Essen. . Im Hospiz in Essen-Steele ist der Tod nicht unbedingt ein Thema. Die Gäste genießen die kleinen Momente. 71 Einrichtungen gibt es in NRW.

Eine kleine Frau mit kurzen, angegraute Haaren, daneben ein hagerer Mann im Rollstuhl, sehr groß – der Rollstuhl und der Mann. Das Paar lacht, sie genießen das gute Wetter und die Zigaretten gemeinsam, Brigitte und ihr Lebensgefährte. Schon bald wird er tot sein und sie begleitet ihn, mit dem sie zwölf Jahre lang gelebt hat, bis zum Schluss. Ihren vollständigen Namen möchte sie für sich behalten.

Brigitte und ihr Mann stehen am Rande des Parkplatzes des Alfried-Krupp-Krankenhauses. Im Hintergrund steht ein kleines Gebäude mit viel Glas. Das Haus verschwindet fast im Schatten der riesigen Klinik. Nur ein eher kleines Schild weist darauf hin, was es ist: das Hospiz Essen-Steele.

Günther Graßmann (Geschäftsführer und Vorstand Hospiz Essen Steele GmbH), Katharina Caspelherr (Pflegedienstleitung), Martina Grün (Ambulantes Hospiz), Katrin Thiemeyer (Assistentin der Geschäftsführung), und Brigitte Germeroth (Psychosozialer Dienst) auf der Terrasse der Hospiz Essen-Steele. (von links).
Günther Graßmann (Geschäftsführer und Vorstand Hospiz Essen Steele GmbH), Katharina Caspelherr (Pflegedienstleitung), Martina Grün (Ambulantes Hospiz), Katrin Thiemeyer (Assistentin der Geschäftsführung), und Brigitte Germeroth (Psychosozialer Dienst) auf der Terrasse der Hospiz Essen-Steele. (von links).

Brigitte und der Mann im Rollstuhl sind dort zu Gast. Und das im allerbesten Sinne, mit allen Annehmlichkeiten eines guten Hotels. Wie im Hotel auch kommen die Gäste und gehen: „Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt zwischen 18 und 21 Tagen“, weiß Pflegedienstleiterin Katharina Caspelherr.

Ein selbstbestimmtes Sterben

Caspelherr leitet ein Team aus 21 Pflegekräften – bei zehn Betten. In der Regel ist eine Pflegekraft für drei Hospiz-Gäste zuständig.

Und diese Gäste entscheiden selbst, welche Hilfe sie annehmen und welche nicht – in der Fachsprache „Bezugspflege“ genannt. „Wenn jemand erst mittags aufstehen und den Tag mit einem Bier beginnen möchte, dann soll er das ruhig tun“, sagt Caspelherr. Das betrifft nicht nur den Tagesablauf, „auch die Medikamente können die Sterbenskranken ablehnen, niemand zwingt sie dazu, etwas zu tun, zu nehmen oder sich irgendwie zu verhalten.“

Ein Gedanke, eine Haltung

Das Hospiz sei nicht nur eine Einrichtung, sondern auch ein Gedanke, eine Haltung. Die Gäste des Hauses sollen ihr restliches Leben so angenehm wie möglich gestalten können.

Deswegen war es auch möglich, dass Brigitte zu ihrem todkranken Lebensgefährten ins Hospiz zieht. „Wir können hier einfach auf der Terrasse sitzen und uns die Blumen und Bäume anschauen, oder uns über ein vorbei huschendes Eichhörnchen freuen,“ sagt Brigitte.

Die kleinen Dinge des Lebens

Gemeinsam wirkt das Paar fröhlich, fast erleichtert. Nur, dass einer von ihnen bald sterben wird. Doch wer nur noch wenige Tage oder Wochen zu leben hat, hält an den kleinen, normalen Dingen des Lebens fest, einfach, weil sie bald vorbei sind, dann für immer.

Obwohl der Hospizgedanke mittlerweile weit verbreitet ist, gibt es längst nicht genug Einrichtungen, oft gibt es nur sehr wenig Betten in einem Haus.

Viele Wochen telefoniert

Auch für das Paar war es nicht leicht, diesen Platz zu finden: „Wissen Sie eigentlich, wie viele Wochen wir telefoniert haben, wie viele Kilometer wir gefahren sind? Von Bayern bis zur Nordsee haben wir gesucht. Wissen Sie, was wir alles hinter uns haben? Wir sind unendlich dankbar dafür, hier sein zu dürfen“, sagt Brigitte.

Die Plätze in einem Hospiz sind begrenzt, die Aufnahmebedingungen streng: Eine unheilbare, „in absehbarer Zeit zum Tod führende Krankheit“ ist die Grundvoraussetzung für den Einzug in ein Hospiz. Ein Arzt muss die Versorgung in einem solchen Sterbehaus verordnen, zunächst für 28 Tage.

Keine langfristigen Pläne

Die Räume in Essen-Steele sind hell, alle sehr freundlich, im Eingangsbereich stehen zwei Ledersessel in der Ecke, so gelb wie reife Bananen. Die Optik entspricht den Katalogen hochpreisiger Einrichtungshäuser: weniger Ikea, mehr wie ein Café auf der Düsseldorfer Kö. Zentral ist auch der gläserne Kerzenhalter. Die Flamme wird nur entzündet, wenn jemand gestorben ist. Heute brennt sie nicht.

Die Gäste sollen sich überall setzen können, miteinander ins Gespräch kommen. Die Themen: das Essen, Politik, Fußball. Vom Tod spricht hier keiner, er hat sowieso das letzte Wort.

Loslassen

Die Leute, die hier ihre letzte Zeit verbringen, lachen viel, sind befreit und müssen lernen loszulassen. „Die Menschen können hier einfach Mensch sein, sie brauchen keine Rollen mehr auszufüllen“, erklärt Katharina Caspelherr. Sie selbst gestaltet ihr eigenes Leben ganz anders. Wie bei vielen anderen Kolleginnen auch, gebe es bei ihr keinen Aufschub im Leben. Pläne mache sie eher kurzfristig.

Die Gäste des Hauses sind in jedem Alter, gestorben wird immer. Viele Sterbenskranke haben vor wenigen Monaten noch nichts von ihrer Erkrankung gewusst oder zumindest nicht geahnt wie schlimm es um sie steht.

In Würde sterben

Im Hospiz soll in Würde gestorben werden. Doch auch hier, so erzählt Caspelherr, falle es schwer, das Leben loszulassen, besonders, wenn die Sterbenden jung seien und noch viel vorgehabt hätten.

Trotzdem, für die letzten Tage des Lebens ist ein Hospiz, wie das in Essen-Steele, für viele Menschen der beste Ort für einen endgültigen Abschluss.

Brigitte beschreibt das so: „Wissen Sie, was die zu uns gesagt haben, als wir hier im Hospiz ankamen? Herzlich Willkommen!“

>>> Hilfe für Sterbende und Angehörige:

Laut dem Verband der Ersatzkassen gibt es derzeit in NRW 71 Hospiz-Häuser, davon sind sechs Einrichtungen auf Kinder und Jugendliche spezialisiert.

Zusätzlich bieten rund 500 ambulante Hospiz- und Palliativdienste Unterstützung an.

Mehr Infos gibt es im Internet auf den Seiten www.hospiz-nrw.de und www.mags.nrw (Gesundheitsministerium NRW).