Essen. Hospize und ambulante Hospizdienste stehen Menschen am Ende ihres Lebens zur Seite. Doch aufgrund des Coronavirus gibt es viele Einschränkungen.

Das schwierigste an der Sterbebegleitung, sagt Andrea Reimann, ist es, einfach dazusitzen und die Situation auszuhalten. Eine Situation, die für Angehörige oft schwer zu ertragen ist. Hospize und ambulante Hospizdienste stehen sterbenden Menschen und ihren Liebsten in der letzten Phase des Lebens zur Seite. In Zeiten des Coronavirus sind sie mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert.

„90 Prozent unserer Arbeit liegt gerade brach“, sagt Reimann, Koordinatorin des ambulanten Hospizdienstes Cosmas und Damian aus Borbeck. Normalerweise betreut der Dienst, der der CSE angehört, vor allem sterbende Menschen in Einrichtungen - zum Beispiel in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Doch dort dürfen die 55 Ehrenamtlichen aufgrund der Corona-Restriktionen nicht mehr hin. Viele von ihnen gehören selbst zur Risikogruppe.

Viele Angehörige sind mit Einsetzen des Sterbeprozesses überfordert

Nun versuchen die Ehrenamtlichen, die Betreuung telefonisch aufrechtzuerhalten. Doch allen Beteiligten ist klar, dass das den persönlichen Kontakt nicht ersetzen kann. Vor allem nicht, wenn der Sterbeprozess tatsächlich beginnt. „Angehörige sind in dieser Situation oft überfordert“, weiß Reimann.

Mittlerweile erreichen die Koordinatorin erste Hilferufe von Einrichtungen und Privatpersonen, die sie bitten, in Schutzkleidung zu kommen und Menschen beim Sterben zu begleiten, einfach da zu sein: „Zuletzt habe ich einfach nur neben der Tochter der Sterbenden gesessen, ihr Mut gemacht und immer wieder gesagt, dass das, was gerade passiert, normal ist.“

In Hospizen gibt es normalerweise keine strengen Regeln - schwierige Umstellung

Reimann als Hauptamtliche kann noch in Schutzkleidung Sterbegleitungen durchführen, die vielen Ehrenamtlichen ihres Hospizdienstes können es nicht. Die Mitarbeiter von stationären Hospizen können ihre Arbeit dagegen fortsetzen. Doch dort mussten viele Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

"Die Umstellung war sehr schwierig", sagt Katharina Caspelherr, Pflegedienstleiterin des Hospizes Essen-Stele. Denn normalerweise ist ein Hospiz kein Ort wie ein Krankenhaus: Es gibt keine Besuchszeiten, Angehörige und Freunde können zu jeder Tageszeit kommen oder sogar dort übernachten.

Besuche sind weiter möglich, aber nur mit starken Einschränkungen

Zwar gibt es in Hospizen, anders als in Pflegeheimen, kein komplettes Besuchsverbot. Wohl aber mussten Beschränkungen vorgenommen werden: Im Hospiz Essen-Steele gibt es nun zweimal am Tag zwei Stunden Besuchszeit, je ein Besucher kann kommen.

Damit der Kontakt zu den Liebsten besser gehalten werden kann, stellt der Förderverein nun ein Tablet für Videotelefonie zur Verfügung. Einige greifen außerdem auf andere Behelfslösungen zurück. "Bei uns lebt ein Mann, dessen Ehefrau regelmäßig zu Besuch kommt. Die Tochter steht währenddessen draußen vorm Fenster und unterhält sich auf Distanz mit dem Vater", erzählt Caspelherr.

Für Menschen, die im Sterben liegen, gelten Ausnahmeregelungen

Franz Löhr leitet das Christliche Hospiz in Werden. Auch bei ihm gibt es kein Besuchsverbot. Denn: „Jeder Besuch kann der letzte sein.“ Jedoch darf pro Tag nur ein Besucher kommen und nur engste Angehörige. Wie auch im Steeler Hospiz dürfen sich Besucher nur im Zimmer des Bewohners aufhalten. Ausnahmen gibt es in beiden Hospizen, wenn ein Mensch tatsächlich im Sterben liegt: Dann können ihn auch mehre Angehörige über längere Zeit in der finalen Phase begleiten.

Für die Mitarbeiter seien die Schutz- und Hygienemaßnahmen mittlerweile Routine, sagt Löhr. Und doch ist eben nichts wie sonst - etwa wenn eine Pflegekraft mit Schutzkittel, Handschuhen und Maske „vermummt“ ins Zimmer kommt: "Sprache ist etwas sehr Essenzielles", so Löhr. "Wenn die Pflegekräfte durch die Maske mit unseren Gästen sprechen und man dabei die Mimik nicht mehr erkennen kann, ist der Umgang einfach weniger unbefangen.“

Verantwortliche fühlen sich angesichts der Krise machtlos

Auch für die Verantwortlichen ist es nicht immer einfach, die Situation auszuhalten. "Ich darf das alles gar nicht so nah an mich heranlassen, sonst komme ich aus der Trauer gar nicht mehr raus", sagt Andrea Reimann. Durch äußere Einflüsse bei der Arbeit gehemmt zu werden und nicht helfen zu können, mache machtlos, "denn wir Hospizler wissen alle, dass es Menschen gibt, die gerade jetzt unsere Hilfe und die Hilfe der ehrenamtlichen Mitarbeiter brauchen."

Hospizdienst berät und begleitet weiterhin telefonisch

Der ambulante Hospizdienst Cosmas und Damian ist für Beratung und Begleitung montags bis freitags bis 17 Uhr unter 0201 46912925. In dringenden Fällen kann man sich nach 17 Uhr unter 0201 319375750 an das stationäre Hospiz wenden.

Das Hospiz Essen-Steele bietet nach jetziger Planung vom 30. Oktober 2020 bis 23. März 2021 einen sechsmonatigen Vorbereitungskurs für ehrenamtliche Sterbebegleiter an. Interessierte können sich vorab unter 0201 8052703 oder per Mail an psychosozialer-dienst@hospiz-essen.de informieren.

Alle Entwicklungen zum Thema Coronavirus im Newsblog.