Essen. Der Streit um das Wort „Mohr“ auf der Karte der Eisdiele „Mörchen“ in Essen ließe sich auf einfache Art lösen, schlägt eine Namenforscherin vor.

Die Bezeichnung für zwei Eisbecher hat ein Eiscafé in Essen in eine Rassismus-Debatte gerissen. Die Eisdiele „Mörchens Eis“ hat angekündigt, die betreffenden Kreationen „Mohren-Kuller“ und „Mohren-Birne“ umzubenennen. Auch, wenn sie eigentlich nur der Firmengründerin gewidmet seien, die mit Mädchennamen Mohr hieß, sagt der Besitzer. Das wirft die Frage auf: Steckt auch im Namen Mohr Rassismus?

Für Twitterer @ArtWSeidel ist die Sache eindeutig: „Natürlich ist alles mit „Mohren“ darin rassistisch“, kommentiert er den Bericht zum Streit um das „Mohren“-Eis. Tatsächlich aber ist an dem Familiennamen „Mohr“ nichts Negatives, erklärt die Namenforscherin Gabriele Rodriguez: „Der Name ‘Mohr’ oder ‘Moor’ hat eine lange Tradition in Deutschland“.

Der Name Mohr ist nicht rassistisch

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Der Familienname Mohr ist in Deutschland fast 10.000 Mal amtlich erfasst und gehört damit zu den „häufigen Familiennamen“, sagt Gabriele Rodriguez vom Namenkundlichen Zentrum an der Universität Leipzig, der einzigen Hochschule in Deutschland, an der Namenforschung ein Studienschwerpunkt ist. Menschen, die „Mohr“ oder „Moor“ heißen, verteilen sich vor allem in Teilen Norddeutschlands und in einem Bereich, der sich vom südlichen Niedersachsen über das südwestliche Nordrhein-Westfalen, bis Baden-Württemberg und südliche Teile Bayerns zieht, sagt Rodriguez.

Wer beim Familiennamen „Mohr“ den Kolonialismus des Deutschen Reiches in Afrika im 19. Jahrhundert vor Augen hat, greift zu kurz, meint die Namenforscherin: Der Name Mohr geht auf das 12. Jahrhundert zurück, sagt Rodriguez - auf die Zeit, in der unsere heute verwendeten Familiennamen entstanden.

„Familiennamen entstanden, um Personen zu identifizieren, nicht zu diskriminieren“

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„Es gibt viele Erklärungsmöglichkeiten zum Ursprung des Familiennamens Mohr“, sagt Rodriguez. An erster Stelle stehe der sogenannte Über-Name: „Der Namensträger wurde so genannt, weil seine Haar- oder Hautfarbe dunkel war“, sagt Rodriguez: „Sie muss aber nicht zwingend schwarz gewesen sein“. Das solches Aussehen mit dem Begriff „Mohr“ versehen wurde, hat indes tatsächlich einen Bezug zu Afrika: Seit dem 8. Jahrhundert ist der Begriff „Mohr“ im Althochdeutschen verbreitet, erklärt Rodriguez: „Er steht für ‘Bewohner Mauretaniens und Äthiopiens“ und wurde entlehnt aus dem lateinischen Wort Maurus.

Dem aber rassistische Gründe zu unterstellen, dafür gebe es keine Belege, sagt die Forscherin. Solche „Über-Namen“ ähnelten unseren heutigen „Spitznamen“ und hätten bestimmte auffallende Charakter- oder äußerliche Eigenschaften der betreffenden Person aufgegriffen. „Der Trend zu Familiennamen ist entstanden, um Personen zu identifizieren“, sagt Rodriguez - „nicht, um sie zu diskriminieren“.

Am Anfang gab es nur Rufnamen

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Familiennamen einzuführen sei ab dem 12. Jahrhundert bei uns nötig geworden, weil sich größere Siedlungen bildeten und eine schriftliche Verwaltung entstand - und auch, weil die bisherige Praxis der Rufnamen an ihre Grenzen gestoßen sei. „Menschen wurde bis dahin zum Beispiel ‘Johannes, Sohn vom Friedrich’ genannt oder ‘…, der Große’ oder ‘…,der mit den schwarzen Haaren’, beschreibt Rodriguez. Mit der Christianisierung dienten Heiligen-Figuren als Namensgeber, „da war die Auswahl dann aber beschränkt und ein weiteres Merkmal, um eine Person zu identifizieren, wurde notwendig“, erklärt Rodriguez: ein Familienname.

Vom Rheinland ausgehend hätten sich der Trend dann bis in das 14./15. Jahrhundert hinein im deutschen Sprachraum ausgebreitet. Familiennamen wurden aus verschiedenen Einflussgebern geformt: „Mohr“ oder „Moor“ kann zum Beispiel auch auf den Beruf des ersten Trägers verweisen, sagt Rodriguez - zum Beispiel ein Bauer, der mit einer bestimmten Rasse von Zuchtsauen zu tun hatte, die schwarz waren: „Ihr Name geht auf das mittelhochdeutsche Wort môre zurück“, sagt Rodriguez: „Damals gab es das „h“ noch nicht im Wort.“

Als der Mohr eine negative Bedeutung bekam

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Auch kann die örtliche Herkunft des ersten Namensträgers zum Namen „Mohr“ oder „Moor“ geführt haben, erklärt Rodriguez: Der erste Namensträger lebte an einem Moor- oder Sumpfgebiet, wie es sie etwa in Norddeutschland gibt. Die Schreibweise der Namen konnte hingegen über Jahrhunderte variieren und wurde erst mit der Einführung der Standesämter Ende des 19. Jahrhunderts fest vorgegeben.

Erst im 16. Jahrhundert sei das Wort Mohr dann Synonym für „Neger“ geworden, haben Sprachforscher ermittelt. Wobei das Wort Mohr heute im allgemeinen Sprachgebrauch so gut wie nicht mehr verbreitet sei, sagt Rodriguez. „Die negative Bedeutung des Wortes Mohr kam erst mindestens 100 Jahre nachdem die Namensbildung abgeschlossen war und konnte in die Namensbildung nicht mehr einfließen“, sagt Rodriguez.

Warum der Familienname Neger nichts mit Rassismus zu tun hat

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Wenn der Betreiber des Eiscafés in Essen nun ankündigt, auf die Kritik des Essener Rassismus Telefons an den „Mohren-“Bechern zu reagieren, hält Rodriguez das dennoch für konsequent und nachvollziehbar. Groß verändern müsste er aus Sicht der Namenforscherin seine Eiskarte womöglich nicht: „Es würde schon reichen, das „h“ im Wort Mohren durch ein „o“ zu ersetzten“, meint sie: Vielleicht gehe der Mädchenname der Eissalon-Gründerin ja auf einen Ortsnamen zurück, der mit einem Moor-Gebiet zu tun habe? Rodriguez: „Man müsste mal in die Familiengeschichte einsteigen und sehen, ob und wie sich die Schreibweise veränderte“.

Eine überraschende Pointe hat die Namenforschung zum Familiennamen „Neger“ zu bieten: Dabei handle es sich mit großer Sicherheit um einen sogenannten Berufsnamen, sagt Rodriguez: „Neger“ kommt vom mittelhochdeutschen Wort für „Nähen“, sagt Rodriguez: „Der Familienname Neger geht zurück auf einen auf christliche Gewänder („Posamenten“) spezialisierten Schneider.“

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