Essen. Der syrische Krieg hat eine Flüchtlingswelle ausgelöst, die auch die Essener Stadtgesellschaft verändert hat. Aber was wissen wir über die Syrer?
Die Zeit der hastig zusammengezimmerten Flüchtlingsunterkünfte ist überstanden. Während die Kommunen in Deutschland ab 2015 urplötzlich vor der gewaltigen Aufgabe standen, mehr als eine Million Flüchtlinge zu versorgen, stellt sich nun immer drängender die Frage, wie die Integration der Geflüchteten in unsere Gesellschaft gelingen kann.
Bei allen Erfolgen – die von Zeit zu Zeit auch zurecht hervorgehoben werden – mahnende Beispiele völlig gescheiterter Integration in die deutsche Gesellschaft gibt es bedauerlicherweise zur Genüge. Insbesondere in Essen, einer Stadt, die mit der organisierten Kriminalität arabisch-kurdischer Clans ihre leidvolle Erfahrung macht, ist es für Stadtgesellschaft und Politik von übergeordneter Bedeutung, die Neubürger erfolgreich zu integrieren, ehe sich weitere Parallelgesellschaftsstrukturen verfestigen. Das ist auch Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen ein dringendes Anliegen. Weshalb er es unterstützt, dass die Stadt ein Forschungsinstitut beauftragt hat, sich der syrischen Community in Essen zu widmen.
Wie stehen die Syrer in Essen zu Religion und Demokratie?
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Die Verwaltung will mehr über die 12.766 Syrer (Stand Januar 2020) erfahren, die in Essen inzwischen die drittgrößte ausländische Gruppe nach den Türken (ca. 22.000) und den Polen (ca. 20.000) bilden.
Wer ist da zu uns gekommen? Wer hat welche Erfahrungen, welche Ausbildung oder Qualifikation gemacht? Wie leben die Menschen in Essen? Womit verbringen sie ihre Freizeit? Welcher Ethnie oder Religion gehören die Menschen an? Welche Rolle spielt Religion in ihrem Leben? Welche politische Einstellung haben die Syrer, wie stehen sie zur Demokratie?
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Fragen, die das hiesige Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (zfti) beantworten soll. Ob und wie hinderlich die Wahl des ausführenden Instituts für die Umfrage sein wird, bleibt abzuwarten. Dass es durchaus kontraproduktiv sein könnte, dass ausgerechnet ein Auftragnehmer, der das Wort „Türkei“ im Namen trägt, die Essener Syrer interviewen soll, weiß man im Rathaus auch. Schließlich spielt die Türkei auf vielfältige Weise eine aktive Rolle im Syrien-Konflikt. Als Kriegspartei im Kampf gegen die Kurden, als Rückzugsort für Extremisten, und bizarrerweise auch als Transitland, das syrische Flüchtlinge als Faustpfand in den Verhandlungen mit der EU missbraucht.
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Die Stadtspitze hofft, dass das zfti dennoch einen Weg findet, mit den Essener Syrern ins Gespräch zu kommen. Aus der Studie erhofft sich die Stadt wichtige Erkenntnisse für die Integration der Neubürger. Die Befragung soll in diesem Jahr stattfinden, eine Auswertung wird Anfang 2021 erwartet.
Was die Stadt jetzt schon anhand ihrer Melderegister herausgeschält hat, ist ein Bild über die Verteilung der Syrer im Stadtgebiet.
Wo die Essener Syrer im Stadtgebiet leben
Infobox zur Syrier-Studie
Der größte Teil der Studie wird durch die Stadt Essen finanziert. Wie viel Geld die Stadt dafür ausgibt, will sie indes auch auf Nachfrage nicht veröffentlichen.
Eine Mitfinanzierung bestehe aber auch durch das Land NRW, da das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration ebenfalls ein großes Interesse an den Ergebnisse habe.
Nur noch 202 der 12.766 syrischen Staatsbürger in Essen leben noch in einer Flüchtlingsunterkunft. Im Jahr 2019 hat sich die Zahl der Syrer in Essen um 1124, also um 9,7 Prozent erhöht. „Diese Zunahme ist ähnlich hoch wie im Jahr 2018 (+ 1041; 9,8 %)“, erklärt Stadtsprecherin Silke Lenz.
Besonders viele Syrer leben demnach in den Stadtteilen Altendorf (1372), Altenessen-Süd (1083), Katernberg (858), Südostviertel (817) und in Horst (724).
In Horst (6,5 %), im Südostviertel (6,3 %) und in Altendorf (6,0 %) – wie auch im Stadtkern (6,5 %) und im Nordviertel (6,9 %) – ist der Anteil der Syrer an der Bevölkerung mit mehr als 5 Prozent weit überdurchschnittlich hoch (Stadt insgesamt: 2,2 %), weiß Lenz außerdem zu berichten.
Auch im Ostviertel (4,7 %), in Altenessen-Süd (4,0 %) und Karnap (3,8 %) sowie in Katernberg (3,6 %), Kray (3,2 %), Freisenbruch (3,2 %) und Bochold (3,0 %) liegt der Anteil mit 3 bis 5 Prozent über dem Stadtdurchschnitt.