Lange hat die Frida-Levy-Schule dafür gekämpft, das benachbarte VHS-Areal nutzen zu können. Stadt macht bei der Bewertung eine Rolle rückwärts.

Essen. Das Gelände der ehemaligen Volkshochschule (VHS) an der Hollestraße wird einem Neubau der Frida-Levy-Gesamtschule zur Verfügung gestellt und nicht an Investoren verkauft. Das hat die Stadt Essen am Montag überraschend bekanntgegeben. Damit enden abrupt zwei quälend lange Prozesse: Der 15 Jahre andauernde Versuch der Kommune, ein Grundstück, das wiederholt als „Filetstück“ angepriesen wurde, gewinnbringend zu veräußern. Und zweitens das Bemühen einer Schule, ein Nachbargrundstück für sich zu beanspruchen, für dessen Nutzung man gute Argumente hat – auch wenn die über viele Jahre hinweg niemand hören will.

Fläche ist am besten geeignet

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da hatte der Essener Projektentwickler Kölbl Kruse das Gelände noch für sich reserviert, und die Verwaltung war sich sicher: „Die Topographie des Gesamtgrundstückes – Gesamtschule und alte VHS – ist nicht besonders für eine Schule geeignet.“ So stand es in einer entsprechenden Beschlussvorlage, das war im Juni 2018.

Dann verlor Kölbl Kruse das Interesse. Gespräche mit einem zweiten Interessenten gab es und gibt es dem Vernehmen nach immer noch, doch jetzt, ein Jahr später, kommt die Stadt zu der klaren Erkenntnis: „Eine bauliche Lösung für die Frida-Levy-Gesamtschule lässt sich unter Einbeziehung des Grundstücks der ehemaligen VHS darstellen.“ Und nicht nur das: Das 21500 Quadratmeter große Gesamt-Areal sei mit Abstand am besten geeignet für eine Schule – besser als alle anderen Innenstadt-Standorte, die in einer Machbarkeitsstudie der Verwaltung analysiert wurden. Und somit wird der Rat am Mittwoch beschließen, dass die Fläche an der Hollestraße nun doch nicht verkauft werden soll, sondern an Ort und Stelle ein Schul-Neubau entstehen wird.

Alle Interessenten sprangen ab

Dafür hat die Frida-Levy-Schule seit Jahren gekämpft. 2014 riss die Stadt auf eigene Kosten die alte VHS ab, damit die Fläche für Investoren attraktiver wird. Doch alle Interessenten sprangen ab. Und so traute sich die Frida-Levy-Schule ab 2017, immer lauter für ihre Interessen einzustehen: Eine bauliche Erneuerung von Hauptgebäude und Oberstufentrakt müsse her, und dazu würde auch das benachbarte VHS-Gelände benötigt. Im Frühjahr 2018 ließ sich der Schulleiter vor einer verschimmelten Wand der Aula ablichten, und der WDR sendete eine landesweit ausgestrahlte Podiumsdiskussion aus der Frida-Levy-Schule; Thema: Unsere maroden Bildungsbauten. Als bekannt wurde, dass der Investor Kölbl Kruse abgesprungen ist und die Stadt jetzt mit einem zweiten Investor verhandelt, gingen 1000 Frida-Levy-Schüler im März 2019 auf die Straße; der Oberbürgermeister sprach mit den Jugendlichen vor dem Rathaus und kündigte an, dass alles wieder offen ist, was das alte VHS-Areal angeht. „Trotzdem“, heißt es weiter skeptisch aus der Schule, „hat niemand so recht daran geglaubt, dass das noch etwas wird.“

Politik ist einer Meinung

Und wie immer bei Prozessen, die sich wie Kaugummi hinziehen, die bis zuletzt nicht richtig transparent sind, und bei denen die meisten nicht so richtig wissen, was eigentlich gespielt wird: Jetzt, da Nägel mit Köpfen gemacht wurden, sind sich alle einig. Von einer „sinnvollen Lösung“ spricht die FDP, vergisst aber nicht zu erwähnen, dass wir weiter dringend guten Büroraum benötigen in Essens Innenstadt. „Wir werden das Ganze positiv begleiten“, kündigt Jörg Uhlenbruch an, Fraktionschef der CDU. Von der „sinnvollsten und besten Lösung“ sprechen auch die Grünen, und die SPD kündigt an: „Wir wollen das jetzt umsetzen.“ Und in Erinnerung an den Vorbehalt der Stadt, das Gelände sei zu abschüssig für einen Schulbau, moniert Jochen Backes, Fraktionschef der Bürgerlichen Mitte (BME), mit gewisser Häme: „Flache Flächen für Schul-Neubauten gibt es in Ostfriesland, aber nicht unbedingt in Essen.“

Zweiter Investor ist noch in Gesprächen

Und der zweite Investor? Sei noch in Gesprächen mit der Wirtschaftsförderung, bestätigt Essens Stadtsprecherin Silke Lenz. Die Wirtschaftsförderung weist übrigens darauf hin, dass im ersten Halbjahr 2019 rund 94.500 Quadratmeter Büroflächen in Essen vermietet worden seien – „ein herausragender Wert“. Man verstehe, dass in Sachen Hollestraße die Entscheidung zugunsten einer Schule fällt wegen des großen Schulraummangels. Aber: „Perspektivisch“, so Wirtschaftsförderungs-Sprecher Markus Pließnig, „müssen zusätzliche Büroflächen entstehen, um einerseits die große Nachfrage zu erfüllen und andererseits im Wettbewerb mit anderen Städten konkurrenzfähig zu bleiben.“

Details des Neubaus sind völlig offen

Wann und wie genau die Frida-Levy-Schule Neubauten erhält, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen. Trotzdem dürfte die Schule jetzt erst mal feiern – und zwar nicht nur, weil es am Freitag Sommerferien gibt.