Essen. Franz-Josef Ewers hat die Flotte wirtschaftlich in sicheres Fahrwasser gesteuert. Potenzial sieht der scheidende Geschäftsführer auf dem Kanal.

Die "Stadt Essen" und ihre Schwesterschiffe liegen fest vertäut im Hafen am Hardenbergufer. Das Coronavirus hat die Weiße Flotte an die Leine gelegt. An Rundfahrten auf dem Baldeneysee oder Ausflüge auf dem Rhein-Herne-Kanal ist in diesen sonderbaren Tagen trotz Bilderbuchwetter nicht zu denken. So wird es ein stiller Abschied für Franz-Josef Ewers.

Der Geschäftsführer der Weißen Flotte Baldeney geht von Bord und verabschiedet sich in den Ruhestand, noch bis zum 31. Mai ist er als Geschäftsführer bestellt. Auch den Posten als "See-Manager", zu dem ihn der Rat der Stadt 2017 bestellt hat, gibt der 62-Jährige ab an seinen Nachfolger. Dem will er die Geschäfte noch ordentlich übergeben. Dann ist Schluss. Ewers hätte sich einen anderen Abgang gewünscht. Seine Crew musste er vor gut einer Woche in Kurzarbeit schicken. "Das hat weh getan", sagt er. Die Schiffe dümpeln nutzlos vor sich hin. Wie lange noch, steht in den Sternen.

Das Kulturhauptstadtjahr 2010 war für die Weiße Flotte ein Glücksfall

2009 hatte Ewers, bis dahin lange Jahre Personalratsvorsitzender bei der Stadt Essen, das Kommando der Weißen Flotte übernommen. Im Jahr zuvor fuhr die kleine städtische Tochtergesellschaft noch ein sattes Minus von 250.000 Euro ein. Ewers steuerte die Weiße Flotte in sicheres Fahrwasser. "Wir hatten Glück", sagt er und erinnert an das Kulturhauptstadtjahr 2010. Essen und das Ruhrgebiet standen im Scheinwerferlicht. Eine Fahrt mit der Weißen Flotte war für viele Gäste ein Muss wie ein Besuch auf Zollverein.

Seitdem schippert die Weiße Flotte wirtschaftlich an der schwarzen Null entlang. Für 2019 steht unterm Strich ein geringes Minus, nach einem Plus von 64.000 Euro 2018. "Aber das war auch ein super Jahr", so Ewers. Man erinnert sich: Der Sommer wollte einfach nicht enden.

Der Rhein-Herne-Kanal bietet für das Ausflugsgeschäft noch Potenzial

Für die Zukunft der Weißen Flotte sieht Ewers noch reichlich Potenzial, insbesondere im Tourismus und das allen voran auf dem Rhein-Herne-Kanal. Die Wasserstraße im Norden des Reviers werde für das Charter- und Ausflugsgeschäft immer bedeutender, ist Ewers überzeugt. Wo sonst lassen sich Industrie und Kultur im Vorbeifahren erleben?

Am Hafen Bismarck in Gelsenkirchen, wo ein neues Wohnquartier mit schicken Wohnungen entstanden ist, verfügt die Weiße Flotte inzwischen über einen eigenen Anleger. Strom und Wasser werden werden noch gelegt. "Eine feste Dependance, das wäre was", blickt Ewers voraus.

Auch auf der Ruhr wollte er zu neuen Ufern aufbrechen. Doch Fahrten flussaufwärts bis nach Steele gestalten sich schwieriger als erwartet. "Ich hatte es mir einfacher vorgestellt", räumt Ewers ein und spielt auf die komplizierte Genehmigungsverfahren und technische Hürden an. Die Landeswasserstraße endet am Spillenburger Wehr, das es zu überwinden gilt. Für alles, was danach kommt, bedarf es einer Sondererlaubnis der Bezirksregierung. Und dann liegt auf dem Weg noch das Naturschutzgebiet "Heisinger Aue". Mit Ende der Brutzeit ist auch die Saison für die Schifffahrt fast schon wieder vorbei. Mit Rücksicht auf die sensible Tier- und Pflanzenwelt, tun es vielleicht auch weniger Fahrten, sagt Ewers.

Ein neues Fahrgastschiff soll her als Ersatz für die "Kettwig" und die "Steele"

Die Modernisierung der in die Jahre gekommenen Flotte hat er als Geschäftsführer noch auf den Weg gebracht. Die "Stadt Essen" und die "Heisingen" sollen in diesem Jahr neue, umweltfreundlichere Motoren erhalten. Auch die Schiffsdecks werden überarbeitet. Mit der Lux-Werft bei Bonn hat Ewers Gespräche über den Bau eines neuen Fahrgastschiffes aufgenommen. "Wir brauchen es unbedingt", sagt Ewers - als Ersatz für die "Kettwig" und die "Steele", die mit nur 42 Sitzplätzen viel zu klein sei. Beide sollen verkauft werden, der Erlös in das neue Schiff fließen.

Ob die Weiße Flotte die Investition von vielleicht drei Millionen Euro wird stemmen können? "Die vorhandenen Schiffe werden immer älter", sagt Ewers. Für die "Steele" gebe es bereits einen Interessenten aus Bayern, verrät Ewers. Wegen Corona liegt ein Verkauf aber auf Eis. Wer weiß, ob der Deal überhaupt zustande kommt. Nicht nur die Weiße Flotte steuert durch schwere See.

Der Baldeneysee sieht danach in diesen schönen Apriltagen nicht aus. Auch am Ufer gibt es für den Neuen an Bord genug zu tun. Die Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Nahverkehr gilt es zu verbessern, sagt Ewers. Und der Neubau der Tribüne am Regattaturm ist über einen Planungswettbewerb bislang nicht hinausgekommen.

Ewers geht das nichts mehr an. Er will sich seinem Taubensport widmen und "endlich mal den Sommer genießen", wenn die Coronakrise das denn zulässt.

DER NACHFOLGER

Als neuen Geschäftsführer der Weißen Flotte Baldeney hat die städtische Holding EVV Boris Orlowski ausgeguckt. Der 50-jährige gebürtige Essener ist Inhaber einer Veranstaltungsagentur und seit seiner Jugend aktiver Ruderer auf Ruhr und Baldeneysee. Die Nachfolge von Franz-Josef Ewers soll er zum 1. Juni antreten.