Essen. Die Stadt Essen will die Sicherheitsstandards im Radverkehr erhöhen und das Hauptroutennetz endlich vollenden.

Das Fahrradfahren in Essen soll sicherer werden und die Zahl der Unfälle mit Radfahrern sinken. Die Stadt Essen will deshalb nicht nur das Radverkehrsnetz endlich vollenden. Zum Schutz der Radfahrer soll es auf den Hauptverkehrsstraßen höhere Sicherheitsstandards geben. Denn: „Die Leute steigen nur aufs Rad, wenn sie sich auch sicher fühlen“, betont Rainer Wienke, Leiter des Stadtamtes für Straßen und Verkehr.

Zum Gedenken an eine Radfahrerin, die 2016 am Bismarckplatz tödlich verunglückte, stellten Fahrrad-Aktivisten ein weiß angestrichenes Fahrrad, ein sogenanntes Ghostbike, auf.
Zum Gedenken an eine Radfahrerin, die 2016 am Bismarckplatz tödlich verunglückte, stellten Fahrrad-Aktivisten ein weiß angestrichenes Fahrrad, ein sogenanntes Ghostbike, auf. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Laut Wienke sollen die Lücken im Hauptroutennetz in den kommenden fünf Jahren geschlossen werden. Das 1995 geplante Hauptroutennetz umfasst 197 Kilometer, davon sind rund 52 Kilometer noch nicht fertiggestellt. Auf diesen Streckenabschnitten sollen wahlweise durchgängige Radfahrstreifen, Schutzstreifen oder sogenannte „Protected Bike Lanes“ sicherstellen, dass sich Fahrradfahrer möglichst gefahrlos fortbewegen können. Eine erste Protected Bike Lane will die Stadt 2020 als Bestandteil der geplanten Umweltspur auf der Bernestraße in der Innenstadt einrichten.

Essener Radwegenetz soll auf Sicherheitsdefizite überprüft werden

Auch interessant

Im kommenden Jahr will das Amt für Straßen und Verkehr zudem ein externes Büro damit beauftragen, die bestehenden Strecken des Hauptroutennetzes auf etwaige Sicherheitsdefizite hin zu untersuchen. Diese sollen dann möglichst schnell abgebaut werden, so Wienke.

Für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) liegt auf der Hand, dass nachgebessert werden muss. Kritisch sieht der ADFC insbesondere sogenannte freie Rechtsabbieger; Fahrspuren, auf denen Autofahrer unabhängig von Ampeln abbiegen können. Die Gefahr, dass Radfahrer und Fußgänger übersehen werden, sei sehr groß, so ADFC-Sprecher Jörg Brinkmann.

Auch interessant

Ergänzt wird das Hauptroutennetz durch insgesamt 323 Kilometer lange Nebenrouten auf Nebenstraßen. Dort sei in Sachen Sicherheit „so gut wie nichts“ passiert, bedauert Brinkmann. Durch das Ausweisen von Fahrradstraßen ließen sich Unfälle vermeiden, heißt es dazu im Amt für Straßen und Verkehr.

2018: In Essen verunglücken 374 Radfahrer, davon 92 verletzten sich dabei schwer

Die Stadt reagiert damit auf aktuelle Erhebungen zum Radverkehr. So verunglückten im vergangenen Jahr laut Statistik der Polizei in Essen 374 Fahrradfahrer. Zum Vergleich: Im sogenannten motorisierten Individualverkehr wurden 2160 Unfälle erfasst.

Setzt man die Zahl der Unfälle in Relation zur Zahl der Wege, die mit dem Fahrrad und mit dem Auto oder Motorrad zurückgelegt wurden, ergibt sich folgendes Bild, das Rainer Wienke so beschreibt: „Die Wahrscheinlichkeit, als Fahrradfahrer einen Unfall zu haben, ist in etwa so groß wie als Autofahrer.“ Laut Haushaltsbefragung von 2018 legten die Essener rund 50 Millionen Wege pro Jahr mit dem Fahrrad zurück, mit dem Auto waren es rund 373 Millionen Wege. Wobei das Fahrrad meist für kürzere Strecken genutzt wird.

70 Prozent der Fahrradunfälle ereigneten sich zwischen April und September. 30 Prozent zwischen Oktober und März, wenn jahreszeitbedingt weniger Radfahrer unterwegs sind. 92 Fahrradfahrer verletzten sich bei einem Unfall schwer, 282 trugen leichte Verletzungen davon.

Viele Unfälle an Essener Kreuzungen

Lückenschluss kostet Millionen

Erst nach der bevorstehenden Untersuchung des Radwegenetzes ist es nach Angaben der Stadtverwaltung möglich, belastende Aussagen zu den Kosten zu treffen. Die Lücken im Radwegenetz zu schließen, dürfte etwa 4,8 Millionen Euro kosten, heißt es. Die Kosten für Straßenerneuerungen, von denen auch der Radverkehr profitieren soll, belaufen sich auf ein Vielfaches.

Im städtischen Haushalt sind bislang 500.000 Euro pro Jahr für den Ausbau des Radverkehrs vorgesehen. Ab 2020 steigt die Summe auf 750.000 Euro inklusive Fördergelder des Bundes aus dem Programm Lead City.

37 Prozent der Unfälle ereigneten sich, ohne dass andere Verkehrsteilnehmer beteiligt gewesen seien. Die Verwaltung ist der Auffassung, dass sich dies durch bauliche Veränderungen kaum beeinflussen lasse. 36 Prozent der Radfahrer verunglückten allerdings beim Abbiegen oder beim Kreuzen von Straßen. Nach Auffassung der Verwaltung wäre es deshalb angezeigt, das Blickfeld an Kreuzungen für alle Verkehrsteilnehmer zu erweitern, so dass Fahrradfahrer schneller wahrgenommen würden.

Auffällig ist auch, dass 38 Fahrradfahrer an Straßenbahnschienen verunglückten. Das Amt für Straßen und Verkehr will deshalb alternative Routen prüfen. Auch bauliche Veränderungen, die das Queren der Schienen erleichtern, könnten eine Lösung sein, heißt es.

Auch interessant

All dies soll das Radfahrern sicher und attraktiver machen, denn mit einem Radverkehrsanteil von sieben Prozent bleibt Essen weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück.