Essen. Das Münsteraner Stichwahl-Urteil freut die OB-Kandidaten von SPD und Grünen. Und selbst Amtsinhaber Thomas Kufen (CDU) scheint nicht unzufrieden.
Ob der kaltgestellte Sekt bei dem einen wieder ins Regal musste? Ob der andere ihn an diesem Freitag erst in den Kühlschrank bugsierte? Nein, da winkten sie beide ab – Amtsinhaber Thomas Kufen (CDU) wie auch sein SPD-Herausforderer Oliver Kern. Und nur im fernen Münster überlegte ein dritter Oberbürgermeister-Kandidat aus Essen, ob er das soeben ergangene Gerichtsurteil zu mittäglicher Stunde nicht mit einem fulminanten Cocktail feiern sollte.
Mehrdad Mostofizadeh von den hiesigen Grünen beließ es dann doch beim Kaffee, aber seinem Triumph über die Entscheidung des NRW-Verfassungsgerichtshof, die OB-Stichwahl zu „retten“, tat das keinen Abbruch: Im Kampf um den OB-Posten, so glaubt der Landtagsabgeordnete, der eigens zum Verkündungstermin gefahren war, „werden die Karten jetzt neu gemischt“.
Der OB stellt sich „darauf ein, dass es zu einer Stichwahl kommt“
Wer dabei welches Blatt auf der Hand hat, das ist die große Frage. Selbst der Oberbürgermeister – obwohl als Christdemokrat einst für die Abschaffung der Stichwahl – konnte dem verfassungsrechtlichen Rüffel aus Münster Positives abgewinnen. Er habe sich zwar „keinen Kopf darüber gemacht“, meinte Kufen, weil er persönlich am Votum ja eh nichts habe ändern können.
Doch die vielerorts vorherrschende Meinung, seine Wiederwahl als auch in Umfragen beliebtem OB sei quasi ein Selbstläufer, ging ihm schon seit längerem gegen den Strich: „Wenn alle sagen: Das Rennen ist schon gelaufen, dann ist das keine gute Startposition“, findet Kufen. Jetzt gibt der Amtsinhaber die Devise aus, „dass wir uns werden anstrengen müssen“. Er selbst stelle sich jedenfalls „darauf ein, dass es zu einer Stichwahl kommt“.
„Eine andere Politik habe nur ich im Programm“, behauptet Mostofizadeh
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass er für sich keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang sieht. Kalkulierte Bescheidenheit, die bei seinem SPD-Gegenüber auf berechnende Unbescheidenheit trifft. Denn allen miesen Umfragen für die Genossen zum Trotz beharrt der zum Herausforderer gekürte Awo-Geschäftsführer Oliver Kern darauf, dass er schon im ersten Anlauf das Rennen macht. Und mithin keine Stichwahl braucht.
Grünen-Kandidat Mostofizadeh zieht dies arg in Zweifel: „Eine andere Politik habe nur ich im Programm“, behauptet der 50-Jährige schon ganz im Wahlkämpfer-Modus – und will nach eigenem Bekunden „alles tun“, dass er es in die Stichwahl mit Kufen schafft. Man bekommt eine Ahnung davon, was der amtierende OB meint, wenn er mit etwas Distanz und offenbar nicht ohne gewisses Amüsement einen Kampf „selbstbewusst auftretender Grüner“ mit einer SPD erwartet, „die immer noch ihr Erfolgsmodell sucht“.
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Es wäre die dritte Stichwahl bei einer Essener Oberbürgermeister-Wahl
Derweil freut sich Daniel Kerekeš von den Linken über die gerichtlich verfügte „Stärkung der Demokratie“, und während die DKP mit Peter Köster noch einen weiteren OB-Bewerber ganz links ankündigt, halten sich jetzt alle den 27. September 2020 terminfrei, den zweiten Sonntag nach der Kommunalwahl, an dem eine mögliche Stichwahl über die Bühne geht.
Es wäre die dritte in Essen: nach 2004, als Wolfgang Reiniger (CDU) sich gegen Reinhard Paß (SPD) durchsetzte, und nach 2015, als wiederum Thomas Kufen Amtsinhaber Paß klar auf Platz 2 verwies. Der Sekt wird dennoch bereits am 13. September zum ersten Wahlgang kaltstehen. Man weiß ja nie.