Essen. Luxus und Küche: Berthold Bühler, Patron des 2016 geschlossenen Zwei-Sterne-Restaurants „Résidence“ in Kettwig, spricht über Spitzengastronomie.

Über Essen, Gourmetküche und Luxus kann Berthold Bühler in allen Facetten philosophieren. Der Ex-Patron des legendären Sterne-Restaurants „Résidence“ weiß wovon er spricht: Auch ohne jemals in einer Fernseh-Kochshow den Löffel gerührt zu haben, zählt er zu den Großen der deutschen Kochkunst. 1984 geadelt durch den ersten und 1989 durch den zweiten Michelin-Stern lebt er auch drei Jahre nach Schließung seines Kettwiger Gourmet-Tempels für den feinen Geschmack.

Heute kocht der Spitzenkoch für gute Freunde und treue Gäste von einst

Das Auge isst mit: Dezent und wohldosiert setzt Berthold Bühler 22-Karat-Blattgold in der Küche ein – etwa um Pralinen effektvoll zu verzieren.
Das Auge isst mit: Dezent und wohldosiert setzt Berthold Bühler 22-Karat-Blattgold in der Küche ein – etwa um Pralinen effektvoll zu verzieren. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die kräftezehrende Zeit der großen Küchenschlachten hat der 67-Jährige zwar hinter sich gelassen, trotzdem steht er noch immer mit derselben Begeisterung für kulinarische Perfektion an Herd und Topf. Gute Freunde und treue Gäste der „Resi“ verwöhnt Bühler jetzt in einem liebenswürdigen, ja, intimen Ambiente – bei exklusiven „Private Dining“-Events in seinem privaten Domizil. „Gutes Essen“, sagt der Spitzenkoch, „das ist ein Luxus für den Körper und die Seele.“ Mit anderen Worten: das gehobene Restaurant als Wellness-Oase.

Fade Gerichte aus Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen, aus Farbstoffen und Instantpulvern: Das ist nicht die Welt eines Feinschmeckers. Genauso wenig wie mit Blattgold belegte Tomahawk-Steaks, die Bühler als „verzichtbare Dekadenz“ einstuft. Wahre Kochkunst – das ist für „BB“, wie ihn seine Verehrer ehrfürchtig nennen, etwa ein opulentes Acht-Gänge-Menü, „bei dem ich alle Register ziehen kann“. Es geht keineswegs um dekadente Völlerei, sondern um den hohen Anspruch des Spitzenkochs. „Je mehr Gänge, desto besser kann ich die ganze Breite meines Könnens präsentieren.“

„Die Menschen sehnen sich nach großen Gefühlen und die erleben sie auch bei Tisch“

Berthold Bühler mit einer Original-Entenpresse, die das Pariser Restaurant „La Tour d’Argent“ gemacht hat.
Berthold Bühler mit einer Original-Entenpresse, die das Pariser Restaurant „La Tour d’Argent“ gemacht hat. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Dann ist der Speiseteller keine simple Addition gekochter, gedünsteter oder gebrutzelter Zutaten mehr, sondern eine filigrane „Komposition“. Eine, die noch nie gespürte Geschmacksknospen zur Explosion zu bringen vermag. „Die Menschen sehnen sich nach großen Gefühlen und die erleben sie auch bei Tisch.“

Der Porzellanteller als Leinwand, darauf einer servierter Rausch aus Aromen und Farben: Wie viel muss der Gast für einen unvergesslichen Abend zu zweit in einem Gourmet-Restaurant der Kategorie Résidence hinblättern? Nun, gut 450 Euro dürfte ein Fünf-Gänge-Menü mit Champagner, Weinbegleitung und Digestif kosten.

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Das mag für den einen sündhaft teuer sein, für Bühler ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Ein Abend zu zweit im Musical kostet auch 240 Euro – ohne einen Happen gegessen zu haben. „Vier, fünf Stunden mit dem Partner in einem Restaurant – das bedeutet: dem Körper Luxus zuführen und obendrein gesund gegessen zu haben.“

Sich ein Luxus-Menü leisten und obendrein dazu zustehen: das sei zumindest in Deutschland nicht selbstverständlich. Oft passiere das Gegenteil. „Die Leute verstecken sich regelrecht, weil sie kulinarischen Luxus nicht zeigen wollen.“ Auch in der Résidence gab es einen abgeschlossenen Bereich. Obwohl Platz für 16 Personen vorhanden war, sei nur für vier gebucht worden. „Man wollte eben nicht gerne gesehen werden.“

„Compliance hat der Gastronomie den Nährboden entzogen“

Nicht nur die Luxus-Gastronomie habe es hierzulande schwer. Überall in der Branche sei die Unruhe groß, insbesondere weil es an gutem Personal mangele. Überhaupt schaut so mancher Spitzenkoch neidisch über den Rhein ins Schlaraffenland Frankreich, wo mit Sternen und Hauben dekorierte Herdkünstler wie Alain Ducasse dieselbe Wertschätzung genießen wie Pop-Stars.

Berthold Bühler bewundert die Kochkünste Knut Hannappels und gönnt ihm endlich einen Michelin-Stern.
Berthold Bühler bewundert die Kochkünste Knut Hannappels und gönnt ihm endlich einen Michelin-Stern. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Berthold Bühler hat im Auftrag der Landesregierung für die britische Königin Elizabeth II. gekocht und in seiner „Rési“ kehrten einst Weltstars wie Vanessa Redgrave und Cliff Richards ein. Das brachte großes Renommee, aber es waren Industrielle und Spitzenpolitiker, Wirtschaftsführer und Dax-Vorstände, die sich in Kettwig die Klinke in die Hand gaben und ihn viel Geld verdienen ließen.

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Doch seit Einführung strenger Compliance-Richtlinien gehört dieses goldene Zeitalter längst der Vergangenheit an. Die Zeiten, als wichtige Abschlüsse mit einem üppigen Geschäftsessen besiegelt wurden, sind passé. „Compliance hat der Gastronomie den Nährboden entzogen.“

Mit viel Wehmut erinnert sich Berthold Bühler an die achtziger Jahre, als das Ruhrgebiet noch Heimat vieler Spitzenrestaurants war. „Heute sind wir in der kulinarischen Spitze leider extrem abgerutscht.“ Anfang März wird der Michelin wieder Sterne vergeben. Wird ein neuer für Essen dabei sein? Bühler, 2014 ausgezeichnet als „Bürger des Ruhrgebiets“, sagt: „Ich wünsche mir einen Stern für Knut Hannappel, er hat ihn verdient.“