus - dem Programm der Vereinten Nationen für Nachhaltigkeit, Ökologie und Ökonomie.
Ihr persönlicher Blick nach vorne weist in eine Zukunft ohne die täglichen Mühen des Schulbetriebs. „Besonders die Corona-Zeit seit Mitte März hat alle Beteiligten nochmal sehr gefordert und vor völlig neue Herausforderungen gestellt“, berichtet Ulrike Pelikan. Sie selbst fand wiederholt deutliche Worte der Kritik am Kurs der Landesregierung, der sich vor allem durch kurzfristig mitgeteilte und nicht vorhersehbare Entscheidungen auszeichnete. Auch sonst hielt Ulrike Pelikan mit ihrer Meinung nur selten hinterm Berg - sie gilt als Befürworterin der Freitags-Proteste von Schülern gegen den Klimawandel. Das ökologisch orientierte Profil ihrer Schule, das Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Programm stehen hat, baute sie deutlich aus – mit messbarem Erfolg, wie viele Auszeichnungen und Preise zeigen.
Wie ihre Leidenschaft für die Gesamtschule entfacht wurde
Sie selbst hat übrigens Biologie und Chemie studiert. Diese Fächer unterrichtete sie bis zuletzt, und diese Kombination war entscheidend dafür, warum sie nach dem Studium in Münster überhaupt einen Job an einer Schule bekam. „Damals gab es nämlich eigentlich einen Einstellungsstopp.“ Nichts deutete damals darauf hin, dass es eine Laufbahn an Gesamtschulen werden würde – die eigene Schulzeit auf einem Kleinstadt-Gymnasium in Burgsteinfurt verbracht, das Referendariat an einem Gymnasium in Lünen – und dann kam die erste Anstellung an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule im Essener Norden.
„Da durfte ich die Erfahrung machen, dass es völlig andere Welten gibt, aus denen Schüler kommen, als ich mir überhaupt vorstellen konnte.“ Das, erzählt sie jetzt, habe ihre Leidenschaft für das System Gesamtschule entfacht. Schnell wurde sie didaktische Leiterin an der Erich Kästner-Gesamtschule in Steele, wechselte schließlich 2007 als Leiterin nach Holsterhausen.
Und jetzt? „Gehe ich bewusst ohne Plan in den neuen Lebensabschnitt. Mal gucken, was alles noch in mir steckt.“ Sportsgeist zumindest, so viel steht jetzt schon fest: Sie hat sich ein E-Bike gekauft und erkundet Essen und Umgebung mit dem Fahrrad. „Es ist so erstaunlich, wie viele schöne Ecken es in der Stadt gibt, die man noch nicht kennt.“ Grüne Ecken vor allem. Man ahnt es schon: Umweltschutz und Natur-Bewusstsein werden wohl ein Thema bleiben im Leben von Ulrike Pelikan.