Essen. Nicht nur die Corona-Krise sorgt derzeit für eine Delle bei den Neuvermietungen. Es gibt auch immer weniger freie Büroflächen in der Stadt.
Büros waren im vergangenen Jahr in Essen so gefragt wie nie. Die Neuvermietungen in der Stadt erreichten mit einem Flächenumsatz von 165.000 Quadratmetern wieder einen Rekord. Und auch der Start ins Jahr 2020 sah zunächst verheißungsvoll aus. Doch mit der Corona-Krise stellt sich nun die Frage: Suchen Unternehmen und Selbstständige derzeit überhaupt noch nach neuen Büroräumen?
"Die ersten zwei, drei Wochen im März gab es erstmal eine Schockstarre am Markt", berichtet Markus Büchte vom Maklerunternehmen Cubion. Die Telefone hätten kaum geklingelt, "keiner wollte vor die Tür gehen". Mittlerweile aber würden die Anfragen wieder zunehmen, sagt Büchte.
Nach seiner Erfahrung sind "kleinteilige Anmietungen derzeit aufgeschoben". Doch die großen Projekte ab 1000 Quadratmeter Fläche liefen weiter. "Hinter solchen Anmietungen stehen meist weitreichende strategische Entscheidungen. Diese lassen die Unternehmen jetzt wegen Corona nicht einfach fallen", meint Büchte.
Unternehmen stellen Büro-Pläne erstmal zurück
Auch Tobias Altenbeck vom Maklerunternehmen Brockhoff & Partner spürt die Auswirkungen der Corona-Pandemie: "Im März sind zahlreiche Mietabschlüsse aufgrund der Corona-Krise verschoben worden." Viele Unternehmen seien momentan dabei, eine Bestandsaufnahme zu machen und würden die Entwicklungen der kommenden Wochen abwarten. "Wenn sich die Infiziertenzahlen weiter nach unten entwickeln und es mehr Lockerungen gibt, dann bin ich für die zweite Jahreshälfte allerdings optimistisch", meint Altenbeck.
Prognosen sind derzeit schwierig. Allerdings kann man jetzt schon sagen, dass 2020 kein neues Rekordjahr werden wird.
Das liegt nicht nur an der Delle, die Corona dem Büromarkt gerade beschert. Sondern auch daran, dass es immer weniger freie Büroflächen gibt. Die Essener Wirtschaftsförderung spricht in ihrem aktuellen Immobilienbericht von einer "drastischen Flächenknappheit". So nahm im vergangenen Jahr der Leerstand weiter ab und liegt derzeit bei 3,3 Prozent. Experten sprechen bei einer solch niedrigen Quote schon nahezu von Vollvermietung. Vor allem moderne und gut ausgestattete Büros sind rar.
Wenig Angebot an neuen Büroflächen
Doch neue Büroflächen werden in diesem Jahr kaum hinzukommen. Laut Cubion-Chef Büchte sind in den Neubauten momentan nur noch 4000 Quadratmeter zu vermieten. Davon bietet das neue ADAC-Haus an der Segerothstraße mit 2500 Quadratmetern die größte Fläche. Es wird im Herbst fertig.
Auch 2021 seien die Aussichten noch nicht viel besser. Das einzige Projekt, das sich derzeit im Bau befindet, und wo Flächen noch gemietet werden können, ist ein Bürogebäude an der Frohnhauser Straße. Alle anderen Objekte, die derzeit entstehen, errichten die Unternehmen entweder für sich selbst oder sind bereits vermietet. Büchte nennt als Beispiele Opta Data, Tüv Nord, Hochtief oder den neuen Hochhauskomplex an der Huyssenallee.
Geplante Entwicklungen wie das neue Literatur-Quartier auf dem ehemaligen Areal der Funke Mediengruppe oder das Kontorhausviertel auf einer einstigen Siemens-Fläche an der B224 werden dagegen noch einige Jahre bis zur Fertigstellung brauchen.
Corona könnte für leichte Entspannung sorgen
Es klingt paradox, aber vielleicht könnte die Corona-Krise hier sogar eine leichte Entspannung am Markt bringen. "Wenn sich Unternehmen kleiner setzen müssen, könnten Flächen frei werden", sagt Büchte.
Ob Corona längerfristig den Büromarkt verändert, da sind sich die Experten unschlüssig. Es steht die Frage im Raum: Werden Unternehmen das jetzt viel praktizierte Homeoffice auch nach der Krise weiter nutzen und brauchen sie künftig dadurch gar nicht mehr so viel Bürofläche? "Ich denke schon, dass sich Unternehmen über Strukturen Gedanken machen und je nach Branche weniger Büroflächen mieten. Aber das geht nicht von heute auf morgen", sagt Büchte.
Zahlen zum Büromarkt 2019 in Essen
Insgesamt wurden auf dem Essener Büromarkt 143 Mietabschlüsse im Jahr 2019 registriert. Die neu vermietete Fläche summierte sich auf 165.000 Quadratmeter.
Insbesondere drei Großabschlüsse stachen heraus: So mietete die RWE AG
zusätzliche rund 17.000 Quadratmeter an. Der Neubau entsteht auf dem Campusgelände an der Altenessener Straße. Zudem belegt die Aldi Einkauf GmbH & Co. OHG rund 17.600 Quadratmeter im neuen Aldi Campus an der A 40. Schließlich belegt der Baukonzern Hochtief bis zur Fertigstellung der
geplanten neuen Konzernzentrale am Opernplatz rund 15.800 Quadratmeter
im Grugacarree in Rüttenscheid.
Das Mietniveau ist weiter gestiegen. Die gewichtete Durchschnittsmiete nahm um 4,8 Prozent auf 11,80 Euro pro Quadratmeter zu. Die Spitzenmiete lag nahezu unverändert bei 16 Euro und wird in den bevorzugten Lagen Innenstadt/Südviertel sowie Rüttenscheid/Bredeney erzielt.